Die als Kooperation mit Las Palmas konzipierte Neuproduktion von ‘Lucia di Lammermoor’ in Triest mit der zurzeit sicher weltbesten Interpretin der ‘Lucia Jessica Pratt feierte einen großen Publikumserfolg in der Regie von Bruno Berger-Gorski unter dem Dirigat von Daniel Oren.
Jessica Pratt ließ sich vor der Premiere zwar als indisponiert ansagen, wusste ihre Erkältung aber als erfahrene Lucia-Interpretin durch ihre meisterhafte Technik geschickt zu überspielen.
Das Teatro Verdi in Trieste konnte mit dieser Ideal-Besetzung der LUCIA an die berühmten Zeiten seiner früheren Star- Besetzungen anschließen: Neben der umjubelten Jessica Pratt mit ihrer voluminösen Mittellage und strahlender Höhe konnte Francesco Demuro als international bekannter ‘Edgardo’ für den angekündigten Stefan Pop gewonnen werden. Demuro überzeugte als idealer Belcanto-Tenor auch darstellerisch restlos und riss das Publikum gemeinsam mit Jessica Pratt immer wieder zu spontanem Applaus hin.
Die RAI übertrug live landesweit diese hervorragend besetzte ‘Lucia’ mit der Neu- Entdeckung Maxim Lisiin als jungen ‚Enrico‘ an der Seite von Carlo Lepore als erfahrenen ‘Raimondo‘.

Der weltweit umtriebige Regisseur Berger-Gorski (in Wien inszeniert er zur Zeit „Das Tagebuch der Anne Frank“ von Frid) konzentrierte sich auf eine genaue Personenführung im klassisch minimalistisch gehaltenen Bühnenraum von Carmen Castagnon und zeichnete alle Personen mit psychologischem Feinsinn. Carlo Lepore als ‘Raimondo’ repräsentiert unter einem riesigen Lichtkreuz den Machtmissbrauch der Kirche und manipuliert auf Anweisung des berechnenden ‘Enrico’ die sich stark und emanzipiert widersetzende ‘Lucia´ bis zur Aufgabe ihres Treueversprechens.
Jessica Pratt zog das Publikum in ihren Bann durch ihre sängerdarstellerische Intensität und traf mit ihrem Schmerz ins Herz. Ihre innige Stimme im Wechsel mit der Glasharmonika (Friedrich Kern) versetzte das Publikum förmlich in andere Sphären und provozierte das begeisterte Publikum in Trieste zu Jubelstürmen, die das Spiel unterbrachen.
Der 25 Jahre junge ‘Enrico’ Maxim Lisiin mit seiner wunderbar legato geführten Baritonstimme ist eine echte Neu – Entdeckung, dem Berger-Gorski ein scharf umrissenes Profil verleiht. ‘Enrico“ ist als körperlich übergriffiger Bruder inszeniert, der mit den Nöten und der inneren Zerrissenheit eines noblen Geschäftsmannes kämpft und dann durch Raffinesse und berechnendes Verhalten den gesellschaftlichen Adel und ‘Arturo’ (Enzo Peroni) geschickt zu beeinflussen weiß.
Der gotisch- abstrakt schwarze Bühnenraum überzeugt durch seine Klarheit ohne überflüssigen Ausstattungs-Schnickschnack und wandelt sich durch wechselnde subtile Projektionen und eine atmosphärische Licht- Regie mit wenigen Bühnenelementen, so dass das Publikum sich auf die genau gezeichneten Darsteller konzentrieren muss. Bühnenbild: Carmen Castagnon Durch die Zeitversetzung der Handlung in die Epoche des Komponisten (Kostüme von Claudio Marin) gewinnt das Drama an Aktualität.
Auffällig die genaue Personenführung auch in den kleinen Partien, wie der intrigant agierende Nicola Pamino als ‘Normanno’, der in ‘Valzacchi’- Manier zu Beginn der Oper ‘Enrico’ die geheimen Liebes-Treffen seiner Schwester mit dem Erzfeind Edgardo verrät und genüsslich den gefälschten Brief mit der angeblich belegten Untreue überreicht. Später tanzt ‚Normanno‘ als akzeptierter Emporkömmling im Ballsaal gemeinsam mit dem schottischen Hochadel. Miriam Artiaco als ‘Alisa’ kämpft mit ihren Gefühlen für ‚Lucia’ und ihren Ängsten vor ihrem alles kontrollierenden Dienstgeber ‘Enrico`, der von seinem überdimensionalen Tisch a la Putin das Geschehen kontrolliert und den Hochzeitsvertrag triumphierend lachend vorbereitet.
Interessant die Idee, dass ‘Lucia’ vielleicht ein Kind von Edgardo erwartet oder im Wahn Visionen eines ungeborenen Kindes halluziniert. Während ihrer in den pianissimo gehauchten Koloraturen werden gemeinsam mit dem sphärischen Klang der Glasharmonika subtil wechselnde Video- Projektionen eines Embryos eingespielt.
Der hervorragend einstudierte Chor (präzis einstudiert von Paolo Longo) ist intensiv im Spiel und reagiert entsetzt auf die sich entkleidende Lucia mit ihren Angriffen und Attacken während der Wahnsinns-Szene. Jubelstürme am Ende der beklemmend inszenierten Wahnsinns-Arie. Daniel Oren kehrt mit diesem Erfolg seiner genau ausgefeilten Interpretation der ‘Lucia’ an den Ausgangspunkt seiner internationalen Karriere zurück. Sein hochenergetisches Dirigat reißt das Orchester zu Höchstleistungen mit.
Der international anerkannte Maestro wurde zu Recht gemeinsam mit der alles überstrahlenden Jessica Pratt, dem Ensemble und dem Regieteam gefeiert.
Man kann dem Teatro Verdi zu diesem Erfolg nur gratulieren!
Gunhild Kranz, 23. April 2025
Lucia di Lammermoor
Gaetano Donizetti
Teatro Verdi, Triest
Premiere am 17. April 2025
Inszenierung: Bruno Berger-Gorski
Musikalische Leitung: Daniel Oren