Valencia: „Die Walküre“ / „La Traviata“

Besuchte Aufführungen: 9. und 10.11. (WA 3.11. bzw. 19.10.2013)

Viel Applaus im Palau de les Arts Reina Sofia

Das von der Finanzkrise stark gebeutelte Opernhaus der spanischen Metropole setzte zur Eröffnung der diesjährigen Saison, um dem Gedenkjahr für Verdi und Wagner gerecht zu werden, für den deutschen Komponisten das populärste Werk der von 2007 bis 2009 erarbeiteten Tetralogie und für den Italiener die die populäre „Trilogie“ beschließende Oper an, letztere als Übernahme aus Amsterdam, basierend auf der Originalproduktion der Salzburger Festspiele.

Die Produktion der Wagneroper in der Auslegung der Fura dels Baus unter Leitung von Carlus Padrissa wurde von Allex Aguilera sorgfältig betreut und machte in ihren Bildern von Hundings roher Behausung über die auf Kränen auf- und niederschwebenden Götter und Walküren bis zu einem poetisch gelösten Feuerzauber, bei dem Fackeln von Hand zu Hand gehen, wieder großen Eindruck.

Am allermeisten beeindruckte aber das Orquestra de la Comunitat Valenciana, das in seinem nicht einmal zehnjährigen Bestehen zu einem Klangkörper allerersten Ranges geworden ist, der es verdient hat, von Zubin Mehta nach der Vorstellung auf die Bühne geholt zu werden. Man merkt es dem siebenundsiebzigjährigen Maestro an, welche Liebe er für dieses Orchester hegt, und gemeinsam zauberten sie eine Musikwelt, wie man sie sich schöner kaum vorstellen kann. Es standen allerdings auch die geeigneten Sänger zur Verfügung, um dem Werk den großen Atem einzuhauchen: Nikolai Schukoff hat nicht die Stimmfülle eines Melchior, aber genügend Material für beeindruckende Wälserufe und vor allem auch hohe Intelligenz als Interpret. Sein Siegmund war ganz der sich von seinem Dasein als „Wehwalt“ befreiende, in der Liebe zu Sieglinde über sich hinauswachsende Jüngling.

Mit Heidi Melton hatte er eine wiederum recht füllige junge Amerikanerin zur Seite, deren Jubelstimme ideal für die Rolle war und für die Zukunft noch einiges verspricht. Einen furchterregender Hunding sang mit schwarzem Bass Stephen Milling. In Thomas Johannes Mayer fand sich ein interessanter, leicht aufbrausender Wotan, der weniger göttlich war als viele seiner Vorgänger, aber gerade deshalb berührte. Als authentischer Bariton tat er sich ein wenig schwer mit den Tiefen der Rolle, doch war seine Leistung insgesamt exzellent. Seine Fricka wurde von Elisabeth Kulmann mit nicht ausladendem, aber gut tragendem Mezzo und einer schönen Dosis Ironie gesungen. Jennifer Wilson wiederholte ihre gesanglich untadelige Brünnhilde, der man etwas mehr Beweglichkeit gewünscht hätte (darin fand sie durch die scheußlichen Kostüme von Chu Uroz allerdings keine Unterstützung). Die Walküren Eugenia Bethencourt, Bernadette Flaitz, Julia Borchert, Pilar Vázquez, Julia Rutigliano, Patrizia Scivoletto, Nadine Weissmann und Gemma Coma-Alabert seien für ihr vokales und szenisches Engagement bedankt. Großer Jubel für alle und ein Triumph für Mehta und das Orchester.

Der unermüdliche Maestro stand auch tags darauf am Pult der bekannten Produktion von Willy Decker, die hier von der Assistentin des Regisseurs, Meisje Barbara Hummel, betreut wurde. Die Salzburger Produktion, salopp als „die mit der Uhr“ bezeichnet, darf als bekannt vorausgesetzt werden, war sie doch nicht nur im Fernsehen mit der Netrebko, sondern auch in einer Übertragung aus der Met mit Natalie Dessay im Kino zu sehen. Für mich ist sie eine der überzeugendsten der letzten Jahre.

Die Titelrolle wurde von der Bulgarin Sonya Yoncheva verkörpert, die 2010 Plácido Domingos Operalia-Bewerb gewonnen und sehr bald eine internationale Karriere gestartet hatte (vor diesen Vorstellungen war sie „Lucia“ an der Opéra Bastille). Die Stimme wird technisch sicher und sauber geführt und hat für Violetta sowohl die Koloratur, als auch das nötige Gewicht für die lyrischen Stellen; das Timbre könnte eine Spur persönlicher sein. In der Darstellung ließ sie Netrebko nicht vermissen, denn sie brachte sowohl die lebenshungrige Halbweltdame, als auch die kindlich Verliebte wie die Todgeweihte schauspielerisch überzeugend zum Ausdruck. Ihr Alfredo Ivan Magrì überzeugte mit sicherem Höhenstrahl, aber man hätte sich eine raffiniertere Phrasierung mit mehr Pianosingen und eine spontanere Darstellung gewünscht. Als Besitzer einer wahrhaft bedeutenden Baritonstimme erwies sich der junge Simone Piazzola, der sich auch als technisch versiert und mit großer Präzision singend zeigte. Allerdings muss er noch lernen, dass man heute bei Applaus nach einer Arie sich nicht flugs beim Publikum bedankt, und auch beim Schlussvorhang sollte er sich mehr Kontrolle auferlegen. Cristina Alunno ergänzte als mitleidige Annina; Maria Kosenkova (Flora), Javier Franco (Douphol) und Maurizio Lo Piccolo (D’Obigny) hatten bei dieser auf die Personen als anonyme Masse setzenden Regie keine große Chance, sich zu profilieren. Die hatte und nützte Luigi Roni als Dr. Grenvil/Tod; unangenehm fiel hingegen der Tenor von Mario Cerdá (Gaston) auf.

Auch hier leistete das Orquestra de la Comunitat Valenciana unter Zubin Mehta wieder Großes, unterstützt vom wie immer ausgezeichneten Cor de la Generalitat Valenciana unter Francesc Perales. Gelobt sei auch das Ballet de la Generalitat, das die intelligente, fast furchterregende Choreographie von Athol John Farmer bestens umsetzte.

Viel Jubel und Applaus auch an diesem Abend.

Eva Pleus 19.11.13
Bilder: Palau de les Arts Reina Sofia