Valencia: „Macbeth“

Palau de les Arts – Aufführung am 20.12.15, Premiere am 5.12.15

Verstaubt? Nein, den Autoren getreu!

Ich kann mich noch sehr gut an die hämischen Kommentare der Profijournalisten erinnern, als diese Inszenierung von Peter Stein 2011 in Salzburg herauskam. Es wurde moniert, dass das Geschehen einfach so gezeigt wird, wie es abläuft. Na so was! Ist ja auch eine Schande, die Geschichte zu erzählen, wie sie geschrieben wurde! Ich persönlich habe die Regie jedenfalls genossen, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass das karge Bühnenbild von Ferdinand Wögerbauer (das von der Beleuchtung durch Joachim Barth enorm profitierte) in der Felsenreitschule noch mehr Eindruck machte. (In Valencia war die in Rom für eine normale Opernbühne adaptierte Fassung zu sehen). Gut organisiert die verschiedenen Aufmärsche, ausgezeichnet gelöst der Übergang des Chors „O patria oppressa“ zur Arie des Macduff. Einzig die Art, wie Bancos Sohn den Häschern entkam, wirkte etwas ungeschickt – allerdings habe ich für diese Szene, in der ein Knabe einer großen Gruppe von Mördern entwischt, noch nie überzeugend dargestellt gesehen. Jedenfalls war die Atmosphäre finsteren, blutrünstigen schottischen Mittelalters bestens getroffen. Und die von Männern dargestellten Hexen waren in ihren beiden Szenen überhaupt ein schauriger Höhepunkt. Die historisch inspirierten Kostüme von Anna Maria Heinreich ergänzten das positive Bild.

Von der Orchesterleistung her war der Abend überhaupt ein Ereignis, denn das Orquestra de la Comunitat Valenciana (das trotz mancher Umstellungen seine hohe klangliche Qualität beibehalten hat) realisierte in bewundernswerter Weise die Vorgaben des Dirigenten Henrik Nánási. Der junge Ungar (der in Wien an der Universität für Musik und Darstellende Kunst studiert hat) überzeugte in jedem Moment durch die kluge Gliederung von Verdis Musik, peitschte die grausigen Szenen nach König Duncans Ermordung oder bei der zweiten Hexenbefragung zu erregenden Höhepunkten, ließ aber auch die Einleitung zur Nachtwandelszene in verstörendem Ton erklingen. Eine beeindruckende Leistung des Klangkörpers und seines Leiters, ergänzt durch den fabelhaften Cor de la Generalitat Valenciana unter Francesc Perales, der immer wieder nicht nur mit seiner machtvollen Stimmschönheit beeindruckt, sondern auch mit ungeheuer präziser Diktion.

Ekaterina Semenchuk war eine beeindruckende Lady, die mit ihrem prunkvollen Mezzo machen konnte, was sie wollte und neben klanglichen Explosionen auch feinster Pianophrasen fähig war. Dass ihrem Stimmfach das hohe Des nicht zur Verfügung steht, ist weiter kein Makel, denn auch ein toller Manrico soll meines Erachtens nicht danach beurteilt werden, ob er das C der Stretta mühelos hat oder nicht. Auch im Spiel war die Russin überzeugend in ihrer Gier nach Macht und dem Einfluss, den sie auf ihren Gatten ausübte. Dieser wurde von Plácido Domingo gesungen, der sich mit seinen tiefliegenden ersten Phrasen plagte, was gequetschte Töne zur Folge hatte, dann aber bewies, dass er in sehr guter stimmlicher Form war (auf die für mich unverrückbare Tatsache, dass er eben kein Bariton ist, will ich nicht weiter eingehen). Seine szenische Interpretation zeigte von Anbeginn einen sehr bedrückten Macbeth, der ohne die Einflüsterungen seiner Frau sicher nicht zum Mörder geworden wäre. Beeindruckend das Finale mit „Vil corona“ (gespielt wurde eine Mischfassung der Florentiner und der Pariser Ausgabe). Als Banco ließ Alexander Vinogradov einen machtvollen, schön timbrierten Bass hören und spielte sehr engagiert. Ausgezeichnet auch Giorgio Berrugi, der als Macduff mit noblen Tenortönen punktete und auffallend das sehr schöne, vielversprechende Material von Fabián Lara aus dem Centro de Perfeccionamiento (Malcolm). Aus dem Centro kam auch Federica Alfano, die sicher singende Dama der Lady, während der gleichfalls sicher klingende Arzt Lluis Martínez aus dem Chor rekrutiert war.

Ein packender Abend, an dem Bühne und musikalische Umsetzung ihr Bestes gaben, und der vom vollen Haus entsprechend bejubelt wurde.

Eva Pleus 28.12.15

Bilder: Tato Baeza / Palau de les Arts