Ein festspielreifer Repertoireabend!
Wann erlebt man an der Wiener Staatsoper einmal eine festspielhafte Aufführung einer Produktion, die schon so lange auf dem Spielplan steht, dass sie an diesem Abend bereits ihre 40. Wiedergabe sah. Mit der ursprünglich angesagten Anna Netrebko als Ariadne war ein solches Niveau ohnehin avisiert. Aber die Staatsoper hatte ein gutes Händchen und bat Lise Davidsen zum Einspringen, wahrlich kaum ein Qualitätsunterschied zur Netrebko. Und mit Davidsen, aber auch mit Sara Blanch als Zerbinetta, Kate Lindsey als Komponist und den meisten anderen Sängern sowie Cornelius Meister am Pult des an diesem Abend glanzvoll und hochmotiviert spielenden Orchesters der Wiener Staatsoper wurde der Abend zu einem musikalischen und auch szenischen Erlebnis!
Die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf im Bühnenbild von Rolf Glittenberg und den farbenfrohen, aber durchwegs geschmacksvollen und genau zu diesem Regiekonzept passenden Kostümen von Marianne Glittenberg hat auch heute noch eine enorme Frische. Dies ist auf eine sehr detailliert ausgearbeitete Personenregie zurückzuführen, die von allen Beteiligten mit enormer Spielfreude und einer gehörigen Prise Humor umgesetzt wurde – gerade von der kleinen Künstler-Truppe um Sara Blanch als spektakulärer Zerbinetta in ihrem knalligen feuerroten Kugelrock und rückenfreiem schwarzem Oberteil.
Selten, wenn überhaupt einmal, war ein so spannendes, abwechslungsreiches und eigentlich fast schon für sich allein stehendes Vorspiel der Oper zu sehen. Das lag vor allen anderen an der US-amerikanischen Mezzosopranistin Kate Lindsey, die sich über eine köstliche Charakterstudie des schier verzweifelnden Komponisten bis zu einem großartigen sängerischen Finale steigerte und auch in der Oper selbst immer wieder in stummer Rolle auftrat, vor allem, wenn es um Auftritte Zerbinettas ging. Sie begleitete deren große Arie an dem einzigen noch intakten Flügel des Klavier-Verhaus, der mit musikalischem Aperçu für die „wüste Insel“ steht, ein starker Regieeinfall! Adrian Eröd als Musiklehrer, Thomas Ebenstein als hyperagiler Tanzmeister und Marcus Pelz als Lakai sowie Bernhard Schir als Haushofmeister trugen das ihre zu einer höchst unterhaltsamen Vorbereitung der Oper bei.
Nach der Pause kam dann der Auftritt der „Primadonna“, der Norwegerin Lise Davidsen, die mit ihrer Körpergröße und der Ruhe ihrer Bewegungen in der Rolle der Ariadne unglaublich authentisch und überzeugend wirkte. Dazu kam natürlich ihr klangvoller und bestechend im großen Saal der Staatsoper projizierender Sopran, der zu langen Bögen und eindrucksvollen Schwelltönen in der Lange ist, aber auch eine gute Tiefe hat. Ein vokales Erlebnis einer Ausnahmesängerin! Sara Blanch zog als Zerbinetta mit ihrer agilen Truppe von Jusung Gabriel Park als Harlekin, Andrea Giovannini als Scaramuccio, Simonas Strazdas vom Opernstudio als Truffaldin und Daniel Jenz als Brighella sofort viel Aufmerksamkeit auf sich, durch ihr kokettes, aber auch in großer Sympathie zum Komponisten überzeugendes Spiel und natürlich durch ihren absolut höhnischeren und mit einer großartigen Technik vorgetragenen Sopran. Der Applaus mit vielen Bravas nach „Großmächtige Prinzessin…“ wollte kaum emden! Eine Idealbesetzung!
Das konnte man leider vom Tenor und Bacchus des Michael Spyres nicht sagen. Bei keiner besonders guten Technik wirkt sein Tenor zu rustikal für die doch vor allem gesanglich zu gestaltende Rolle und war im Finale auch nicht ganz höhensicher. Natürlich dachte man hier in Wien an James King und Johan Botha in dieser Rolle. Auch wurde Spyres wegen vieler sonderbarer Verrenkungen von der Regie benachteiligt. Florina Ilie als Najade, Daria Sushkova als Dryade und Ileana Tonca als Echo lockerten mit sehr guter stimmlicher Leistung und federgekrönten eleganten Kostümen das „traurige Stück“ „Ariadne auf Naxos“ phantasievoll auf. Cornelius Meister am Pult war offenbar in Feiertagslaune und ließ diese „Ariadne“ auch musikalisch mit dem Geschehen auf der Bühne wie aus einem Guss werden. Lang anhaltender Applaus des dankbaren Wiener Publikums!
Klaus Billand, 4. Februar 2025
Ariadne auf Naxos
Richard Strauss
Wiener Staatsoper
Besuchte Aufführung am 31. Januar 2025
Premiere: 19. Dezember 2012
Inszenierung: Sven-Eric Bechtolf
Musikalische Leitung: Cornelius Meister
Orchester dier Wiener Staatsoper