Wien: „L’elisir d’amore“

Aufführung am 16.02.2020

253. Aufführung in dieser Inszenierung

Man weiß ja nie, woher die Gerüchte kommen, aber es heißt jedenfalls, dass die Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann in der nächsten Staatsopern-Ära eine große Rolle spielen wird. Als Exklusivkünstlerin von SONY CLASSICAL scheint da ja eine gewisse Nähe gegeben. Ihr Staatsopern-Debut, noch in der „alten“ Direktion, wurde von ihrem Management jedenfalls gehörig gepuscht. Und als Opernfreund ist man neugierig. Geht also zum gefühlten hundertsten Male in „L’elisir d’amore“, um das Hausdebut der Sängerin, das gleichzeitig ihr Rollendebut in dieser Rolle ist, zu erleben. Sonst ist sie ja meist für Mozart unterwegs – nächsten Salzburger Festspielsommer wird sie die Pamina sein.

Die Optik auf den ersten Blick entzückt – schmal und sehr hübsch, so sehen die idealen Soubretten aus. Bloß: auch die Stimme ist soubrettenhaft, sprich: klein, eigentlich zu klein für die Staatsoper. Sie muss selbst gemerkt haben, dass sie anfangs längere Zeit fast unhörbar war, versuchte dann die paar Dezibel zuzulegen, um mit den anderen Kollegen mitzuhalten. Die Stimme ist schlank und leicht, wenn auch ohne besondere Kennzeichen, und wirkt in der Höhe oder auch bei Kehlkopfkunststücken eher überfordert. Dass sie ihre Rolle schön und liebenswert spielt (keinesfalls ist sie anfangs eine „Bitch“, was manche Kolleginnen bevorzugen, um die Figur und die Wandlung interessanter zu machen), ist erfreulich. Was man gesehen hat, ist ein sympathisches Debut – den Star von morgen ahnt man noch nicht.

Und außerdem, wem sagt man es, macht ein „Liebestrank“ eigentlich nur Sinn, wenn man Startheater bieten kann und nicht Repertoire, das sich in der Provinz besser ausmachen würde als an einem ersten Opernhaus. Natürlich kann Jinxu Xiahou, vielfach bewährt, den Nemorino singen, aber reicht das, zumal wenn „Una furtiva lagrima“ – gestatten schon – alles andere als schön klingt? Diese Oper verdient Battle / Pavarotti, Netrebko / Villazon, wir haben’s gehabt, es ist fast ein wenig ärgerlich, dass man es immer billig geben (oder nehmen) soll…

Nun ist es im „Liebestrank“ ja oft so, dass die erste halbe Stunde etwas fad dahinplätschert (und wie fad es war!), aber dann mit dem Auftritt des Doktor Dulcamara Leben in die Bude kommt. (Der hauseigene Paolo Rumetz garantiert das immer.) Diesmal hatte man wieder einen Star, der (wie einst Bryn Terfel) gar keine Lust auf die Rolle zu haben schien. Ambrogio Maestri (immerhin! Der Falstaff der gesamten Opernwelt an allen ersten Häusern!!!) fuhr auf Schmalspur. Vielleicht machten ihm Wetter oder Bazillen zu schaffen, jedenfalls gab es nur ein Minimum an Stimme, an Komik, an Präsenz (und an sich hat er alles so reichlich). Man konnte sich nur wundern.

Auf diese Art trat Rafael Fingerlos, der seinen ersten Belcore sang, in den Vordergrund. Die „Rauheit“ seines Baritons ist gerade noch so, dass man es als interessantes Timbre und nicht als Schnarren verbucht. Auch er gelegentlich ein bisschen angestrengt, steckte er doch alle anderen in die Tasche. Sehr schön auch, dass er sich in der Szene, wo er Nemorino wirklich schlecht behandelt, sympathisch zurückhielt – das muss, obwohl Soldat, ja nicht unbedingt ein grauslicher Kerl sein.

Dazu kam dann noch die Giannetta von Mariam Battistelli, die sich offenbar vorgenommen hatte, ihren Sopran genau so schmal einzusetzen wie ihre Herrin und unauffällig zu bleiben…

Was war nur mit Evelino Pidò los, den man ja als großen Maestro und souveränen Stabführer kennt? An diesem Abend war er müde, der „Funken“ sprang nicht über, eine Oper, die vor Temperament sprühen kann, wälzte sich mühselig dahin. Natürlich klatscht das Publikum beim „Liebestrank“ immer. Aber man hat den Wein der Königin Isotta schon viel, viel süffiger, fülliger, geschmackssicherer vorgesetzt bekommen…

Renate Wagner 20.12.2020

Fotos: Wiener Staatsoper / Ashley Taylor