Klosterneuburg: „La traviata“

Klein aber fein

Und wieder lud das kleine aber feine Open-Air Festival von Klosterneuburg in den stimmungsvollen Rahmen des Kaiserhofes von Stift Klosterneuburg, diesmal zu einem romantischen Operngenuss mit Verdis La Traviata. Wiener Opernfreunde oder die touristischen Besucher dieser Stadt stehen ja, was Oper unter freiem Himmel betrifft, weiterhin vor leeren Brettern und Rängen und müssen ihr Heil – wenn man von dieser so nahen Bühne im Kaiserlichen Stift absieht – wieder viele und oft auch leere Kilometer im Bus oder PKW für Fahrten ins weite Umland absitzen.

Trotz der, allerdings wenigen und ausgelassenen Szenen aus dem Pariser Gesellschaftsleben, ist der Charakter dieses Werkes aus der sogenannten mittleren Schaffensperiode Verdis über “weite Strecken von nahezu kammermusikartiger Intimität einer Dreipersonenhandlung” * gekennzeichnet. Nun scheut die Regisseurin Christiane Lutz in offenbarer Erkenntnis das sommerlich gestimmte und nicht leicht zu unterhaltende Publikum und wertet die Szenerie mit diversen Verdoppelungsmäzchen auf.

Vor allem aber mit einem Rahmengeschehen der Beerdigungsgesellschaft zum Beginn, die mit der Versteigerung des Nachlasses der Toten (und natürlich den Abend mit ihrer Aufbahrung als “gefrorene” Szenerie genauso beendet) und weiters die heraufbeschworene Familientragödie des zweiten Aktes mit den Germonts, für die sie eine quasi Familienaufstellung beisteuert.

Dazu lässt die Regisseurin im zweiten Akt zusammen mit deren Vater Giorgio Germont auch die Schwester Alfredo Germonts auftreten. Im Programmheft verschämt unter Statistinnen genannt, liefert dabei die Schauspielerin Isabella Campestrini eine ganz hervorragende mimische Darstellung dieser Figur, die zwischen Ablehnung, Hass aber auch Einsicht für die Nöte der Liebhaberin ihres Bruders schwankt und ständig im Konflikt mit den Handlungen ihres Vaters agiert. Eine köstliche Studie und dabei eine interessante Ergänzung zum gesungenen Handlungsablauf.

Die Kostüme aus den Entwürfen der Vorarlbergerin Natascha Maraval stellen einen durchaus gelungenen Designmischmasch aus der ungefähren Entstehungszeit der Verdischen Komposition dar. Genügend Originalität und für den Zuseher erwartete Abwechslung fordern hier allerdings die Authentizität. Köstlich der auffallend altmodisch geschnittene Frack des alten Germont mit dem Jägerabzeichen am Revers als Hinweis auf seine ängstliche und konservative Prägung durch seine Familie.

Ohne diese Kostüme und die auffällige und abwechslungsreiche Personen- und vor allem Chorführung stünde der Bühnenbildner Christian Andre Tabakoff mit seiner Vorliebe für Rohrstangengerüste und Dekorplatten traurig da, noch dazu scheint der nicht geschlossene hintere Bühnenabschluss akustisch nicht gerade optimal zu sein. Mit dem Blumengarten des zweiten Bildes, in welchem Alfredo einen Zeitvertreib als Blumenfreund und Liebhaber mit Freizeit gefunden hat, ist die Szenerie auf dem rechten Bühnenteil wenigstens gut bedient.

Für Violetta und Alfredo war eine stimmige Besetzung aufgeboten. Die junge, mit einem bestechend sauberen Sopran ausgestattete Moskauerin Eugenia Dushina, die bereits vor zwei Jahren hier im Stift als Nedda im Bajazzo positiv auffiel, war auch diesmal zum Publikumsliebling geworden dank ihrer empathischen Leistung und mit einer Stimme, die nie ins Schrille abgleitet. Dass sie den Spitzenton ihrer ersten Arie sparte, sollte ihre Gesamtleistung nicht schmälern. Ob sie jetzt schon in ihrer jungen Karriere glaubhaft den Aufstieg zur damals wohl höchstbezahlten Kurtisane darstellen kann, bleibe dahingestellt, mangels entsprechender Erfahrungen meinerseits.

Aus Tanay auf den Philippinen stammt ihr Bühnenliebhaber, der philippinisch-US-amerikanische Tenor Arthur Espiritu, im Vorjahr noch der Herzog im Steinbruch von St.Margarethen, war ein Alfred mit sicherer und höhenfreudiger Stimme. Hingegen hätte man sich von Günter Haumer mehr stimmliche und vor allem autoritäre Präsenz erwarten dürfen, so aber war die notwendige Wirkung in dieser eminent stücktragenden Rolle eine zu geringe.

Florina Ilie war eine sehr gute Annina, ebenso Christiane Döcker als Flora. Der bei uns aus dem Kunstsalon des Merkers bekannte Apostol Milenkov gab den erwartet guten Douphol, Alexander Grassauer als Obigny und Florian Köfler als Dottore ergänzten bestens.

Mit Christoph Campestrini hatte das sommerliche Event im Stift seinen qualitätsvollen musikalischen Betreuer auch dieses Jahr, der die Beethoven Philharmonia und den Chor Operklosterneuburg sicher durch den Abend führte, den Sängerinnen und Sängern ein aufmerksamer Begleiter darstellte, nicht zuletzt aber ein wertvolles Mitglied aus seiner Familie beisteuern durfte, auf das er stolz sein konnte.

*Zitat Programmheft Johanna Graf

Peter Skorepa 9.7.2018

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Bilder (c) Roland Ferrigato / Lukas beck