Lieber Opernfreund-Freund,
1992 hat Loriot, selbst glühender Wagner-Fan, die schon Anfang der 1980er Jahre geborene Idee verwirklicht, die komplexe Geschichte des Ring des Nibelungen auf einen Abend zu verdichten und so den Einstieg in Wagners gerade Opernanfänger eher einschüchternde Tetralogie zu erleichtern. Der Grandseigneur des feinen Humors hat dazu die Handlung in unterhaltsamen Texten zusammengefasst, die mehr als 15 Stunden Musik werden auf rund 180 Minuten zusammengekürzt. So wird ein Querschnitt durch Wagners großartige Musik konzertant präsentiert. Gestern nun hatte dieses Best of Ring in Dortmund vor ausverkauftem Haus seine umjubelte Premiere.
Dass man Götz Alsmann als Sprecher, der die Zuschauer durch den Abend führt, gewinnen konnte, ist sicherlich Zugpferd und Glücksfall zugleich. Doch anders als in der Rolle des Frosch in der Fledermaus, verfasst der Sprecher beim Ring an einem Abend die Inhaltsangaben nicht selbst, sondern trägt die von Loriot verfassten Zeilen vor. Es besteht also keine Chance, aktuelle Zeitbezüge herzustellen und durch das bloße Rezitieren des fremden Textes schafft man es naturgemäß nur bedingt, dem Abend eine wirklich eigene Note zu verleihen. Dem bekannten und beliebten Moderator und Musiker gelingt die Rolle des Conférenciers jedoch bravourös mit einer Mischung aus Nonchalance und Augenzwinkern. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob das Vorlesen eines mehr als 30 Jahren alten Textes, der schon in den frühen 90ern eher süffisant und ironiegeladen als unbedingt komisch daherkam, heutzutage nicht zu betulich, ja altbacken wirkt, um junge Menschen wirklich vom Ring des Nibelungen zu begeistern.
Alexander Becker, Regisseur und Inspizient am Theater Dortmund, hat sich in jedem Fall einen stimmungsvollen Rahmen für die konzertante Aufführungen einfallen lassen. Er platziert Götz Alsmann neben einem Mops-Kissen auf einem Loriot-Sofa, hängt ein Dutzend Kronleuchter übers Orchester und flankiert es mit 12flammigen Kandelabern, die schon Richard Wagner bei der Komposition des Ring Licht gespendet haben könnten.
Außer zur Vorstellung der Ring-Handlung und Wagners Musik wird der Ring an einem Abend auch gerne dazu genutzt, auf in den jeweiligen Häusern tatsächlich geplante Aufführungen des Ring des Nibelungen aufmerksam zu machen. Auch in Dortmund plant man im kommenden Jahr mit der Premiere der Götterdämmerung die Vollendung des Zyklus, der dann ab dem 29. Mai 2025 an zwei aufeinander folgenden Wochenenden als ebensolcher komplett aufgeführt wird. In der Besetzungsliste der Aufführungen im kommenden Frühjahr finden sich dann auch einige Namen, die nun bis Anfang Februar in den Aufführungen des Ring an einem Abend die Möglichkeit nutzen können, einen Vorgeschmack auf ihre Rolleninterpretation im Rahmen des Ring-Zyklus zu geben.
Sie, lieber Opernfreund-Freund, dürfen sich dann in jedem Fall auf einen wunderbaren Siegfried freuen. Daniel Frank zeigt im Loriot-Querschnitt, wie höhensicher und mit welcher Strahlkraft er diese Rolle präsentiert und auch als Siegmund macht er eine gute Figur. Der Alberich von Kammersänger Morgan Moody strotzt nur so vor fiesen Zwischentönen, mit denen der kalifornische Bass-Bariton seine Interpretation würzt. Aus dem Chor der Rheintöchter sticht die Woglinde von Sooyeon Lee mit feinem, fast schwebendem Sopran heraus und auch Fritz Steinbacher ist ein solider Mime. Gestern übernimmt er zudem noch den kurzen Auftritt des Loge.
Auch wenn im Frühjahr teilweise mit anderen Besetzungen gearbeitet wird, lassen die Leistungen der übrigen Sängerinnen und Sänger gestern Abend durchaus aufhorchen. Mandla Mndebele ist ein Wotan wie aus dem Bilderbuch mit fesselnder Bühnenpräsenz und voluminösem Bariton und Tanja Christine Kuhn ist eine anbetungswürde Brünnhilde mit der idealen Mischung aus Anmut und Kraft. Überraschung des Abends ist für mich der erst 32jährige Artyom Wasnetsov mit den kurzen Einblicken in die Rolle des Hagen. Seine schiere körperliche Erscheinung ist schon imposant, doch als der junge Russe anfängt zu singen und mit seinem gehaltvollen, voluminösen Bass das Theater Dortmund bis in den letzten Winkel auszufüllen, bin ich fasziniert. Irina Simmes als Wellgunde, Sieglinde und Gutrune sowie Ruth Katharina Peeck als Flosshilde und Fricka komplettieren das glänzend aufgelegte Ensemble.
Bestens aufgelegt sind auch die Musikerinnen und Musiker der Dortmunder Philharmoniker. Unter der Leitung von GMD Gabriel Feltz laufen sie gerade in den umfangreich dargebotenen Vor- und Zwischenspielen zu Höchstform auf und verzücken das Publikum. Das ist am Ende des Abends nicht mehr auf den Sitzen zu halten und applaudiert zu Recht begeistert allen Beteiligten.
Ihr
Jochen Rüth
9. Dezember 2024
Der Ring an einem Abend
Musik von Richard Wagner
Fassung und Text von Loriot
Oper Dortmund
Premiere: 8. Dezember 2024
Musikalische Leitung: Gabriel Feltz
Dortmunder Philharmoniker
weitere Vorstellungen: 21. Dezember 2024 sowie 29. Januar und 7. Februar 2025