Vorstellung am 31.5.18
Hinsichtlich des Kartenverkaufs geht man mit Verdis Meisterwerk bekanntlich auf Nummer Sicher, weshalb eine Serie von sieben Vorstellungen fast zur Gänze außer Abonnement angeboten werden konnte. Angesetzt war „Anlässlich des 95. Geburtstages von Franco Zeffirelli“ dessen Inszenierung aus 1963, die vor allem wegen der gemalten atmosphärischen Bühnenbilder und prachtvollen Kostüme von Lila De Nobili Kultstatus erreicht hat.
Neuerlich gezeigt wurde sie allerdings auch ohne mit dem Regisseur verbundenes Datum schon im Februar 2012 (s. „Merker 263/März ’12). Da die Inszenierung von Peter Stein vor allem wegen des fehlenden Balletts im Triumphakt auf keine Gegenliebe gestoßen war (s. „Merker“ 299/März ’15), war der Vorwand von Zeffirellis Festtag willkommen, um den Kassenschlager neuerlich zu zeigen. (Dabei fielen zum Glück die seinerzeitigen sechs und 2012 immer noch zwei Pferde diesmal ganz aus).
Der 86-jährige, für die Leitung der Produktion vorgesehene, Nello Santi fühlte sich nicht wohl genug für einen langen Abend, sodass nach Jahrzehnten internationaler Karriere Daniel Oren erstmals an der Scala zum Zug kam. Sein Dirigat war in jedem Moment mitreißend, wobei die einzelnen Instrumentalgruppen des Orchesters des Hauses bei allem Schwung jederzeit durchhörbar blieben und mit geradezu philharmonischem Glanz auftrumpften. Der Chor unter Bruno Casoni sang ausgezeichnet wie immer, diesmal besonders beeindruckend an den leisen Stellen in der Tempelszene. Dass er – ebenso wie die reiche Komparserie – mehr latschte, als schritt, habe ich schon bei der seinerzeitigen Wiederaufnahme durch Marco Gandini bemängelt (dazu gesellte sich ein Manko an Schminke, sodass nur gelangweilte Großstadtgesichter zu sehen waren).
Die Titelrolle wurde von Krassimira Stoyanova mit makelloser Linie wunderbar gesungen. Die stereotype Gestik ist ihr in diesem Rahmen nicht vorzuwerfen und der Hinweis, dass ihr für manche Verdirollen das letzte Quäntchen Temperament fehlt, ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Dieses Temperament zeigte Violeta Urmana in ihrer Darstellung einer vor Verliebtheit fast rasenden Amneris. Ihre Rückkehr ins Mezzofach fiel an diesem Abend allerdings nicht allzu glücklich aus, denn die Mittellage klang ein wenig leer, die Tiefen waren erkämpft. Die Höhen (vor allem in der Gerichtsszene) waren allerdings eine reine Freude. Fabio Sartori schien nicht seinen besten Abend zu haben, denn „Celeste Aida“ klang mühsam und wurde statt eines (zugegebenermaßen besonders schwierigen) morendo nicht einmal mit einem diminuendo, sondern mit einem trompetenartigen Ton abgeschlossen. Im Übrigen war es ein Radamès, wie wir ihn von diesem Sänger kennen: Sicher gesungen, unbeholfen dargestellt. George Gagnidze war ein rustikal klingender Amonasro, was sein „Dei Faraoni tu sei la figlia“ überzeugender ausfallen ließ als „Pensa che un popolo“. Vitalij Kowaljow hat nicht die Bassesschwärze für den Ramphis, aber ausreichend Autorität in Phrasierung und Auftreten. Als König ergänzte überzeugend Carlo Colombara, und Priesterin und Bote kamen aus der Accademia della Scala: Enkeleda Kamani sang mit reiner Stimme die klerikale Botschaft, während Riccardo della Sciucca mit angenehm timbriertem, durchschlagskräftigem Tenor auffiel.
Das fast durchwegs aus Touristen bestehende Publikum hob sich seine (trotz einer Dauer von 20 bis 23.45 Uhr, bewirkt von „nur“ zwei langen Pausen im Gegensatz zum letzten Mal, wo wegen drei „intervalli“ gar schon um 19.30 Uhr begonnen werden musste) überaus herzlichen Beifallskundgebungen für den Schluss auf.
Eva Pleus 4.6.18
Bilder: Brescia & Amisano / Teatro alla Scala