Aufführung am 8.10.17 (Premiere am 28.9.)
Italienische Oper, französisch abgewandelt
Als sich Giuseppe Verdi aufmachte, um 1847 Paris, das damalige Zentrum der Opernwelt, auf den Spuren Rossinis und Donizettis zu erobern, war er im selben Jahr in London für die „Masnadieri“ verpflichtet. Eine französische Umarbeitung von „Attila“ kam aus verschiedenen Gründen nicht in Frage, sodass sich dafür nur sein viertes Werk, „I lombardi alla prima crociata“ aus 1843, anbot. Es war erfolgreich an der Mailänder Scala uraufgeführt worden und hatte in wenigen Jahren Aufführungen in Barcelona, Petersburg, Berlin, Wien und New York (als erste Verdi-Oper in den USA) erlebt.
Nun war es an den Librettisten Alphonse Royer und Gustave Vaez, in ziemlicher Eile einen neuen Text auf die vorhandene Musik zu schreiben. Sie zimmerten ein Textbuch, das sich zwar in der Handlung von den „Lombardi“ unterschied, aber dramaturgisch auch nicht viel glücklicher war, denn die Szenen reihen sich ohne wirklichen roten Faden aneinander. Verdi verwendete relativ viel des ursprünglichen musikalischen Materials (das mehrfach an ganz anderer Stelle zum Tragen kam), schrieb aber auch neue Musik, von der vor allem die große Szene der Degradierung von Gaston besonders beeindruckend gelungen ist. Im Gegensatz zu den „Lombardi“ gibt es das Liebespaar Gaston-Hélène von Anfang an (in dem früheren Werk konnten Oronte und Giselda wegen ihrer christlichen bzw. muslimischen Religionszugehörigkeit nicht zusammen kommen).
Roger, ursprünglich Vatermörder, hier Mörder des Bruders (der aber im 3. Akt wieder auftaucht), erfuhr musikalisch ziemliche Änderung, denn aus dem Bassbariton Pagano wurde in dieser Fassung ein veritabler Bass. Dass sie Akzentuierung der Noten oft im Gegensatz zum französischen Sprachduktus steht, ist wiederholt zu merken, aber als Ganzes betrachtet, kann von einem eigenständigen, interessanten Werk gesprochen werden.
Für die im Rahmen des Verdifestivals stattfindende Produktion hatte man Hugo De Ana als Regisseur und Ausstatter verpflichtet, dessen Arbeit perfekt zur großen Oper passt. So waren neben historisch inspirierten Kostümen vor allem auch prachtvolle Bühnenbilder zu sehen, die die Stimmung des frühen Mittelalters ebenso wiederzugeben vermochten, wie die einer sonnverbrannten Wüste. Dazu kamen die passende Beleuchtung durch Valerio Alfieri und sparsame, aber eindrucksvolle Projektionen (etwa eines mittelalterlichen Kirchenfensters) von Ideogamma-Sergio Metalli. Einzig die Choreographie des – für Pariser Produktionen damals unerlässlichen – Balletts durch Leda Lojodice fiel ideenarm aus, aber an die Dame muss man sich in De Anas Fahrwasser halt gewöhnen.
Mehr als das solide, aber nicht weiter mitreißende Dirigat von Daniele Callegari ist die Leistung des Chors des Hauses in der Einstudierung von Martino Faggiani zu erwähnen, der wieder einmal zeigte, dass es wahrlich nicht an diesen Sängern liegt, wenn Italiens Opernhäuser in der Krise sind. Ist Michele Pertusis Bassbariton eine Spur zu leichtgewichtig für den Roger, so glich das der Sänger durch eine wunderbare vokale Linie und eine reiche Ausdruckspalette aus. Ramón Vargas schenkte sich das hier (im Gegensatz zum „Trovatore“) tatsächlich geschriebene hohe C und war ansonsten sehr auf Attacke bedacht, was seinem schönen lyrischen Material nicht immer gut tat. Auch dem Sopran von Annick Massis fehlte für die dramatischen Stellen etwas an Substanz, aber sie führte vor, wie Koloraturtechnik in einer französisch gedachten Oper zu funktionieren hat.
Die weiteren männlichen Rollen wurden von dem spanischen Bariton Pablo Gálvez (Graf von Toulouse), dem bulgarischen Bass Deyan Vatchkov (Monteil, päpstlicher Gesandter), einem weiteren Bass, dem Italiener Massimiliano Catellani (Emir von Ramla) verlässlich gesungen, während der schöne Tenor des Italieners Paolo Antognetti (Raymond, Knappe) aufhorchen ließ. Die Mezzosopranistin Valentina Boi gab zuverlässig Isaure, die Vertraute Hèlénes.
Eine erfreuliche, vielbeklatschte Produktion, die in Kooperation mit der Opéra de Monte-Carlo entstanden ist.
Eva Pleus 26.10.17
Bilder: Roberto Ricci