Vorstellung am 21.5.2019
Es war einer dieser Abende, an denen man wahrscheinlich noch in Jahren ins Schwärmen gerät wenn man daran zurückdenkt – und das ist vor allem Juan Diego Flórez zu verdanken. Seit 1966 haben die bedeutendsten Tenöre in der „unverzichtbaren“ Inszenierung von Günther Rennert (jetzt nur noch „Nach einer Regie von“) die Rolle des Conte d’Almaviva gesungen, begonnen mit dem unvergesslichen Fritz Wunderlich, aber ist kaum vorstellbar, dass diese Rolle derartig perfekt interpretiert wurde wie an diesem Abend – sowohl vom Schauspielerischen als auch vom Gesanglichen her.
Flórez war an diesem Abend in Hochform und zeigte, dass er in all den Jahren, in dem er der ungekrönte König des Belcanto ist, nichts von der Flexibilität seiner Stimmer verloren hat. Im Vergleich zu früher ist seine Stimme zusätzlich noch voller geworden. Bombensichere Höhen, eine außergewöhnliche Musikalität, sein nach wie vor jugendliches Aussehen machten ihn – wieder einmal – zum umjubelten Star des Abends. Er hat sich in den letzten 15 Jahren auch schauspielerisch sehr entwickelt und genoss es sichtlich auf der Bühne herumblödeln zu können. Wie schon die Rezensenten der letzten Vorstellung schrieben sang er auch diesmal die normalerweise gestrichene Arie im 2.Akt und erntete dabei langanhaltende Begeisterungsstürme, sodass man schon hoffte, dass er vielleicht die Arie wiederholt. Meinem Gefühl nach dauerte dieser Applaus sogar länger als der am Ende der Vorstellung.
Der zweite „Star“ der Vorstellung war Evelino Pidó am Dirigentenpult, der interessanterweise die Oper etwas langsamer gestaltete als was man normalerweise gewohnt war – auf der anderen Seite ging er auf die Sänger perfekt ein und besonders bei der Ouvertüre hörte ich Einzelheiten der Partitur, die mir bis dato nicht so bewusst wurden. Pidó hat seinen Ruf als Spezialist für dieses Fach mehr als gerechtfertigt. Das Staatsopernorchester folgte ihm willig, ein Sonderlob geht auch an Luisella Germano am Hammerklavier.
Margarita Gritskova hat sich seit ihrem Hausdebüt 2012 stimmlich sehr weiterentwickelt und war eine Rosina, der man die „Vipera“ unumschränkt abnehmen konnte. Sie hat sehr gute Tiefen, die Koloraturen waren auch in Ordnung. Ihre schauspielerische Leistung stand der von Flórez um nichts nach.
Als Alfio total fehlbesetzt beweist Paolo Rumetz in seinem angestammten Fach immer wieder, was für ein Gewinn er für das Ensemble ist. Dass ich als Bartolo im Geiste noch immer „unseren“ Alfred Sramek vor mir sehe – dafür kann er nichts… Sorin Coliban war ein stimmgewaltiger Basilio, der seine Arie (mit einem kleinen Ausrutscher) überzeugend sang und auch schauspielerisch zum Erfolg des Abends beitrug.
Rafael Fingerlos, das junge Ensemblemitglied aus Salzburg, muss erst in die Rolle reinwachsen. Ich rechne ihm aber hoch an, dass er nach seiner eher verunglückten Auftrittsarie (zuerst lagen er und Orchester im Tempo auseinander, dann passierten ihm in der Höhe ein gröberes und ein kleineres Hoppala) die Nerven besaß, den Rest der Partie problemlos zu Ende zu bringen. Natürlich kann man ihm nicht mit etwa einem Leo Nucci oder Adrian Eröd vergleichen, die viel mehr Persönlichkeit auf die Bühne mitbrachten – doch an diesem Abend neben Flórez zu bestehen, das wäre wahrscheinlich zu viel verlangt. Ich bin aber überzeugt, dass er in der Zukunft – sollte man ihm die Chance dazu geben – die Rolle auszufüllen vermag.
Als Marzellina erbrachte Lydia Rathkolb eine gute, als Fiorello Igor Onishchenko eine leider sehr durchwachsene Leistung. Dominik Rieger (Ambrogio) und Alejandro Pizarro-Enriquez als Offizier ergänzten die Besetzung.
Die 430. Aufführung des Wiener Barbieres konnte die hoch gesteckten Erwartungen erfüllen – ich kann nur hoffen, Juan Diego Flórez noch einmal in dieser Produktion zu sehen und zu hören. Es wäre mir eine Ehre…
Kurt Vlach 22.5.2019
Bilder (c) StOp