Konzert am 24. August 2019
So schön war’s noch nie!
Das war der Ausruf der Salzburger Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler nach „Tutto nel mondo è burla“ aus dem „Falstaff“ von Giuseppe Verdi, von den 13 Teilnehmern des YSP im restlos ausverkauften Großen Saal der Stiftung Mozarteum zum Abschluss eines wirklich begeisternden Gesangskonzerts mit dem Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung vom Adrian Kelly. Und sie hatte Recht damit. So gut habe auch ich diese talentierten und offenbar für die Lust am Singen und Darstellen nur so brennenden (und das ist nach Krassimira Stoyanova eine Bedingung für Erfolg im Sängerberuf) jungen Sängerinnen und Sänger aus diesmal 11 Ländern bisher beim Salzburger YSP nicht gehört. Die weltweiten castings waren offenbar äußerst erfolgreich. Man merkte allen an, dass diese Wochen in Salzburg für sie etwas ganz Großes waren, für manche ja auch mit einer Beteiligung in kleinen Rollen bei den Festspielen verbunden.
Alljährlich findet im Rahmen der Salzburger Festspiele das sog. Young Singers Project (YSP) statt. Sein Ziel ist es, jungen Talenten neben einer musikalischen sowie repertoiremäßigen Weiterbildung und szenischem Unterricht auch die Möglichkeit zu geben, Proben zu besuchen und mit den Künstlern der Salzburger Festspiele zu arbeiten, auch in Opernproduktionen in Nebenrollen. Zudem konnten sie an Meisterklassen von KS Christa Ludwig, Anne Sofie von Otter und Helmut Deutsch teilnehmen, sowie technisch, körperlich und darstellungsbildend mit Michelle Wegwart, Catharina Lühr und Martina Gredler arbeiten. Darüber hinaus besuchten sie zahlreiche Proben, begegneten renommierten Festspielkünstlern und sammelten somit viele wertvolle Erfahrungen. Eine besondere Stimme, Bühneninstinkt, solide technische Kenntnisse und Leidenschaft sind für die Teilnahme am YSP Voraussetzung. Auch 2019 gab es wieder eine Eigenproduktion, und zwar zum ersten Mal in der Geschichte des YSP eine Uraufführung: „Der Gesang der Zauberinsel oder: wie der rasende Roland wieder zu Verstand kam“. Libretto und Musik stammen von Marius Felix Lange, Dirigent war Ben Glassberg, und für Regie und Ausstattung waren Andreas Weirich und Katja Rotrekl verantwortlich. Lange hatte die Partien in Kenntnis der Stimmen der sieben mitwirkenden Sänger des YSP genau auf sie abgestellt…
Dieses Jahr wie schon zuvor hatte der britische Dirigent Adrian Kelly die musikalische Leitung des YSP inne. In der Saison 2019/20 kehrt er als erster ständiger Gastdirigent zum Salzburger Landestheater zurück, wo er von 2010 bis 2017 schon Erster Kapellmeister war. Ferner ist Kelly eng mit dem Buxton Festival verbunden.
Das Abschlusskonzert beginnt mit einer beschwingt vorgetragenen Ouvertüre aus „La Cenerentola“ von G. Rossini. Sodann singt die polnische Sopranistin Joanna Kedzior die Arie der Ewa aus „Hrabina“ (Die Gräfin) von St. Moniuszko, „Per que´ belli labbri“. Kedzior verfügt über einen hell timbrierten, leuchtenden Koloratursopran mit gutem Tiefenregister und liefert einen einnehmenden emotionalen Vortrag. Die spanische Mezzosopranistin Carmen Artaza singt danach gemeinsam mit dem kanadischen Tenor Josh Lowell Szene und Duett der Angelina (Cenerentola) und des Don Ramiro aus „La Cenerentola“, „Tutto è deserto – Un soave non so che“ und besticht mit einem auf lyrischer Basis auch zu gewisser Dramatik fähigen Sopran und guter Farbgebung. Lowell lässt einen lyrischen Tenor hören, bestens geeignet für das italienische und französische Fach. Sodann singt der britische Bass Thomas Bennett die Arie des Osmin aus „Die Entführung aus dem Serail“ von W.A. Mozart, „Oh, wie will ich triumphieren“ mit einem eher hellen Timbre bei relativ wenig Volumen in der Tiefe. Die Stimme hat m.E. auch keine allzu große Resonanz.
Ein Terzett schließt sich an, mit Joanna Kedzior als Alcina, dem russischen Countertenor Iurii Iushkevich als Ruggiero und der ukrainischen Mezzosopranistin Valentina Pluzhnikova als Bradamante mit „Non è amor, ne gelosia“ aus „Alcina“ von G. F. Händel. Der noch sehr junge Iushkevich lässt einen klangvollen und geschmeidigen Countertenor hören. Pluzhnikova beeindruckt mit einem leicht abgedunkelten farbigen Mezzo bei sehr guter Tiefe und Kedzior – wie schon gesagt bei ihrem Solo – mit ihrem leuchtenden hellen Sopran. Der neuseeländische Bariton Benson Wilson singt sodann die Kavatine des Belcore „Come Paride vezzoso“ aus „L’elisir d’amore“ von G. Donizetti. Bei einem schönen Timbre und kraftvollem Gesang wirkt die Stimme jedoch etwas verschlossen und einfarbig.
Der kanadische Bassbariton Joel Allison intoniert sodann Rezitativ und Arie des Figaro, „Tutto è disposto – Aprite un po´quegli occhi“ aus „Le nozze di Figaro“ von W. A. Mozart. Er präsentiert einen variationsreichen Bassbariton mit sowohl guter Tiefe als auch Höhe. Hinzukommen eine nahezu perfekte Diktion und Phasierung. Exzellent! Die irische Sopranistin Sarah Shine folgt mit „Se i padre perdei“, Arie der Ilia aus „Idomeneo“ von W. A. Mozart. Sie hat eine sehr lyrische und flexible Stimme mit guter Höhe und für die lyrischen Qualitäten auch eine gutes Volumen. Allerdings stellt diese Arie keine allzu großen Herausforderungen. Nun kommt die Mezzosopranistin Valentina Pluzhnikova mit ihrem Soloauftritt und singt „Ah scotasti! – Smanie implacabili“, Rezitativ und Arie der Dorabella aus „Così fan tutte“ von W. A. Mozart. Zwar ist ihr Mezzo klangvoll und hat auch starken Aplomb, aber es fehlt etwas an Technik in der Stimmführung.
Vor der Pause kommt gibt es noch ein starkes, gut artikuliertes Sextett, und zwar von Donna Anna, Donna Elvira, Zerlina, Don Ottavio, Leporello und Masetto aus „Don Giovanni“ von W. A. Mozart. Mit Tamara Bounazou (Donna Anna), Marie-Andrée Bouchard-Lesieur (Donna Elvira), Sarah Shine (Zerlina), James Ley (Don Ottavio), Ricardo Bojórquez (Leporello) und Thomas Bennett (Masetto) mit „Sola, sola in buio loco“. Das wurde der erste große Höhepunkt des Abschlusskonzerts!
Nach der Pause geht es mit Josh Lowell weiter, der Rezitativ und Arie des Ernesto „Povero Ernesto – Cercherò lontana terra“ aus „Don Pasquale“ von G. Donizetti singt. Lowell hat sehr gute lyrische Höhen, fast vibratofrei, und auch eine gute Attacke. Ein exzellenter Vortrag! Man denkt an Juan Diego Flores… Es folgt die französische Mezzosopranistin Marie-Andrée Bouchard-Lesieur mit „Me voilà seule, enfin – Plus grand, dans son obscurité“, Rezitativ und Kavatine der Balkis aus „La Reine de Saba“ von Ch. Gounod. (Das hatte ich noch nie gehört, für mich gab es die nur von Goldmark…!). Satte Tongebung ausdrucksvoller Gesang und viel Farbe stellt sie unter Beweis, zu denen auch noch eine sehr gute Höhe und Attacke kommen. Ebenfalls vom Feinsten!
Der Mexikaner Ricardo Bojórquez singt sodann die Arie des Rodolfo aus „La Sonambula“ von V. Bellini, „Vi ravviso – o luoghi ameni“. Er begeistert mit einem satten und sehr kantablen Bass mit viel Ausdruck bei hoher Musikalität. Sein Vortrag hat auch viel Charakter. Ebenfalls einer der besten an diesem Abend! Die Französin Tamara Bounazou singt nun den schon recht anspruchsvollen Valse-ariette der Juliette aus „Roméo et Juliette“ von Ch. Gounod, „Je veux vivre“. Sie verfügt über einen sehr farbigen Mezzo mit glanzvollen Höhen und sehr viel Ausdruck. Bei großer Emotionalität sind auch ihre Koloraturen gut, und sie schließt mit einer tollen Höhe ab. Brava! Iurii Iushkevich kommt sodann mit dem Lied des Lehl aus „Snegurocka“ (Schneeflöckchen) von N. Rimski-Korsakow, „Zu dem Donner eine Wolke sprach“. Mit einem hell-timbrierten Countertenor und einem sympathischen Vortrag bei viel Ausdruck und großer vokaler Flexibilität gewinnt er zu Recht umgehend die Herzen des Publikums. Super!
Carmen Artaza singt daraufhin das Chanson des Stéphano aus „Roméo et Juliette“ von Ch. Gounod, „Depuis hier je cheche en vain mon maitre – Que fais-tu, blanche tourterelle”. Auch sie kann mit einem vollen und ausdrucksstarken Mezzo glänzen, zeigt unglaublich viel Charakter im Vortrag bei entsprechender Mimik. Auf jedem Ton ist voller Klang mit guter Resonanz zu hören. Das wird wohl ein Bühnentier… Dann kommen Benson Wilson und Joel Allison mit dem Duett des Sir Giorgio Valton und Sir Riccardo Forth aus „I puritani“ von V. Bellini. Allison ist wieder ausgezeichnet, Wilson etwas einfarbig, aber sehr energisch im Vortrag bei guter Resonanz und Höhe. Allison erscheint mir als blendender Bassbariton für das italienische und französische Fach. Ein Höhepunkt! Als letzter Solist tritt James Ley an mit der Arie des Lyonel aus „Martha“ von F. von Flotow. Er geht das Stück allzu zu vorsichtig an, fast depressiv, bei einer schönen lyrischen Mittellage. Dass die Höhe nicht gelingt, mag auch an einer gewissen Nervosität gelegen haben.
Zum Abschluss gab es dann eben die Fuga finale aus „Falstaff“, das berühmte und wohl immer wieder stimmende „Tutto nel mondo è burla“ von G. Verdi. Natürlich waren hier alle 13 Sänger beteiligt. Riesenapplaus, ja stehende Ovationen für alle Beteiligten!
Man kann der Festspielpräsidentin in diesem Falle nur zustimmen, wenn sie ausrief „So schön war’s noch nie!“ Das sind ganz ausgezeichnete junge Sänger mit wohl großen Karrierechancen, wenn sie alles richtig machen. Zum Schluss stellte man auch noch das Ehepaar Kühne vor, dessen Kühne-Stiftung das YSP seit Jahren signifikant fördert. Festspielintendant Markus Hinterhäuser und einige Agenten, für die sich der Weg gelohnt haben könnte, waren auch im Publikum.
Klaus Billand, 2.9.2019
Bilder (c) Marco Borrelli