Aufführung im Theater der Stadt Schweinfurt 21.10.2019 / Tourneepremiere
Operettenbühne Wien unter Heinz Hellberg lässt in Schweinfurt alle Alltagssorgen verblassen
Heinz Hellberg mit seiner Operettenbühne Wien ist seit nunmehr 23 Jahren ein immer wieder gern gesehener Gast in Schweinfurt und auch diesmal zeugt ein ausverkauftes Haus von der Liebe seines Publikums zur Operettenbühne. Wenn am Anfang der Vorstellung der Theaterleiter des Theaters Schweinfurt, Christian Kreppel auf die Bühne kommt, ahnt man Schlimmes, denn meist sind es Absagen, Umbesetzungen und ähnliches. Heute kommt er jedoch um dem aus gesundheitlichen Gründen abwesenden Prinzipal Heinz Hellberg zu seinem am Premiertag stattfindenden 75. Geburtstag ganz herzlich zu gratulieren und das Publikum zeigt mit tosendem Applaus, welchen Stellenwert die Bühne hier einnimmt und Frau Susanne Hellberg nimmt die Glückwünsche gerührt mit auf die heute beginnende Tournee und der Opernfreund schließt sich den Glückwünschen natürlich an.
Und auch an diesem Nachmittag zeigt Heinz Hellberg als Regisseur erneut, wie man Operette, oder sagen wir heute lieber Singspiel, inszeniert, authentisch, schnörkellos, der Musik und dem Werk in tiefer Leidenschaft und Liebe zugetan. Keine Pseudoregiearbeit, bei welcher sich der Regisseur nur selbst beweihräuchert, sein Ego in den Vordergrund drängt und die Musik am Rande versickern lässt. Nein, hier und heute wird die Operette so dargeboten, wie sie es verdient und wofür man sie zu Recht nach wie vor liebt. Heinz Hellberg und seiner Frau Susanne und dem gesamten Team der Operettenbühne Wien ist es ganz stark mit zu verdanken, dass diese Form der Musik wieder eine kleine Renaissance zu bekommen scheint – und sie hat es sich wahrlich mit Fug und Recht verdient. Operette singen und spielen, dass sie beim Publikum und in den Herzen des Publikums ankommt, ist eines der schwersten Aufgaben, die es im musikalischen Bereich gibt. Operettensänger sollen nicht nur ganz toll singen, sie sollen auch ganz toll aussehen, ganz toll spielen können, ganz toll tanzen können und noch vieles mehr. Diese oft als „kleine Schwester“ der Oper bezeichnete Musikgattung ist in den letzten Jahren sträflich unterschätzt, vernachlässigt und auch durch das Musical etwas in den Hintergrund gedrängt worden. Wenn man die musikalischen Qualitäten einer guten Operette mit einem aktuellen Musical vergleicht, merkt jeder Musikkenner, dass die Operette eindeutig triumphiert. Dann jedenfalls, wenn sie so dargeboten wird, in einer Qualität, wie dies die Wiener Operettenbühne Heinz Hellberg seit vielen Jahren immer wieder tut.
Und diesmal steht eine ganz besondere Operette auf dem Spielplan, eine Operette, ja ein Singspiel mit klassischen Schubert-Liedern, die Heinrich Berté in die Handlung eingewoben hat und dadurch ist „Das Dreimäderlhaus“ auch etwas ganz Besonderes.
Stefan Reichmann – Verena te Best
Die Geschichte spielt in Wien, man schreibt das Jahr 1826. Franz Schubert ist mit seinen Freunden beieinander, zu denen Franz Schober, der Dichter zählt. Der Hofglasermeister Tschöll hat drei Töchter und Franz Schubert hat sich unsterblich in eine davon, das Hannerl verguckt. Auch er scheint ihr recht symphytisch zu sein und alles könnte zu einem guten Ende kommen, wenn Franz nicht so fürchterlich schüchtern wäre. Er schafft es nicht „seinem“ Hannerl seine Liebe zu gestehen, sondern sein Freund Schober, der ein Gspusi mit der Hofopernsängerin Grisi hat, muss ihr für ihn sein Liebeslied an sie „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein“ vortragen. Es kommt wie es kommen muss, Hannerl verliebt sich in Schober und Franz Schubert bleibt allein mit seiner größten Liebe, der Musik zurück. Wunderschöne Melodien umrahmen diese zu Herzen gehende Geschichte und diese braucht auch die entsprechenden Sänger und ein ebenso gut aufgelegtes Orchester.
Das Orchester der Operettenbühne Wien wird von einem wahren Könner der Materie, dem in Miskolc in Ungarn geborenen László Gyükér, geleitet. Er hat die Musik mit der Muttermilch aufgesogen, ist Dirigent der Volksoper Wien, hat im kleinen Finger mehr Musikalität, als andere im ganzen Arm, ihm liegt die Musik im Blut und man merkt bei ihm etwas ganz genau, die Leidenschaft, mit welcher er die Musik betreibt und die Liebe zu eben dieser Musik. In jeder Sekunde hat er sein Orchester im Griff, lässt es jauchzen, jubilieren, sich emporschwingen und sich wieder zurückziehen, wenn es die Rücksichtnahme auf die Sänger erfordert. Mit welcher Leidenschaft er dabei ist, kann man zu jeder Sekunde fühlen und spüren. Viel Applaus für den Meister des Taktstockes und seine Orchestermitglieder, die wie ihr Chef mit der Musik leben und atmen. Mit dieser Leidenschaft wünsche ich mir mehr Dirigenten, denn damit verhelfen sie der Operette zu ihrem Platz in der Musikwelt, die sie verdient. Eine ganz ausgezeichnete Leistung von Orchester und Dirigent.
Die Kostüme, wunderschön im Biedermeier angesiedelt, sind von Lucya Kerschbaumer gestaltet und versetzten das Publikum in die damalige Zeit, ebenso wie das mit einfachen Mitteln, aber äußerst gekonnt gezauberte Bühnenbild. Auch der Chor der Operettenbühne kann in jeder Sekunde überzeugen.
Tauber-Beck-te Best-Reichmann-Helmer-2 Statisten-Reimitz
Die Gesangspartien sind sehr gut besetzt, es gibt praktisch keinen Ausfall, auch die kleinen Nebenrollen haben exzellente Darsteller und alle können das begeistert mitgehende Publikum in allen Bereichen auf ihre Seite ziehen.
Bei den Gesangssolisten kann das Hannerl den meisten Applaus verbuchen. Die bezaubernde, in Wels in Oberösterreich geborene und in Pasching bei Linz aufgewachsene Verena te Best holt aus ihrer nicht so gewaltigen Rolle alles heraus was möglich ist (ich freue mich heute schon auf den Januar wo sie das Bärbele im „Schwarzwaldmädel“ verkörpern wird). Sie kann mit ihrem leicht ansprechenden silbrigen, leuchtenden und warmen Sopran restlos überzeugen und verdreht nicht nur dem Franz Schubert und dem Baron Schober den Kopf, sondern auch einer ganzen Reihe von Herren im Publikum. Dass sie dabei auch einen ganz natürlichen und ungekünstelten Charme auf die Bühne bringt und darüber hinaus auch noch ganz bezaubernd aussieht, ist noch das I-Tüpferl ihrer Rollengestaltung. Auch von ihrem Spiel her natürlich und ungekünstelt, es macht einfach nur Spaß ihr zuzusehen und -zu hören. Gerne würde man hier mit dem Baron Schober tauschen, der von dem jungen feschen und blondgelockten österreichischen Tenor Stefan Reichmann mit zurückhaltendem gefälligem, geschmeidigem und wohlklingendem Timbre verkörpert wird. Er hat sich in den letzten Jahren immer freier gespielt und das wirkt sich auch sehr stark auf die Stimmgebung aus, ein angenehmer für sich einnehmender Tenor, der auch in den gemeinsamen Duetten punkten kann. Der charmante aus Wien stammende Kavaliersbariton Alexander M. Helmer verkörpert den scheuen schüchternen und zurückhaltenden Schubert. Und hier habe ich ein kleines Problem. Ich schätze Alexander M. Helmer seit vielen Jahren, da er neben einer großen Portion Charme und einer gut geführten Stimme auch eine ausgesprochene Spielfreude, fast könnte man sagen Spielleidenschaft mitbringt, die sich auch auf seine Mitstreiter überträgt und die schon viele Aufführungen positiv geprägt hat. Leider ist er für mich einfach stimmlich kein idealer Schubert. Hier habe ich einen strahlenden schmetternden Tenor im Ohr, der seine Leidenschaften und auch seinen Schmerz heraussingt. Helmer ist ein äußerst guter Schubert, darstellerisch ausgezeichnet, genau den Typus verkörpernd, aber mir persönlich stimmlich einfach zu leichtgewichtig. Das Publikum sieht das ganz anders und feiert ihn mit Ovationen. Ich jedoch freue mich schon auf seinen Richard im „Schwarzwaldmädel“, eine Rolle, die ihm aus meiner Sicht, vor allem stimmlich sicherlich wesentlich besser liegen dürfte.
Der aus Wien stammende Prachtbariton Viktor Schilowsky mit beeindruckendem noblem, wohlklingendem und raumfüllendem Bariton weiß als Hofglasermeister Tschöll zu überzeugen und zu gefallen. Seine kräftige, warme und einschmeichelnde Stimme weiß immer wieder zu beeindrucken. Ganz besonders freue ich mich auf den Januar, wenn er als Domkapellmeister Blasius Römer im „Schwarzwaldmädel“ endlich wieder einmal in einer großen Rolle zu sehen und vor allem zu hören sein wird. Die gebürtige Wienerin Sylvia Denk als seine Frau Marie überzeugt im gemeinsamen Duett und ist vor allem auch darstellerisch „eine Bank" und ihre beiden Töchter Maria Beck als Hederl und Anita Tauber als Haiderl setzen sich in ihren kleinen Partien gut in Szene, ebenso wie Jan Reimitz als Hofopernsänger Johann Michael Vogel, der vor allem auch sein komödiantisches Talent voll ausspielen kann. Als Guiditta Grisi, Hofopernsänger und Gspusi von Baron Schober, die aber gerne auch ein Auge auf den Hofglasermeister wirft, kann die Wienerin Ella Tyran voll überzeugen. Mit ihrem klaren, höhensicheren und durchschlagskräftigen Sopran bezaubert sie nicht nur die beiden Herren auf der Bühne, sondern auch eine ganze Reihe männliche Theaterbesucher. Als Polizeispitzel Nowotny, macht der in Kärnten/Österreich geborene und in Salzburg aufgewachsene Gerhard Karzel aus der kleinen Rolle „passens auf, passens auf“ ein wahres Kabinettstückerl und lockt viele Lacher aus dem Publikum hervor. Ein beeindruckender Auftritt der überzeugt.
Schlussapplaus mit Dirigent Laszlo Gyüker
Mit dieser wunderschönen Operette, oder sagen wir lieber dem Schubertschen Singspiel hat der Intendant wieder ein Stück nach Schweinfurt geholt, welches voll überzeugt hat. Im neuen Jahr geht es mit der „Fledermaus“ und dem „Schwarzwaldmädel“ der Operettenbühne Wien weiter und ich freue mich schon sehr darauf. Schweinfurt hat sich selbst und dem begeistert mitgehenden Publikum einen großen Gefallen getan. Langandauernder herzlicher Beifall des bis auf den letzten Platz ausverkauften Hauses.
Manfred Drescher, 25.10.2019
Fotos Eigenaufnahmen