Aufführung im Kongresshaus Rosengarten Coburg 06.01.2019
„Johann Strauss in London“ kommt wieder in die Spur zurück
Zum 32ten Mal findet nun in Coburg das Neujahrskonzert statt, es ist nun mein 24. Konzert in Folge und im letzten Jahr hatte ich mir ernsthaft überlegt, nicht mehr hinzufahren. Zu sehr entfernte man sich aus meiner Sicht mit der „Neufassung“ der Konzertreihe von Strauss und seinen Zeitgenossen, zu ungenau arbeitete man (es wurden nicht einmal im Programmheft die Namen der jeweiligen Sträusse angegeben, jeder konnte raten, ob es der Vater, der Sohn oder Eduard gewesen war), die Moderation war zu ausschweifend und ging auf viele Nebensächlichkeiten, die mit der Musik nicht viel zu tun hatten ein – für mich ein Grund eine liebgewonnene Gewohnheit aufzugeben. Nun, ich habe mich dann doch nochmal durchgerungen, ein letztes Mal zu „meinem“ Neujahrskonzert zu fahren. Und siehe da, es nahm mich wieder gefangen. Zwar konnte man immer noch nicht so ganz den Bezug auf London nachvollziehen, aber man spielte wieder mehr Strauss, man musizierte leidenschaftlich, die Moderation des neuen Intendanten des Coburger Landestheaters war wohltuend zurückhaltend, nicht zu lange, sehr auf die Musik bezogen, meine die letzten Jahre immer wieder geforderte verstärkte Einsatzmöglichkeit der Solisten wurde in diesem Jahr richtig und entsprechend ausgeweitet, die Sopranistin hatte nicht nur einen sondern drei Auftritte und alles in allem war es eine runde Sache. In diesem Stil sollte es weitergehen, dann kommen solche Gedanken, nach so vielen Jahren nicht mehr hinzufahren, gar nicht erst auf. Wenn man dann als deutsche Johann Strauss Stadt unseren Schani und seine Verwandtschaft in Zukunft im Programmheft richtigerweise und von seinen Nachfahren mit Vehemenz gefordert, mit Doppel s- schreibt, gibt es kaum noch Ansätze von größerer Kritik. Doch nun zum eigentlichen Neujahrskonzert.
Oberbürgermeister Norbert Tessmer, begrüßt zum 17ten Mal die Besucher des 32ten Konzerts und wie in jedem Jahr macht er dies launig, erfrischend kurz, überbringt die Neujahrsgrüße der Stadt und erläutert, und das kann man nicht oft genug tun, die Ausnahmesituation, die Johann Strauss in Coburg genießt und geht dabei auch kurz auf die Gründe ein, warum man Coburg mit Fug und Recht als „die“ deutsche Johann Strauss Stadt bezeichnen kann, nein muss.
Roland Kluttig
Der seit der letzten Spielzeit neue Intendant des Landestheaters Coburg, Dr. Bernhard F. Loges, übernimmt erstmalig die Moderation des Neujahrskonzertes. Er, der in Aachen geboren wurde und die letzten Jahre am Rhein tätig war, hat sich schon relativ gut an die fränkischen Gepflogenheiten gewöhnt und man merkt ihm an, dass es ihm Spaß macht, durch eine so traditionsreiche Veranstaltung zu führen. Und er macht seine Sache sehr gut, kurz knapp, nicht zu ausschweifend, aber immer verständlich ist seine Moderation, zeugt von großem Fachwissen, er ist auch immer für eine gute Anekdote gut und für ein Bonmot, eine humorvolle Eingabe zu haben. Ein überaus gelungener Einstand, der Spaß macht und der einen auf das nächste Jahr gespannt macht.
Das erstklassige Philharmonischen Orchester des Landestheaters steht erneut unter der Leitung von Roland Kluttig, dem Generalmusikdirektor des Landestheaters Coburg. Nur noch ein weiteres Mal wird er das Neujahrskonzert begleiten, denn zum Ende der Spielzeit 2019/2010 wird er das Landestheater verlassen und als Chefdirigent der Grazer Philharmoniker und der Oper nach Graz wechseln. Auch in diesem Jahr setzt er mit Elgar, Korngold, Lehár und Stolz auf Komponisten, die nicht unbedingt in der Tradition der früheren Neujahrskonzerte in Coburg stehen. Mal sehen, wie es der Nachfolger von ihm dann im 34. Neujahrskonzert im Jahr 2021 halten wird. Eines muss man Kluttig zu Gute halten, seine Hingabe und Leidenschaft zur Musik und seine damit verbundene Symbiose mit seinem Orchester. Er ist ein leidenschaftlicher Dirigent, der alles in die Waagschale wirft, mit seinem ganzen Körper arbeitet und dem man in jeder Sekunde seine Liebe und seine enge Verbundenheit zur Musik ansieht und anmerkt. Er arbeitet mit hingebungsvoller Leidenschaft, führt seine Musiker mit harter, straffer Hand, weiß sie aber auch gefühlvoll zurückzunehmen, wenn es die Situation erfordert. Dies ist vor allem bei der Begleitung der Solistin zu verspüren, wo er die Orchesterwogen sanft zurücknimmt um ihr zu ermöglichen frei und ohne Anstrengung ihre Töne zu setzen. Ich habe im letzten Jahr geschrieben, dass es einen riesengroßen Spaß macht, ihm am Pult zuzuschauen und seine Leidenschaft mitzuerleben. Davon kann ich auch in diesem Jahr jedes einzelne Wort nur unterstreichen. Das Publikum im ausverkauften Haus, geht begeistert mit und zeigt mit großem, langem und warmem Beifall, dass es beeindruckt ist von dieser Art des Musizierens. Das glänzend aufgelegt Orchester trägt einen großen Teil zum Gelingen des auch diesmal wieder recht ausgedehnten vormittags bei.
Mit der Huldigung der Königin Victoria von Großbritannien, dem Walzer op. 103 von Johann Strauss Vater beginnt das Neujahrskonzert. Das aufeinander ausgezeichnet eingestimmte Orchester hat sichtlich Freude an diesem Auftakt und bringt das eindrucksvolle Werk engagiert und beeindruckend zu Gehör. Im leicht geänderten Programm wird gleich danach Johann Strauss Sohn mit dem Walzer op. 390 zu Gehör gebracht. Der als Nordseebilder bekannte Walzer gibt ein ausgezeichnetes Stimmungsbild im nordischen Stil ab. Fast kann man vor seinem geistigen Auge die Wellen, die Boote, die ganze Atmosphäre auftauchen sehen, frisch und lebendig dargeboten erhält auch dieser Walzer großen Beifall.
Laura Verena Incko
Dann kommt ein Block des in Broadheath bei Worcester geborenen britischen Komponisten Edward William Elgar. Aus seinem „The Starlight Express“ op. 78 wird der Walzer „Oh stars, shine brightly“ von der jungen, in München geborenen Sopranistin Laura Verena Incko dargeboten. Seit dieser Spielzeit ist sie am Landestheater Coburg engagiert und so, wie sie sich hier einführt, hat man damit einen großen Griff gemacht. Sie brilliert mit einem frischen, klaren stimmschönen Sopran mit glänzenden Höhen, zart, aber dennoch durchschlagend und voluminös. Sie singt ihren Part nicht nur so herunter, sondern gestaltet ihn auch eindrucksvoll. Großer Beifall für die Leistung dieser blutjungen Sopranistin, und Gott sei Dank, hat sie in diesem Jahr nicht nur diese eine Arie zu singen, sondern noch zwei weitere Auftritte. Der britische Komponist wird dann mit „The Three Bavarian Dances“ op. 27 weiter vorgestellt. Und das Philharmonische Orchester des Landestheaters Coburg legt unter der gefühlvollen Leitung von Roland Kluttig alles an unterschiedlichen Klangfarben und Rhythmen in dieses nicht unbedingt sehr bekannte aber ausdrucksstarke Werk des englischen Komponisten. Auch hier ein Publikum, welches sich begeistern lässt und diese Begeisterung auch offen zeigt.
Nach der Pause dann Erich Wolfgang Korngold, ein austroamerikanischer Komponist, der nach der Strauss Ära geboren wurde. Am bekanntesten dürfte von ihm die Oper „Die tote Stadt“ sein und überwiegend lebte und wirkte er in Amerika. Also nicht Strauss Ära und nicht England und London, aber sehr beeindruckend. Es wird an diesem Vormittag die Prélude, die Serenade und der Walzer aus der Ballettpantomime „Der Schneemann“ zu Gehör gebracht, und das sichtlich gut aufgelegte Orchester beeindruckend erneut die gebannt lauschenden Zuhörer. Schwungvoll, etwas nostalgisch verklärt, die Feinheiten sicher herausgearbeitet kann „Der Schneemann“ viel Applaus auf sich vereinen.
Die wunderschöne gefühlvolle Arie der Sonja aus der Operette „Der Zarewitsch“ von Franz Lehár wird dann von Laura Verena Incko zu Gehör gebracht. Die ganze Sehnsucht der jungen Tscherkessin legt sie in dieses etwas schwermütige und sehnsuchtsvolle Lied und erntet dafür verdientermaßen stürmischen Applaus.
Dann noch einmal Edward Elgar mit seinem Liebesgruss op. 12 „Salut d´Amour“. Brillant gespielt, sehr melodisch und ins Ohr gehend kann man erneut viel Beifall auf sich ziehen, ebenso wie erneut Laura Verena Incko mit dem wunderschönen Robert Stolz Lied „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“ aus der Operette „Der Favorit“. Gerne lauscht man ihrem glockenreinen, glasklaren Sopran, der silbrig flirrend jede Nuance des gefühlvollen Liedes ausschöpft. Viel Applaus und Vorfreude auf ihre Auftritte im Landestheater.
Zum Abschluss des offiziellen Programms kann das Philharmonische Orchester unter Roland Kluttig noch einmal so richtig auftrumpfen. Ein Dauerbrenner, der Kaiserwalzer op. 437 von Johann Strauss Sohn. Und was kann bei Johann Strauss schon schiefgehen. Feurig, brillant, ohne Fehl und Tadel, jede Note auskostend wird dieses Meisterwerk dargeboten. Und das Publikum, selig im Walzerrausch, genießt die wundervolle Musik.
Und jetzt kann ich erneut die Worte vom letzten Jahr übernehmen, denn das Publikum hält es nicht mehr auf den Sitzen, und unter stehenden Ovationen erklingt die temperamentvolle Polka „Unter Donner und Blitz“ von Johann Strauss Sohn. Und – fast möchte ich wieder sagen natürlich – beendet man das Konzert mit dem als Rausschmeißer fungierenden unverwüstlichen Radetzkymarsch von Johann Strauss Vater, der schwungvoll ein ausgezeichnetes Neujahrskonzert beschließt.
Manfred Drescher 10.01.2019
Bilder (c) Der Opernfreund / MD
Fotot 3 zeigt: Dr. Bernhard F. Loges, Laura Verena Incko, Roland Kluttig