Aufführung am 6.11.2015, Premiere 19.09.2015
Bellinis Musik ist wunderschön und unsterblich – daran ändert keine Inszenierung etwas
Ein weiteres Mal im wunderschönen Stadttheater Fürth und ein weiteres Mal begeistert nach Hause gefahren. Der Intendant von Fürth, Werner Müller, hat sich diesmal einen Belcantokracher allererster Güte geholt und dies vom doch recht kleinen Theater Coburg. Und es ist toll, welche Stimmen in der so oft verspotteten Provinz zu Hause sind. Da könnte sich manches große Theater eine dicke Scheibe abschneiden, auch was das Herzblut angeht, mit welchem man solche schwer zu singenden Stücke angeht und sie mit Bravour besteht. Zwar werden auch bei den kleineren Theatern die Regiesünden, die bei den Großen ja schon fast schon an der Tagesordnung sind, begangen, aber alles passt dennoch immer in den großen Rahmen. Den Regisseur, der sich gnadenlos und selbstverliebt in den Vordergrund spielt, egal wie es dem Publikum gefällt, egal, wie die Sänger eingespannt werden und in den irrwitzigsten Posen singen müssen, egal ob eine Handlung teilweise ad absurdum geführt wird, den Regisseur gibt es – Gott sei Dank – bei den kleinen Bühnen in der Form nicht und auch Coburg macht hier keine Ausnahme. Die Buhrufe, die man noch bei der Premiere in Coburg für die Inszenierung hatte, sind hier in Fürth verstummt. Hier erfreut man sich am Wohlklang der Stimmen und an einem Belcantofeuerwerk sondergleichen. So macht Oper trotz aller Probleme Spaß und so bleibt sie auch im Gedächtnis haften.
Die Priesterin Norma, ist die heimliche Geliebte des Römers Pollione, sie hat mit ihm zwei Kinder und er ist der Anlass, dass sie ihr Land verrät. Pollione hat sich längst in die Novizin Adalgisa verliebt und will mit ihr das Land verlassen. Bei einem aufeinandertreffen wird dies alles offenkundig und Norma schwört Rache. Die Mutterliebe siegt vor der grausamen Überlegung ihre beiden Kinder in den Tod zu schicken. Sie will Adalgisa mit ihren Kindern und Pollione nach Rom schicken, doch Adalgisa möchte mehr die ehemals Verliebten wieder zusammenführen, was Pollione jedoch barsch ablehnt. Norma gibt nun das Zeichen zum Kampf gegen die Römer und man nimmt einen Römer gefangen, der das Heiligtum entehrt hat, es ist Pollione.
Celeste Siciliano, Milen Bozhkov
Er will nicht von Adalgisa lassen, auch wenn der Tod seiner Kinder und der Tod seiner neuen Geliebten auf dem Scheiterhaufen drohen. Norma lässt nun einen Scheiterhaufen errichten, für eine Priesterin, die gegen die Keuschheit verstoßen hat und nennt ihren eigenen Namen als Schuldige. Sie geht dem Tod gefasst entgegen, weiß sie doch ihre Kinder in der Obhut ihres Vaters Orovesus. Pollione, der ergriffen ist, auch von neu aufflammender Liebe gepackt, folgt ihr in den Tod.
Die Inszenierung von Konstanze Lauterbach, die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet, versetzt alles in die Gegenwart, in einen nicht näher erläuterten Krieg. In einem Bettkasten werden ihre mit Schande gezeugten Kinder versteckt, Ölbohrtürme bestimmen die Bühne, der Scheiterhaufen besteht aus unzähligen schwarzen Müllsäcken, ein Hubschrauber schwebt bei den Schlusstakten über die Szenerie. Karen Simon, die für das Bühnenbild verantwortlich ist, hat alles getreu der Regisseurin aufgebaut. Mich hat es nicht sonderlich gestört, warum sollte man nicht auch solche Schauplätze zeigen. Wesentlich interessanter ist, dass in die Oper die überaus wirkungsvolle Arie Norma il predisse, o Druidi eingearbeitet wurde. Diese Arie wurde von Richard Wagner in Paris im Jahr 1839 komponiert. Orovesos Bravourarie, die dem Fluss der Bellinischen Musik folgt und in sie übergeht, ist eine flammende Ballade eines unerbittlichen Kämpfers und Anführers und sie stört keineswegs, nein fast könnte man meinen, sie ist von Bellini selbst komponiert worden. Die Choreinstudierung von Lorenzo da Rio ist eigentlich wie immer ausgezeichnet und der Chor ist auf den Punkt vorbereitet.
Das Orchester wird von Generalmusikdirektor Roland Kluttig mit zupackender Hand, nervig und gefühlvoll geführt und geht problemlos diesen Weg mit. Die Musik Bellinis wird vortrefflich herausgearbeitet, die Sänger werden behutsam begleitet und ihnen wird Raum gegeben, sich entsprechend zu entfalten. Die unterschiedlichen Klangfarben webt Kluttig zu einem beeindruckenden Klangteppich und lässt das Orchester groß aufspielen.
Eine Oper, die mit so herrlicher Musik versehen ist, verlangt aber auch Spitzensänger, weil die Partie mehr als nur geläufige Kehlen erfordert. Die Norma war eine der großen Partien von Maria Callas, die sie sehr oft und mit großem Erfolg gesungen hat. Coburg hat mit Celeste Siciliano eine außergewöhnliche Sopranistin für diese Rolle. Ihr dramatischer Sopran besitzt eine gewaltige Stimmkraft, ist aber auch zu anrührend zarten Tönen fähig. Die Koloraturen der Partie meistert sie brillant mit innigem Ausdruck und einer kraftvollen Höhe, die dennoch schwebend über allem steht. Auf diese Sopranisten wären viele große Opernhäuser zu Recht sehr stolz. Hoffen wir, dass sie noch lange in Coburg auftritt. Pollione wird von dem bulgarischen Tenor Milen Bozhkov brillant verkörpert. Dieser Don Juan für Arme hat strahlende durchsetzungsfähige Töne bis hin zu den glasklaren Spitzentönen. Ein weiches Timbre mit traumhaft leichtem Piano aber ebenso einem kraftvollen Fortissimo zeichnet diesen Tenor aus, bei dem die Frauenherzen sicherlich dahinschmelzen (selbst wenn er in dieser Partie nicht unbedingt zu den Sympathieträgern zählt). Michael Lions setzt als Oroveso seinen profunden kräftigen und stimmschönen Bass ein. Ausdrucksstark und stimmgewaltig weiß er in dieser Rolle voll zu überzeugen. Darstellerisch ist er, wie die beiden vorherigen Sänger, ebenfalls eine Ausnahmeerscheinung, auch wenn er dies in dieser Partie nicht so herüberbringen kann. Als Adalgisa setzt Ana Cvetkovic-Stojnic ihren zarten lyrischen Sopran ein, der auch zu dramatischen Ausbrüchen fähig ist. Sie ist eine ebenbürtige Partnerin und weiß stimmlich anrührend zu überzeugen. Als Flavio kann David Zimmer seinen vollen, klaren und ebenso höhensicheren Tenor voll einsetzen und ebenso voll überzeugen. Heidi Peters als Clotilde ergänzt das Ensemble ohne Fehl und Tadel. Eine Aufführung, die stimmlich weit über dem Üblichen steht und bei der man die Inszenierung wohlwollend „mitnehmen kann“.
David Zimmer, Mihael Lion, Milen Bozhkov, Celeste Siciliano, Ana Cvetkovic-Stojnic
Insgesamt gesehen ein Abend, der sich gelohnt hat und der auch Coburg als ein kleines aber vorzügliches Theater in Fürth vorstellen kann.
Manfred Drescher 23.11.2015
Bilder 1 und 2 Andrea Kremper Bild 3 Eigenaufnahme