Wunsiedel: „Der Bettelstudent“

Die Operettenbühne Wien feiert ihr 20jähriges Jubiläum auf der Luisenburg und reißt die Menschen mit – Aufführung 13.08.2016 – Tourneebeginn Herbst 2015

Ausgelassene Stimmung auf der Felsenbühne

Trailer

20 Jahre besteht die Operettenbühne Wien unter Heinz Hellberg und ist dieses Jahr zum 17ten mal auf der Luisenburger Felsenbühne mit der Erfolgsoperette „Der Bettelstudent“.

Im letzten Jahr haben die Luisenburg-Festspiele Wunsiedel ihr 125jähriges Jubiläum gefeiert, in diesem Jahr feiert Heinz Hellberg sein 20jähriges Jubiläum mit der Operette „Der Bettelstudent“ von Karl Millöcker. Einen kleinen bitteren Beigeschmack hat die Felsenbühne in diesem Jahr zu verkraften. Ihr Erfolgsintendant Michael Lerchenberg hat zum nächsten Jahr seinen Ausstieg bekanntgegeben. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie es eine Handvoll, wahrscheinlich vom Theater völlig unbeleckten Pseudopolitikern gelungen ist, dieses Juwel für Wunsiedel zur Aufgabe zu bewegen. Was Lerchenberg für Wunsiedel bedeutet und was er für die Region geschaffen hat, wird wohl erst nach seinem Abgang deutlich werden. Es ist jammerschade, dass dieser Motor und ständige Antreiber der Region durch kleingeistiges Denken und Handeln nicht mehr weitermachen will. Verstehen kann man ihn irgendwie, warum soll er sich so etwas antun. Es ist für Wunsiedel aus meiner Sicht jedoch eine kleine Katastrophe. Im letzten Jahr hatte ich geschrieben: „Der gelernte Schauspieler (unvergessen seine Auftritte in der „Lokalbahn“, „Wittiber“, „Brandner Kaspar“, dem „Bullen von Tölz“, dem unvergessenen Double von Edmund Stoiber und vieles mehr) hat 2004 die Intendanz der Luisenburg-Festspiele Wunsiedel übernommen. Die wunderschöne einzigartige Felsenbühne, die auch vor ihm schon ein Zuschauermagnet war, eilt unter seiner Leitung von Rekord zu Rekord. Er hat ein glückliches Händchen bei der Stückeauswahl und ist der Motor der Felsenbühne. Hoffen wir, dass er den Luisenburg-Festspielen noch lange erhalten bleibt.“ Ja, leider ist es nun anders gekommen und wollen wir hoffen, dass die Festspiele auf der Luisenburg ohne Schaden aus dem Ganzen herauskommen. Eine Provinzposse, die seinesgleichen sucht.

Ein immer wieder gerngesehener Gast auf der Luisenburg ist heuer 17 Jahre in Folge Prof. Heinz Hellberg mit der Operettenbühne Wien. Zwanzig Erfolgsjahre liegen nunmehr hinter der Wiener Bühne und alle treuen und begeisterten Zuschauer hoffen, dass noch ein paar Jubiläen draufgepackt werden können. Zu Beginn kommt er, wie immer, in einem blütenweißen Anzug auf die Bühne und seine ersten Worte sind „Es regnet nicht!“. Dieser Satz ist symptomatisch für die Aufführungen im Felsenrund. Und auch heute haben wir wieder blauen Himmel und strahlendes Wetter. Und dass freut Hellberg sichtlich und so zieht er einen Stuhl auf die Bühne und spielt auf seine unnachahmliche Art einen Theaterbesucher vor. Nicht den, der ins Theater geht um zu sehen, sondern den, der ins Theater geht um gesehen zu werden. Und er bringt mit diesem Kabinettstückerl das Publikum zum Schmunzeln und dann zum befreienden lauten Lachen und zum ersten großen Applaus. Man kann sich seinen Besucher, der wie ein Gockel ins Theater geht um sich selbst zu inszenieren, nicht lange genug anschauen. Und so, wie er auf sein Publikum zugeht, so inszeniert er auch seine Operetten. Gradlinig, schnörkellos, authentisch und er behandelt die Operette ernsthaft und vor allem mit großem Respekt. So macht Operette Spaß und so wird sie – aller Unkenrufe zum Trotz – auch in künftigen Jahrzehnten ihr Publikum begeistern und mitreißen.

Verena te Best, Anton Graner

Die Geschichte des selbstverliebten und arroganten Oberst Ollendorf, der mit einer Ohrfeige durch die schöne Laura tief gekränkt nach Rache dürstet, ist sicherlich wohlbekannt. Laura, eine Tochter der verarmten Gräfin Nowalska, hat ihn für seine Zudringlichkeiten, er hat sie voller Überschwang einfach auf die Schulter geküsst, mit einem Fächerhieb ins Gesicht „bestraft“ und diese Schmach kann er so nicht auf sich sitzen lassen, dies schreit förmlich nach Rache. Und dazu ist ihm jedes Mittel recht. Zwei inhaftierte „junge Lumpen“, kurz als Bettelstudenten bezeichnet, heuert er an, damit sie als Fürst und Adjutant auftreten. Nach der Ehe der schönen Laura mit dem Bettelfürsten, und dass es dazu kommt, davon ist er überzeugt, wird er ihn als armen Bettelstudenten präsentieren, er wird dadurch sie und ihre Familie vorführen, der Lächerlichkeit preisgeben, dadurch seine Rache vollenden und die Schmach tilgen. Da er, durch seine Überheblichkeit, nicht mehr klar sehen und denken kann, wird er durch einen der Bettelstudenten, der eigentlich ein Herzog ist, abgesetzt und er adelt seinen Bettelstudentenpartner. Beide finden in den Töchtern der Gräfin ihr Glück und bei Hellberg bekommt der Oberst Ollendorf zum Schluss noch die Gräfin Nowalska als Gattin. Dies ist eine sehr freie Auslegung des Librettos durch Hellberg, aber stimmig und vor allem erheiternd. Und das soll die Geschichte ja auch jeden Fall sein, sie soll das Publikum erfreuen und erheitern. Und dass tut diese heutige Aufführung mit Bravour. Das es dazu kommt, dazu gehören natürlich noch zwei weitere Dinge, ein inspiriertes, gut aufgelegtes und musikalisch ohne Fehl und Tadel spielendes Orchester mit einem Dirigenten, der ein Meister seines Faches ist und es gehören natürlich ebenso hervorragende Sänger und Schauspieler dazu, die das Publikum begeistern und zufrieden nach Hause gehen lassen.

Judit Bellai, Viktor Schilowsky

Das Orchester der Operettenbühne Wien wird von László Gyükér geleitet, Und der ungarische Dirigent hat unheimlich viel Operettenerfahrung bis in den kleinsten Finger. Erst vor kurzem hat er bei den Franz Lehár Festspielen in Bad Ischl begeistert, die er bereits einige Jahre betreut und bei denen er nächstes Jahr die „Lustige Witwe“ dirigiert, neben vielen anderen Standorten. Er führt das Orchester mit ungarischem Feuer, er lässt es atmen, es sich zurücknehmen um im nächsten Augenblick es voll zu fordern und das Orchester der Operettenbühne Wien folgt ihm in allem. So leidenschaftlich er die Wogen des Orchesters über das Publikum hereinbrechen lässt, so rücksichtsvoll und zurückhaltend lässt er es bei den Solis den Sängern folgen und sie unterstützen. Man soll das Orchester hören und das ist manches Mal gewaltig, man soll aber auch den leisesten Hauch der Sängerdarsteller mitbekommen. Diesen Spagat meistert er tadellos und es macht einfach Freunde zuzuhören. Ein passendes und stimmungsvolles Bühnenbild, etwas umfangreicher als bei den normalen Tourneen, da die Bühne ja relativ gewaltig ist, wird von Adrian Boboc aufgebaut und dem Publikum der Felsenbühne nahegebracht. Ebenso eine eindrucksvolle Arbeit wird durch Lucya Kerschbauer geleistet, die für die farbenprächtigen stimmungsvollen Kostüme die Verantwortung trägt. Das ist natürlich auch etwas für die Augen des Publikums, welches mit Beifall nicht geizt. Auch der Chor und das Ballett der Operettenbühne überzeugen voll, gerade weil beim Bettelstudenten die Dialoge nicht so umfangreich ausfallen, wie in anderen Operetten, und deswegen kommt dieser Teil natürlich noch effektiver zum Tragen.

Stefan Reichmann gibt den Studenten Symon Rymanowicz, den Bettelstudenten. Er sieht natürlich als junger blondgelockter österreichischer Tenor blendend aus, die Damen im Publikum schmelzen so richtig dahin. Er besitzt einen hohen hellen und klaren Tenor, der eigentlich keine Höhenschwierigkeiten kennt, der mir aber an diesem Nachmittag etwas zu unausgeglichen ist. Neben glanzvoll gesungenen Stücken wie „Ich hab kein Geld bin vogelfrei“ stehen andere Arien, bei denen es nicht ganz so mühelos zu gehen scheint. Wollen wir aber nicht beckmesserisch sein sondern uns freuen, dass es wieder einmal einen blutjungen, blendend aussehenden und mit einer klaren, freien hellen Tenorstimme ausgestatteten Sängerschauspieler gibt. Mit kräftigem robustem, klarem und kernigem Tenor gibt Anton Graner seinen studentischen Freund Jan Janicki und überzeugt voll. Auch in den Duetten macht er eine gute Figur, er hat aber auch eine Partnerin, bei der ich wieder einmal ins Schwärmen komme, und die auch heute in Wunsiedel mit Sicherheit dafür gesorgt hat, dass der Blutdruck nicht nur der älteren männlichen Besucher stark angestiegen ist. Verena te Best aus Wels in Oberösterreich als Bronislawa, einer der Töchter der Gräfin Nowalska, ist ihm eine exzellente Partnerin. Mit glockenreinem, klarem, warmem und leuchtendem Sopran weiß sie in allen Belangen zu überzeugen. Dass sie ein reizender Hingucker auf der Bühne ist, habe ich schon erwähnt, aber es kommt etwas Weiteres hinzu, was leider heutzutage nicht mehr so viele Künstler haben. Ein überschäumendes Temperament, ein sich in die Rolle hineinversetzen wie kaum ein anderer und immer mit einem strahlenden ungekünstelten Lächeln. Ihre Spielfreude ist ihr in jeder Sekunde anzusehen und sie wirft sich mit einer Leidenschaft in die Rolle, die es nicht mehr so oft gibt. Für mich eine der besten Leistungen – und es gibt nicht einen einzigen Ausfall – des heutigen Nachmittags.

Susanne Hellberg

Die Wienerin Ella Tyran setzt als zweite Tochter Laura einen strahlenden, in keinem Moment scharfen, schönen vollmundigen und sicheren Sopran ein. Im darstellerischen Bereich ist sie etwas sehr zurückhaltend, zu unnahbar, aber vielleicht ist dies auch ein bisschen der Regie geschuldet. Sonst aber auch bei ihr eine untadelige Leistung. Judit Bellai bringt eine alles beherrschende, in den wenigen Gesangspassagen mit leuchtend warmem Sopran beschenkte Palmartica Gräfin Nowalska auf die Bühne. Der aus Budapest stammenden Künstlerin wäre eine größere Rolle zu wünschen gewesen, hier ist sie einfach eine Luxusbesetzung. Der Bariton Viktor Schilowsky hat mit dem Oberst Ollendorf eine weitere Rolle, die ihm auf den Leib geschneidert erscheint. Seine Verkörperung dieser Rolle ist mehr als rollendeckend. Ein Erzkomödiant, der mit warmem, einfühlsamem, gefühlvollem und durchschlagskräftigem Bariton seine Marken auf der Bühne setzen kann. Dass dazu noch eine Erarbeitung der Rolle hinzukommt, die man so nicht allzu oft sehen kann, ist ein weiteres Highlight. Er präsentiert, mit großem Beifall versehen, den Gouverneur von Krakau, der in seiner Aufgeblasenheit glaubt sich alles herausnehmen zu können, der verschlagen und intrigant seine Rolle nicht abliefert sondern verkörpert. Ihm macht es immer Spaß zuzusehen und zuzuhören. Und dann wollen wir auch die Stütze des Ensembles, die Vollblutkünstlerin Susanne Hellberg in der winzigen Rolle des Offiziers Richthofen nicht vergessen. Was sie aus dieser kleinen Rolle herausholt, ist einfach toll. Ich kann nur hoffen, dass wir sie bald wieder in einer etwas größeren Rolle erleben können und dass sie mehr als nur eine kleine Strophe im Couplet singen kann. Vielleicht sollte sie einmal mit dem Regisseur sprechen, das Publikum würde sich sicher freuen. Urs Mühlenthaler gibt den Enterich, als sächselnder Gefängniswärter macht er eine kleine Paraderolle und überzeugt in erster Line in schauspielerischer Hinsicht. Auch ihm merkt man die Freude an seiner Rolle an.

Verena te Best, Lazlo Gyükér, Ella Tyran, Stefan Reichmann

Das alles führt dazu, dass die Operettenbühne Wien mit Sicherheit auch nach ihrem 20jährigen Jubiläum weiterhin die Felsenbastie der Luisenburg unsicher machen wird. Wir freuen uns darauf, im nächsten Jahr mit der „Csárdásfürstin“.

Manfred Drescher, 19.08.2016

Fotos (c) Luisenburg Festspiele / Eigenaufnahmen