Besuchte Aufführung: 17.08.2016, (Premiere: 11.08.2016)
Der König kommt zurück
Als Resultat des erfolgreichsten Crowdfunding-Projektes in der europäischen Musik- und Theatergeschichte, so die Angaben des Veranstalters, konnte das Musical „Ludwig²“ von Konstatin Wecker, Nic Raine, Christopher Franke (Musik) und Rolf Rettenberg (Buch und Liedtexte) vor Kurzem erneut seine Premiere im wunderschönen Füssener Festspielhaus feiern. Bereits im Jahr 2005 feierte dieses Werk an diesem Ort seine Welturaufführung und konnte in knapp zwei Jahren Laufzeit über 350.000 Zuschauer zählen. Im vergangenen Jahr wurden nun über besagtes Crowdfunding über 800 finanzielle Unterstützer gefunden, die mit insgesamt 165.000 Euro den Grundstein in der Finanzierungsphase für diese Neuauflage legen konnten. So ging und geht der Traum vieler Menschen in Erfüllung, dieses Werk mit der wunderbaren Musik noch einmal in der traumhaften Kulisse direkt am Forggensee mit Schlossblick erleben zu dürfen.
Da die Original-Bühnenbilder aus 2005 von Gerd Friedrich und Michael Curry noch komplett erhalten sind, kann Regisseur Benjamin Sahler hierauf zurück greifen und hiermit eine gelungene Version auf die Bühne bringen, die sich in weiten Teilen an die Aufführungen aus dem Jahr 2011 in Kempen orientiert und die Geschichte chronologisch erzählt. Im Mittelpunkt steht hierbei der Traum des Königs von einer besseren Welt ohne Kriege, wobei insbesondere die Musik und die Kunst die Menschen zu einem friedvollen Miteinander animieren sollen. Hierbei wird auch seine Seelenverwandtschaft mit Elisabeth, Kaiserin von Österreich, stark in den Mittelpunkt des ersten Aktes gestellt. Doch die Waffenlobby ist stark und der Krieg mit Frankreich unausweichlich. Nachdem Ludwigs Bruder Otto nach seinem Kriegseinsatz stark traumatisiert in die Anstalt von Dr. Gudden gebracht wird, flüchtet sich der König von den Schrecken der realen Welt in seine Träume und die Baupläne seiner Schlösser nehmen Gestalt an. Doch seine Gegner bleiben rücksichtslos und lassen den König schließlich unter Mithilfe von Dr. Gudden nach Schloss Berg „abführen“. Auch wenn die genauen Umstände bis heute historisch nicht gänzlich geklärt werden konnten, für die Macher des Musicals ist eins klar: Der König wurde ermordet.
Wie bereits 2011 schlüpft Matthias Stockinger erneut in die Rolle des König Ludwig, der eine wahre Glanzleistung ablegt. Sehr genau bringt der die verschiedenen Stufen in Ludwigs Leben auf die Bühne. Ganz stark gespielt, die Unsicherheit bei seiner Krönung oder die verzweifelte Wut bei seiner Abschiebung nach der Übernahme der Amtsgeschäfte durch Prinzregent Luitpold. Auch gesanglich eine perfekte Besetzung, sein „Kalte Sterne“ sorgt für große Gänsehautmomente und vereinzelt Tränen bei den Zuschauern. Bleibend in Erinnerung bleibt auch das Bruder-Duett „Wann kommst du wieder?“ mit Julian Wejwar in der Rolle des Prinz Otto, der hier nicht nur ganz stark singt sondern auch eindrucksvoll zeigt, welche traumatischen Schrecken der Krieg mit sich bringt. Einen kleinen Heimvorteil hat die gebürtige Allgäuerin Anna Hofbauer in der Rolle der Kaiserin Elisabeth, die vor allem bei ihrem Solo „Rosen ohne Dornen“ überzeugen kann, in den Duetten dagegen leider etwas blass bleibt. Gleiches gilt auch für Oedo Kuypers in der Rolle des Graf Dürckheim, dessen Stimme zwar sehr schön aber für diese Rolle etwas zu dünn klingt. Alles andere als dünn dagegen die Stimmgewalt von Suzan Zeichner in der Rolle des Kindermädchens Sybille Meilhaus. Dr. Gudden wurde in der besuchten Vorstellung von Alexander Kerbst übernommen (Erstbesetzung: Uwe Kröger), eine Rolle die er souverän ausfüllt, allerdings ohne einen so bleibenden Eindruck zu hinterlassen, wie in seiner eigentlichen Rolle als Freiherr von Lutz. Durch diesen Wechsel übernahm André Bauer den Freiherr von Lutz, auch hier wie beim gesamten Ensemble eine sehr sehens- und hörenswerte Leistung. Allgemein ist die starke Besetzung ein großer Pluspunkt dieser Produktio. Erwähnswert hier auch noch Harald Tauber als Graf Rettenberg, der durch eine große Ausstrahlung auf der Bühne in Erinnerung bleibt.
Die vielleicht etwas undankbare Rolle des Schattenmann, die lediglich aus der „Schattenarie“ besteht, wurde von Sven Fliege übernommen. Großen Applaus bekam auch Colin Götz, einer von 9 Jungen die sich die Rolle des jungen König Ludwig teilen. Auch der Chor weiß zu gefallen und dank weiterer passender Besetzungen in allen anderen Rollen wird u. a. auch die Nummer „König Technik“ zu einer amüsanten und keinesfalls peinlichen Nummer zur Aufheiterung zwischendurch. Gerade diese Szene ist auch ein gelungenes Beispiel für die schöne Choreographie von Till Nau und Stephanie Gröning. Letztere überzeugt auch mit ihrem „Schwanentanz“ im See.
Trotz einiger dramaturgischer Schwächen insbesondere im ersten Akt kann das Stück vor allem durch den sehr starken zweiten Akt überzeugen. Ziehen sich die ersten 20 Minuten noch sehr in die Länge kann erst der Krönungschor „das Eis brechen“. Die anschließende Thronrede ist ein gelungener Aufruf für mehr Menschlichkeit in einer kriegerischer Welt, die man sich auch heute noch in dieser Form von einem Staatsoberhaupt wünschen könnte und ein sehr emotionaler Moment im Musical. Stark auch am Ende des ersten Aktes, eine Szene wo Ludwig2 durch sein jüngeres Ebenbild aus Kindertagen daran erinnert wird, dass von seinen alten Träumen und Zielen derzeit nicht viel übrig geblieben ist. Hierbei wird durch Licht, Laser und Nebel eine Art Zeittunnel geschaffen, durch den der junge Ludwig auf den erwachsen Ludwig zuschreitet. Zu Beginn des zweiten Aktes werden durch den Einsatz von Lichteffekten die Kriegsschrecken bildlich stark auf die Bühne gebracht. Allgemein sind Licht- und Lasereffekte ein elementarer Bestandteil dieser Inszenierung. Besonders beeindruckend ist allerdings auch die Bühnentechnik, bietet das Festspielhaus in Füssen immerhin eine der größten Drehbühnen in Europa mit einem großen versenkbaren Wasserbassin, welches mehrfach sehr schön eingesetzt wird.
Auf Grund der kurzen dreiwöchigen Spielzeit entschied sich der Veranstalter aus Kostengründen auf ein Liveorchester zu verzichten und statt dessen ein wenn auch qualitativ sehr gutes Playback zu verwenden. Dies war allerdings bereits bei den bisherigen Aufführungen des Werkes weitestgehend ebenfalls der Fall. Der Blick in der Pause oder nach der Vorstellung über den nächtlichen See zum beleuchteten Neuschwanstein sorgt hier für den positiven Ausgleich für die Sinne. Da vor kurzem ein erneuter Insolvenzantrag für das Festspielhaus gestellt wurde, bleibt abschließend zu hoffen, dass einem der schönsten Theaterbauten in Deutschland auch weiterhin eine positive Zukunft bestimmt sein möge.
Markus Lamers, 21.08.2016
Fotos © BIG Dimension GmbH