Premiere am 25.2.2012 im Teatro Verdi von Triest
Triest hat eine große Verdi-Tradition: Hier fanden die Uraufführungen von Il Corsaro (1848) und Stiffelio (1850 unter Verdis Leitung und mit Giuseppina Strepponi) statt – beides Werke, die Verdi für Triest geschrieben hat. Damals (es gab 12 Theater in Triest!) hieß das Haus noch Teatro Nuovo bzw. Teatro Grande – es wurde 1901 wenige Tage nach dem Tode von Verdi in „Teatro Giuseppe Verdi“ umbenannt.
Es ist ein prachtvolles Gebäude, errichtet vom Italiener Gian Antonio Selva (von ihm stammt das La Fenice in Venedig) und vom deutschen Matthäus Pertsch (der massgeblich Triests Stadtbild im 19.Jahrhundert mit einer Reihe von Gebäuden mitgestaltete). Es zählt mit seiner an der Mailänder Scala orientierten Fassade zu den schönsten klassizistischen Bauten Triests. Das Haus wurde 1801 mit „Ginevra di Scozia“ des bayrischen Komponisten Johann Simon Mayr eröffnet und hat rund 1400 Plätze in fünf Rängen. Und natürlich ist das Haus und sein Repertoire ein Bild der Geschichte Triests. Von 1382 bis 1918 gehörte Triest zum österreichischen Habsburgerreich – es ist eine Stadt im „Grenzbereich der Kulturen“, wie es der Triestiner Claudio Magris einmal ausgedrückt hat. Das findet auch seinen Niederschlag auf der Homepage des heutigen Teatro Verdi, wo es über die Geschichte des Hauses heißt:
„Das Theater wurde zum Symbol der italienischen Kultur dieser Stadt, indem es die italienische Musikkultur in die benachbarten deutschen und slawischen Gebiete ausstrahlte, aber gleichzeitig Interpret des kosmopolitischen Triests blieb und dem Publikum die Werke der mitteleuropäischen Komponisten vermittelte.“
Wie geht nun ein Haus mit diesem kulturellen Erbe um, wenn ein Risorgimento-Werk Verdis auf den Spielplan gesetzt wird ?
„La Battaglia di Legnano“ ist Verdis Beitrag zu den Freiheitskämpfen. „Es gibt und kann auch keine andere Musik geben, als die, die 1848 dem italienischen Ohr teuer ist: Die Musik der Kanonen!“ schwärmte Verdi in einem Brief an Piave im April 1848, bevor er nach Paris reiste und mit der Komposition von „La Battaglia di Legnano“ begann. Das Werk wurde 1849 mit demonstativem Erfolg 1849 in Rom uraufgeführt – und ist wohl eine in Musik gesetzte politische Flugschrift und Verdis einzige explizit politische Oper. Sie handelt vom Sieg des lombardischen Städtebundes über das Heer des deutschen Kaisers Friedrichs I.“Barbarossa“ in der historischen Schlacht von Legnano (1176)
Der Regisseur dieser Koproduktion dreier angesehener Opernhäuser (Triest, Rom und Barcelona) ist Ruggero Capuccio. Er schreibt zu seinem Inszenierungskonzept: „Legnano ist das Paradigma der Völker, die ihr eigenes historisches Erbteil verteidigen – dort, wo das Fremde, der Imperialismus, die wirtschaftliche Globalisierungsstrategie auf den Stolz eines Volkes trifft, dort ist Legnano.“ Siehe dazu: teatroverditrieste_comunicato
In seinem Konzept spielt das Stück in einem Museumsdepot – die Bühnenbilder stammen von Carlo Savi. Meisterwerke der bildenden Kunst sind in diesem Depot „getrennt von den Augen der Welt“ und betreut von einigen wenigen Statisten, offenbar Restauratoren.
Das Volk – der über sechzigköpfige Chor singt mit prächtiger Stimmgewalt, aber nicht immer präzise – steckt in Kleidung des 19.Jahrhunderts, die Figuren des Stückes tragen Kostüme aus der Zeit der Handlung. Es entstehen schöne Bilder, aber es gibt keinerlei Aktion und es fehlt jegliche Personenführung, die die Protagonisten in einen dramatischen Bezug bringt. Das Schlußbild erstarrt zum Gemälde, um das sich ein goldener Rahmen schließt. Was hat doch Stefan Herheim aus der Museumsidee in seiner Carmen-Inszenierung an lebendigem Theater herausgeholt ! Bei Capuccio bleibt es bei einem lesenswerten Artikel im Programmheft mit Zitaten von Sigmund Freud, Italo Calvino und Marcel Proust. – auf der Bühne bleibt alles statisch. Die Ideen finden keine theatralische Umsetzung – schade! Szenenfotos siehe:
Die Besetzung ist solide: Der argentinische Bariton Leonardo Lopez Linares ist ein erfahrener Sänger mit durchaus eindrucksvollen Spitzentönen, leider fehlt ein wenig die lyrische Breite in der Mittellage. (Wie wunderbar vereinte beides der damals erst 27jährige Rolando Panerai auf den beiden auch heute noch als CD verfügbaren Aufnahmen aus dem Jahre 1951!)
Die griechische, in München ausgebildete Sopranistin Dimitra Theodossiou ist offenbar ein Liebling des Triestiner Publikums – Blumenregen und Brava-Rufen am Ende bezeugen dies. Sie hat wohl ihren stimmlichen Zenit bereits überschritten, überzeugt aber mit sehr schönen (manchmal allzu maniriert eingesetzten) Pianophrasen. Die dramatischen Ausbrüche leiden unter einem deutlichen Tremolo. Der schlanke Tenor von Andrew Richards gefiel mir am besten. Auch er ist in ersten Rollen an den großen europäischen Bühnen erprobt – ihm gelingen sehr schöne lyrische Phrasen. Unter den Nebenrollen fallen der mächtige Bass von Enrico Giuseppe Iori als Barbarossa und der sauber geführte Mezzo von Sharon Pierfederici positiv auf.
Das Orchester leitet der kanadische Maestro Boris Brott – solide, aber mit zu wenig federndem Verdi-Brio, das gerade bei einer derart statischen Inszenierung erfrischt hätte. Was in Italien immer auffällt: Chor und Orchester sind wirklich rein italienisch besetzt – im Programmheft sind alle Namen angeführt – das garantiert jedenfalls Italianita
Alles in allem: eine durchaus hörenswerte Begegnung mit einem Verdi-Werk, das im deutschen Sprachraum kaum aufgeführt wird.
Hermann Becke
P. S.
Kulinarische Hinweise sind gerade bei einem Italienbesuch auch für den Opernfreund durchaus angezeigt:
Photo: Becke
Genießen Sie die herrlichen Fischgerichte – z.B. entweder exzellent, aber preislich gehoben in der Antica Trattoria Le Barettine oder fahren Sie mit einem kleinen Linienschiff etwa eine halbe Stunde über den Golf von Triest in die entzückende kleine, venezianisch anmutende Hafenstadt Muggia und essen Sie dort ebenso exzellent, aber preislich wesentlich günstiger in der Trattoria Ai Due Leoni