Frankfurt: Orchestre National de France

Lionel Bringuier
Leitung (anstelle von Emmanuel Krivine)

Julia Fischer
Violine

Claude Debussy
Prélude à l’après-midi d’un faune

Sergej Prokofjew
Violinkonzert Nr. 1 D-Dur op. 19

Modest Mussorgsky/Maurice Ravel
Bilder einer Ausstellung

Konzertroutine mit solistischem Glanzlicht

1894 erschien von Claude Debussy seine Komposition „Prélude à l‘après-midi d‘un faune“, eines der zentralen Hauptwerke im musikalischen Impressionismus. Die sensitive Klangsprache ist von geradezu bezaubernder Wirkung. Faszinierend, in diese so besondere Klangwelt einzutauchen, die am Ende mit den kleinen Zimbeln, dann noch besondere Farbtupfer ergänzt.

Der für Emmanuel Krivine eingesprungene Lionel Briquier nahm sich viel zu wenig Zeit, um genau und farbintensiv der Musik nachzuspüren. Die Musik wirkte bei ihm lediglich reproduziert und nicht gestaltet. Bereits die Solo-Flöte musizierte einfallslos, so dass keine intime, sinnliche Interpretation gelang. Seltsam schwach im Klang auch die beiden Harfen. Lediglich der ungemein üppige Streicherklang des Orchestre National de France zeigte, welch gute Basis für eine besondere Interpretation vorhanden war. Aber so blieb es ein irritierender Beginn.

Es war 1923, als das erste Violinkonzert von Sergej Prokofjew in Paris zur Uraufführung gelangte. Solistin des Konzertabends war die vielseitige Geigerin Julia Fischer.

Wunderbar traf sie den träumerischen Tonfall des einleitenden Andantinos. In kluger Balance trat sie dann in den Dialog mit den Holzbläsern. Beeindruckend mit welcher Verve sie die virtuosen Anforderungen dieses Satzes bediente.

Ihre ganze Brillanz entfaltete dann Fischer im anschließenden zweiten Satz, der sie spieltechnisch stark forderte. Dieser Satz in Rondoform ist voller Kontraste und wirkt dabei deutlich illustrativ in all seinen grotesken Ausdrucksmomenten, was Fischer vortrefflich zu bedienen wusste.

Im Moderato des finalen Satzes zeigte Julia Fischer wieder ihre Stärke, klanglich intensiv zu musizieren, was sich vor allem in der Zwiesprache mit dem Fagott zeigte. Mal solistisch agierend, dann wieder eingebettet im Orchesterklang blieb Julia Fischer dem Werk nichts schuldig.

Im Zusammenspiel mit dem Orchester gab es jedoch im ersten Satz immer wieder Uneinigkeit im Tempo, so dass das Zusammenspiel nicht selten asynchron wirkte. Dirigent Brinquier konzentrierte sich in seinem Dirigat mit großer Zeichengebung lediglich darauf, das Orchester möglichst pannenfrei durch das Konzert zu bringen. Auch hier fehlten ihm erkennbare interpretatorische Ideen. Das Publikum applaudierte intensiv. Julia Fischer dankte mit einer Sarabande von J.S. Bach.

Am Ende dann einmal mehr die „Bilder einer Ausstellung“ in der Instrumentierung von Maurice Ravel, komponiert von Modest Mussorgskij. Ein Pflichtstück aller französischen Orchester.

Das Orchestre National de France zeigte eine klangvolle, gediegende Darbietung. Dirigent Lionel Brinquier zielte auch hier auf einen routinierten Ablauf, ohne Überraschungen. Schade, dass sich Brinquier viel zu wenig Zeit nahm, die Musik atmen zu lassen. So fehlte dem „Alten Schloss“ die notwendige Ruhe, was anhand des guten Solisten am Saxophon bedauerlich war.

Im „Bydlo“ verblüffte der Solo-Tubist mit einem extrem substanzvollen Solo.

Fabelhaft auch die schmerzlich klagende Solo-Trompete bei „Samuel Goldenberg und Schmuyle“. Natürlich verfehlten die Schluss-Teile nicht ihre Wirkung beim Publikum. Aber gerade dem „Großen Tor von Kiew“ fehlte ein kluger dynamischer Aufbau. Zu früh wurde die maximale Dynamik freigesetzt, so dass dieser krönende Abschluss eher unelegant lärmend wirkte.

Das Orchestre National de France konnte spieltechnisch sehr gut die Anforderungen der Partitur bedienen. Die klangliche Fülle in den Streichern und dem äußert satt tönendem Blech war beeindruckend. Innerhalb des Orchesters gab es aber auch Schwachpunkte, wie die wenig markanten Harfen oder das diffus klingende Schlagzeug. Hier tönte die Pauke dumpf, ohne rhythmische Prägnanz, Xylophon und Schlagbecken erklangen zu beiläufig, die Substanz fehlte. Insgesamt wirkte das Orchester interpretorisch nicht gefordert.

Dennoch konnten sich die Ausführenden über viel Zuspruch freuen.

Als Zugabe erklang die Bacarole aus Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“.

Dirk Schauß, 21. Jan. 2020

Bilder (c) Alte Oper / Klostermann