am 28.10.2018
Wolfgang Amadeus Mozart
Rondo in A-Dur für Klavier und Orchester
Richard Strauss
Burleske in d-Moll für Klavier und Orchester
Dmitri Schostakowitsch
5. Sinfonie
Intelligent sinnvolle Konzertzusammenstellung
Gerade bei so expressiven und extensiven Sinfonien wie sie von Schostakowitsch (oder Bruckner oder Mahler) erschaffen wurden, stellt sich immer die Frage, mit welchen Kompositionen kann man sie denn zusammen aufs Programm setzen, ohne dass die Werke vor der Pause von der nachfolgenden Sinfonie erdrückt werden. Hier haben nun Daniele Rustioni und die Philharmonia Zürich eine ganz kluge Lösung gefunden: Sie setzten vor Schostakowitsch Richard Strauss‘ Burleske für Klavier und Orchester an. Strauss‘ Jugendwerk hat mit Schostakowitschs Fünfter nicht nur die Grundtonart d-Moll gemein, auch innerhalb der beiden Werke werden Verwandtschaften hörbar, so der Zug ins Groteske im zweiten Satz der Sinfonie, der auch in Strauss‘ Burleske herrlich verschmitzt durchdringt und etwas an Strauss‘ drei Jahre nach der Burleske komponierte Tondichtung Till Eulenspiegel erinnert.
Dem extrem schwierig zu bewältigenden Klavierpart von Strauss‘ Burleske widemete sich Francesco Piemontesi. Er spielte die vertrackt spritzigen Läufe mit einer staunend machenden Selbstverständlichkeit, stürzte sich mit Vehemenz in die Kaskaden, entlockte dem Flügel aber auch glitzernde, perlende Klänge, versank in wohliges Gurgeln, stieg wieder auf zu gleissenden Höhen. Die hochkomplexe Rhythmik bereitete weder dem Solisten, noch dem von Daniele Rustioni sicher und mit hörbarer Spielfreude musizierenden Orchester Mühe, das klang alles überaus präzise und doch mit musikantischem Spass ausgeführt. Spannend aufgebaut wurden von Maestro Rustioni die stets erneuten Anläufe der Komposition, einen Kulminationspunkt zu erreichen, immer noch eine Drehung einzubauen, Höhepunkt an Höhepunkt zu setzen, um dann blitzschnell in vermeintliche Ruhe zurückzufallen. Auch wenn sich Strauss selbst in späteren Jahren beinahe verächtlich und verschämt über sein Jugendwerk äusserte, dem Zuhörer bereitet diese Werk stets einen Riesenspass. Nicht zu vergessen die immens wichtige Rolle der Pauke, die immer wieder auf Sturm drängt, manchmal obsiegt dann aber eine Melancholie wie von Tschaikowsky komponiert. Am Ende siegt dann natürlich die Fulminanz, die in eine durch Piemontesi auch physisch humorvoll dargestellte Erschöpfung des Solisten mündete.
Doch die Erschöpfung hielt nicht lange an, erst folgte eine herzliche Umarmung des Solisten mit dem Dirigenten, dann verlangte der begeisterte Applaus natürlich nach einer Zugabe. Die war erstmal eine ganz grosse Überraschung, denn flugs wurde ein zweiter Klaviersessel hingestellt und der Dirigent Daniele Rustioni setzte sich links neben Francesco Piemontesi und zusammen spielten sie Mozart, den 3. Satz aus dessen Klaviersonate zu vier Händen KV 381. Rasant und brillant. Wunderbar. Das war aber nicht das einzige Werk von Mozart, das in diesem Konzert erklang. Begonnen hatte man nämlich mit dem Rondo in A-Dur für Klavier und Orchester, dessen spannende Entstehungs- und Wiederaufführungsgeschichte weiter unten nachzulesen ist. Rustioni dirigierte die relativ lange Orchestereinleitung wunderbar federnd und liess den tänzelnden Charakter herrlich durchschimmern, Piemontesi antwortet mit sorgsam hingetupften Anschlägen, wunderbar sauberen Trillern, zunehmender Virtuosität; die Interpretation versprühte eine einnehmende Frische und Direktheit, zeugte von sorgfältigem gegenseitigem Mitdenken, Mitfühlen, Horchen. Doch damit nicht genug, denn Piemontesi schenkte dem Publikum auch noch einen wunderschön, sanft und sauber gespielten Bach von tief empfundener Innigkeit und Bescheidenheit.
Nach der Pause nahm dann ein Orchester auf der Bühne Platz, das noch größer besetzt war, als das für Strauss‘ Burleske. Aufhorchen ließen gleich zu Beginn die Streicher mit ihrem geschärften Klang. Immer wieder wurde er zwar im ersten Satz durch weichere, melancholischere, idyllischere Kantilenen abgelöst, doch die martialischen, schmerzverzerrten Passagen behielten stets die Oberhand. Schostakowitschs kaum verhohlene Kritik am Regime dringt durch. Der brachiale Marsch, von der Philharmonia Zürich mit atemberaubender Präzision gespielt, verfehlte seine unter die Haut gehende Wirkung nicht. Vom zweiten Satz war schon die Rede, diesem grotesken Gegacker der Holzbläser, das wie eine Persiflage daherkommt, unterbrochen von der verzerrt tanzenden Solovioline (wunderbar gespielt von Hanna Weinmeister, Kniefall des Dirigenten vor ihr beim Schlussapplaus) und der Soloflöte. Der dritte Satz hätte beinahe einen Zwischenapplaus ausgelöst, diese leidvolle Musik, dieses tieftraurige Largo markierte einen krassen Gegensatz zur vorhergehenden grotesken Ländlerseligkeit. Rustioni verstand es dabei, die Spannung bis zum Zerreissen aufrecht zu erhalten und eine Verinnerlichung ohnegleichen zu evozieren. Dann wieder der Schnitt zum Finalsatz, diesem kurzen, derben Heranrollen des (vermeintlichen) Triumphs. Forsch das Tempo, galoppierend, und das Riesenorchester wie eine gewaltige Siegesglocke läuten lassend. Kurz ein Verschnaufen in einer Art vorweggenommener Minimal Music, mit einer kurzen Phrase die sich höher bis in die ganz kurzen Saiten der Harfen schraubt, dann die Rührtrommel die den sich nähernden Marsch ankündigt und sich darauf mit (vom Dirigenten gerade noch genügend kontrollierter) Wucht über die Zuhörer ergiesst.
Gefährlich mitreissende Musik, die sowohl regimefreundlich als auch regimefeindlich und kritisch gehört werden kann. Der Jubel jedenfalls wollte kaum enden. Daniele Rustioni, Chefdirigent an der Opéra de Lyon, in Zürich dirigierte er Madama Butterfly und Cavalleria Rusticama / Bajazzo möchte man jedenfalls immer wieder gerne in Zürich begegnen.
Kaspar Sannemann 6.11.2018