Auch unter dem neuen Intendantenduo Susanne Moser und Philip Bröking wird die schöne Tradition der Komischen Oper fortgesetzt, in jeder Spielzeit eine Kinderoper, meistens sogar eine Uraufführung auf den Spielplan zu setzen, in dieser Saison sollen es sogar derer zwei sein, denn auf die gerade uraufgeführte Pippi Langstrumpf wird noch ein Werk über Mark Twains Tom Sawyer folgen. Franz Wittenbrink, bekannt geworden als Komponist der szenischen Liederabende Sekretärinnen und Männer schrieb die Musik, die zum Teil an die zur Zeit der Entstehung von Pippi Langstrumpf, also vor 75 Jahren, erinnert, die Elemente klassischer Musik, des Jazz und des Rock beinhaltet und durchweg angenehm fern vom breiigen Musicalsound ist, sehr raffiniert in der Orchestrierung und durchweg sehr eingängig. Ebenfalls die Ohren angenehm attackierend ist ein extra eingeführter Geräuschemacher (Daniel Mandolini), der den größten Anteil der Lacher im kindlichen Publikum auf sich vereinen kann.
Die beiden Autorinnen Susanne Lütje, Verfasserin mehrerer Kinderbücher, und Anne X. Weber , die bereits mit dem Komponisten zusammenarbeitete, erfreuen durch eine kindgerechte, aber keineswegs sich bei den Kindern anbiedernde Sprache. Die Voraussetzungen für einen großen Publikumserfolg waren also durchaus gegeben, und er stellte sich auch in großem Maße ein, woran Regisseurin Dagmar Manzel, sonst Primadonna des Hauses in zahlreichen Operetten der Kosky-Zeit, nicht unschuldig war durch eine nie klamaukhafte, sondern stets auf Tempo, auf Kindgerechtes, auf Einfühlsamkeit bedachte Regie, die die Solisten genauso zu führen verstand wie den Kinderchor, der, einstudiert von Dagmar Fiebach, wahrlich Erstaunliches leistete, sei es den optischen oder den akustischen Eindruck betreffend. Kunterbunt war nicht nur die Behausung von Pippi, die Villa Kunterbunt, sondern das gesamte Bühnenbild von Korbinian Schmidt, und auch die Kostüme von Victoria Behr waren farbenprächtig, seien es sie einfarbigen des Kinderchors oder die wild gemusterten nicht nur der weiblichen Solisten.
Viel Phantasie war auch für die Gestaltung der beiden tierischen Protagonisten, Kleiner Onkel, der auch mal mit zwei anstelle seiner vier Beine auskam, und Herr Nilsson, geführt von Dirk Baum, aufgewandt worden, dazu kam noch allerlei Getier der Lüfte und des Meeres. Ob Mensch oder Tier, sie wurden von Choreograph Christoph Jonas geschmackvoll und liebevoll geführt. Kaum auffallen wollte es, dass die Gespielen Pippis, Annika und Tommy, von der einfühlsam Annika verkörpernden erwachsenen Evelyn Steinbrecher und bewundernswert souverän Tommy von dem Jungen Jan Polonek dargestellt und gesungen wurden. Sie konnten durchaus als Geschwisterpaar durchgeh Christi en. Als alte Bekannte aus dem Ensemble grüßte mit flirrender Stimme Christiane Oertel als Lehrerin und als Frau Granberg. Christoph Jonas war ein mimisch wie tänzerisch hochbegabter Kleiner Onkel, sprich der zweigeteilte Gaul, Carsten Sabrowski gab einen stimmgewaltigen Papa Ephraim, Bernd Stempel, auch noch in zwei weiteren Partien beschäftigt, konnte ganz besonders als autoritäre, nur scheinbar um das Wohl des angeblichen Waisenkindes Pippi besorgtes Fräulein Prysselius reüssieren. Männer in Frauenrollen brauchen nie um ihre komische Wirkung besorgt sein. Caren van Oijen war überzeugend Frau Settegren und Polizist. Für den Bau der lustigen Puppen war Dirk Baum verantwortlich. Im Mittelpunkt stand natürlich Devi-Ananda Dahm in der Titelpartie, temperamentvoll, mit durchdringender, hochpräsenter Musicalstimme und die Szene beherrschend, wie es sich für eine Darstellerin dieser Partie mit überirdischen Kräften gehört. Matthew Toogood war sich am Dirigentenpult nicht zu schade, zum Finale auch eine der geschätzt hundert Pippi-Perücken aufzusetzen, führte das Orchester der Komischen Oper straff, die einzelnen Instrumentengruppen zu ihrem Recht kommen lassend und die Sänger aufmerksam begleitend durch Stück und Spätnachmittag. Wer seinem Kind zwischen sechs und zwölf Jahren eine Freude machen will, sollte es in diese Produktion führen.
Und damit kein Ungemach entsteht, wird auf dem Besetzungszettel erklärt, dass man heutzutage nicht mehr König von Taka-Tuka-Land oder eines anderen Staates werden kann, nur weil man ein starker Mann wie Pippis Vater ist.
Ingrid Wanja, 6. November 2022
Franz Wittenbrink: „Pippi Langstrumpf“ / Komische Oper Berlin
Inszenierung: Dagmar Manzel
Besprechung der UA vom 6. November 2022