Wien: „Rodelinda – konzertant“, Georg Friedrich Haendel, (zweite Besprechung)

Wiens traditionsreichstes Opernhaus setzt unter seinem Intendanten Stefan Herheim die Tradition konzertanter Aufführungen von Barockopern erfolgreich fort. Da kam die hier besprochene Produktion gerade recht, muss das nach einer zweijährigen Generalsanierung gerade wiedereröffnete Haus doch auf szenische Aufführungen noch verzichten, weil die Bühnentechnik nicht zeitgerecht fertig geworden ist.

Die aus 1725 stammenden „Rodelinda“ (Untertitel: „Königin der Langobarden“) war Haendels letzter großer Erfolg seines ersten Opernunternehmens „Royal Academy“, bevor der sehr andere Stil von Christopher Pepuschs „The Beggar’s Opera“ den endgültigen Bankrott einer schon wankenden und von Intrigen getroffenen Organisation bewirkte. Der Komponist hatte ein Libretto von Nicola Francesco Haym vertont, in dem es um die üblichen Irrungen und Wirrungen samt Happyend geht: Rodelinda, die um ihren angeblich toten Mann, den vertriebenen König Bertarido, trauert, wird von Grimoaldo umworben, der durch sie auf den verwaisten Thron gelangen will, obwohl er mit Eduige, Bertaridos Schwester, verlobt ist. Natürlich taucht der Verschollene wieder auf, muss sich gegen seine Gegner, u.a. Garibaldo, durchsetzen und gewinnt nach Zweifeln an der Treue und Standhaftigkeit Rodelindas schließlich seine Stellung wieder, weil er Grimoaldo vor einem Attentat des Garibaldo rettet, ob wohl Ersterer doch sein Feind ist. Dies führt dazu, dass Grimoaldo zu Eduige zurückkehrt, zwei glückliche Paare jubeln dürfen und der Bösewicht vertrieben wird.

Das in Lodi (etwa 30 km von Mailand) ansässige Ensemble „La Lira di Orfeo“ hatte zunächst mit Schwierigkeiten zu kämpfen, da die für die Titelrolle vorgesehene Karina Gauvin nach ihrer Ankunft in Wien erkrankte. Giuseppina Bridelli, die die Eduige hätte singen sollen, hatte die Titelrolle glücklicherweise schon studiert und konnte sie somit erstmals dem Publikum präsentieren. Aus Mailand wurde die bekannte Barockspezialistin Sonia Prina eingeflogen, die sich der Rolle der Eduige annahm.

Nach der großen nervlichen Belastung, um eine Absage dieser einzigen Vorstellung zu verhindern, kam es dann zu einer wunderbaren Wiedergabe unter der Gesamtleitung des Ensemblegruenders Raffaele Pe, der auch den Bertarido sang. Dieser Counter ist nicht nur ein begnadeter Musiker, sondern auch einer besten Vertreter dieses Stimmfachs, dem sowohl die attackierenden Momente, als auch sehr zarte Lyrik zur Verfügung stehen (ein Traum z.B. das zärtliche Duett der Eheleute, nachdem alle Zweifel über ihre gegenseitige Liebe ausgeräumt waren). Bridelli ließ nach verständlicherweise etwas zögerlichem Beginn kaum merken, dass sie ihre Rolle erstmals vor Publikum sang und befriedigte mit angenehmer Stimme und sicherer Technik in jeder Hinsicht. Phänomenal Sonia Prina, die eine schillernde Figur auf die Bühne stellte, die den Hörer mit ihren verschiedenen Gemütszuständen mitfiebern ließ. Ganz ausgezeichnete der zweite Counter, der Pole Rafal Tomkiewicz,als Unulfo und heimlicher Freund Bertaridos. Der hochmusikalische Sänger erfreute mit der sehr expressiven Interpretation seiner kostbaren Arien. Den Bertarido verkörperte Luigi Morassi, der mit einem vielversprechenden baritenore Hoffnungen auf die Zukunft machte. Der Bass Mirco Palazzi verlieh als einziger Besitzer einer tiefen Stimme dem intriganten Garibaldo markantes Profil. Das aus achtzehn Instrumentisten bestehende Ensemble spielte unter der Leitung der hervorragenden Konzertmeisterin Elisa Citterio die von Pe und seinen Mitstreitern erarbeitete kritische Ausgabe und hielt die Spannung ohne Einbuße den ganzen Abend durch.

Die fast eine Viertelstunde andauernden berechtigen Beifallsstürme bewirkten eine Wiederholung des das Werk beschließenden musikalischen Jubels.

Eva Pleus, 6. Dezember 2024

Erste Besprechung


Rodelinda
Georg Friedrich Händel

Theater an der Wien

18. November 2024

Musikalische Gesamtleitung: Raffaele Pe
Konzertmeisterin: Elisa Citterio
La Lira di Orfeo