Wuppertal: „Von Thalia geküsst“, Martin Reissmann (2. Premierenbericht)

© Patrick Gawandtka

Eine Wupperetten Revue zur Geschichte des Thalia-Theaters in Elberfeld

Ursprünglich reichten zwei Theater für Barmen- Elberfeld nicht aus. 1906 kam das Thalia- Theater dazu, ein Denkmal seiner Zeit mit drei Rängen und 2000 Plätzen. Bis 1929 kamen Weltstars in das Haus, darunter Sara Berhardt und Elenora Duse.

ZurStadtgründungWuppertals1929war dasThalia-Theater renoviert und eröffnet worden. Rüdiger Riemer, der Theaterdirektor, begrüßte zu Beginn das Publikum, beschwor die ruhmreiche Vergangenheit,  versprach dem Publikum beste Unterhaltung in dem dann in Rot, Gold und Silber strahlenden Haus.

 In den Zeiten dieses Theaterdirektors (1929-1933) fanden bis zu drei Vorstellungen pro Tag statt, Tierdressuren, Operetten, Revues später auch Filmvorführungen. Dessen Geschichte1929-1933 wurde in der von Laura Knoll geschriebenen und jetzt uraufgeführten Wupperetten- Revue thematisiert. Dazu hat sie sie viel Zeit in Stadt- und Pressearchiven recherchiert und mit dem gefundenen Material Buch, Dialoge und ein sehr informatives Programmheft verfasst. Die Revue ist eine Mischung aus tatsächlicher Theatergeschichte und Fiktion und mischt sich mit einer doppelten Liebesgeschichte, zwischen Luise Funke aus Barmen und dem Redakteur des Generalanzeigers Peter Herzenbruch aus Elberfeld sowie zwischen Felix Funke (Bruder von Luise) und Thalia, der Göttin des komischen Theaters. So entstanden Liebesgeschichten, wie sie sich im Tal der Wupper um 1929 abgespielt haben könnten.  

Thalia war zu absinkendem Glitzerschnee und herrlichem Celloquartett im vom Himmel heruntergeschwebt und hatte sich unerkannt unter die Damen des üppigen Chors gemischt. Man hatte sie hier zu Hilfe gerufen. Ohne sie, glaubte man den Ernst des Lebens im Theater nicht bewältigen zu können. Zarte Bande wurden schnell geknüpft, wozu der Bettelstudent Carl Millöckers   musikalisch mit all seinen erotischen Erfahrungen in der ganzen Welt beitrug. Er liebte bekanntlich die Polinnen besonders. Die Wupperetten-Revue hat theaterhistorischen Hintergrund, wurden doch die damaligen Weltstars Vera Schwarz und Walter Zierau auf der Bühne des Opernhauses jetzt sozusagen musikalisch wiederbelebt,  spielerisch und sängerisch am Premierenabend eindrucksvoll dargestellt, wobei Marge aux de Valensart wegen Erkrankung am Abend nur spielen konnte, während die beherzte Rinnat Motiah wenige Stunden zuvor eingesprungen war und die Stimme von Vera Schwarz aus der Kulisse heraus glänzend dazu gesungen hat. Unter Ohrwürmern bekannter und unbekanntester Komponisten der leichten Muse (u. a. Franz von Suppe, Ralph Benatzky, Franz Grothe, Eduard Künnecke, Franz Lehar, Leo Fall) entwickelte sich die Handlung.

Szenisch ein Höhepunkt war die Choreografie mit 20 weißen Regenschirmen zu Benatzkys Eduard Künneckes Regenlied. Das passte zum vorherrschenden sprichwörtlichen klimatischen Tiefdruck im Bergischen Land. Musikalisch eindrucksvoll beeindruckte mit Bläserglissandi, hinreißenden Rhythmen und einfallsreicher Choreografie das « Mädel fahr mit mir Schwebebahn“, welches Lied das Publikum tatsächlich mitgesungen hat, während hinten oben die Schwebebahn die Bühne querte. Als Deutschland nationalsozialistisch wurde, war Franz Lehars „Lippen schweigen“ angesagt. Der Theaterdirektor Riemer musste seine Verträge kündigen, ließ aber den Kopf nicht hängen und emigrierte schlussendlich nach New York. Da haben auch die Edelweißpiraten in weißen Blusen und kurzen schwarzen Hosen, oppositionelle Jugendliche in der Nazi- Zeit, nicht mehr helfen können.

© Patrick Gawandtka

Loyalität und Teamwork galten nichts mehr, Der Chor summt nur noch, die Trompete spielte ein trauriges Solo und die SA marschiert im Hintergrund auf. Thalia verabschiedet sich wieder und wird wieder   zu ihren Göttern hochgezogen. Die folgende Geschichte ist nicht mehr Thema der Revue, stimmt aber nachdenklich. Beim Angriff auf Elberfeld am 23 Juni 1943 brannte das Theater aus. Die 2000 Menschen im Schutzbunker darunter überlebten. Zwar wurde es wieder aufgebaut aber 1967 endgültig abgerissen und durch das neue und elegante Schauspielhaus ersetzt, welches 2013 geschlossen wurde. Die Schalterhalle der Bank, die auf auf dem ehemaligen Thalia Grundstück nach Abriss groß gebaut hatte, wird inzwischen auch nicht mehr gebraucht. „Das Leben ist ein Karussell“ hatte schon Eduard Künneke komponiert, wie wahr. Die Wupperette endete im ´Theaternebel mit „ Auf Wiedersehen“ aus „Wie werde ich reich und glücklich“ von Mischa Spoliansky. Nach frenetischem Applaus mit Bravi und Pfiffen für das gesamte Ensemble – das glänzend aufgelegte Orchester musste noch zweimal aus dem Graben heraus auch ohne Jan M. Horstmann am Pult aufspielen, endete der Abend mit einer großen Premierenfeier im Silberfoyer, zu der sich das Publikum teilweise im Stil der 20er gewandet und ohne jede Gage mitgespielt hatte,

Fazit: Ein sehr unterhaltsamer Abend großen Vergnügens mit Ohrwürmern der leichten Muse, die die unbändige Lust der Banalität schwungvoll über die Rampe transportierte und bezüglich der Theatergeschichte Wuppertals hoffentlich historisch bleibt. Dem ansonsten nicht sehr üppigen Spielplan der Oper Wuppertal sind jedenfalls alle Musenkräfte und Musenküsse zu wünschen.

Johannes Vesper 19. Januar 2025


Von Thalia geküsst
Eine Wupperetten-Revue
mit Musik von Eduard Künneke, Ralph Benatzky, Franz Lehár u. a.
Opernhaus Wuppertal

Premiere 17. Januar 2025

Rebekah Rota Regie
Dirigat: Jan Michael Horstmann
Sinfonieorchester Wuppertal


Weitere Termine: Sa. 8. & So. 16. Februar, 19:30 Uhr, Sa. 1. & Sa. 15. März, 19:30 Uhr, So. 18. Mai, 16 Uhr, Fr. 6., Sa. 14. & Fr. 27. Juni, 19:30 Uhr & So. 13. Juli, 18 Uhr