Filmkritik: „Maria“

Maria Callas ist immer ein Thema, dazu braucht es bei Opernfreunden keinen besonderen Anlass. Sie war und ist die „Assoluta“ der Opernwelt, abgesehen davon, dass sie mit ihrem Privatleben einen festen Platz in der „Yellow Press“ hatte, das Hochkultur-Korsett damit sprengte. Wahrscheinlich ist sie die einzige Opernsängerin der Welt, deren Namen zumindest wirklich jeder kennt.

Zuletzt hat man sich anlässlich ihres 100. Geburtstags (geboren am 2. Dezember 1923 in New York City; gestorben am  16. September 1977 in Paris) an ihr abgearbeitet, mit den üblichen Fernseh-Dokus (oft älteren Datums und immer wieder gezeigt) und Büchern (darunter eine sehr wertvolle Chronik ihres Lebens), aber gerade, weil sie immer Thema war und blieb, ist weniges offen geblieben – es seien denn irgendwelche Spekulationen.

Das hindert nicht daran, sich immer wieder mit der „Callas“ auseinander zu setzen – nun tut es der Chilene Pablo Larraín mit „Maria“, einer europäisch-amerikanischen Co-Produktion. Der knapp 50jährige Regisseur hat mit zwei Bio-Pics von Frauen überdimensionaler Berühmtheit Aufsehen erregt – 2016 spielte Natalie Portman für ihn „Jackie“, 2021 verkörperte Kristen Stewart in „Spencer“ niemand geringeren als Prinzessin Diana. Und nun schlägt die Stunde von Angelina Jolie in der Rolle von „Maria“, der Callas. Es ist heikel, sich an solche Persönlichkeiten heranzuwagen, und man kann Pablo Larraín jedenfalls zugestehen, dass seine diesbezüglichen Filme wenigstens nie peinlich wurden.

Wie gelungen die „Maria“ ist, sei allerdings dahingestellt. Wie im Falle von Jackie Kennedy wählte der Regisseur als Angelpunkt ein Interview in späteren Jahren, wobei das Schicksal der Callas in ihre letzte Lebensphase, die Woche vor ihrem Tod 1977 in Paris, eingebettet ist – mit zahlreichen Rückblenden (oft in Schwarzweiß).

Da lebte die Callas (sie war erst Anfang 50) allein in Paris, Onassis, ihre große Liebe, war 1975 gestorben, ihre Karriere war zu Ende (Opernfreunde pilgerten bis zuletzt zu den Konzerten, die sie bis Anfang der Siebziger Jahre mit Giuseppe di Stefano gegeben hatte), an ihrer Seite waren nur noch eine getreue Haushälterin und ein Butler, die sich laut Drehbuch mit aller Ehrlichkeit und Fürsorge um sie bemühten, obwohl sie sich auch privat, wie eine lästige Diva gerierte.

Man erlebt die Callas gelegentlich in der Öffentlichkeit, meist bei einem Interview, wo sie in geschwollenen Worten versichert, es gäbe kein Leben außerhalb der Oper (weshalb sie angeblich bis zum Ende von einem Comeback geträumt hat), und in Rückblenden, wo man etwa ihre erste Begegnung mit Onassis sieht, wo sie den griechischen Millionär mit ihrer selbstbewussten Coolness faszinierte.

Opernmusik umflort den ganzen Film (und Opernfreunde stellen fest, dass auch Tenorarien ohne Gesang als Soundtrack genommen werden, wenn sie dem Regisseur in der Stimmung passen). Ja, und wenn die Callas singt – dann singt die Callas, und Angelina Jolie macht die Mundbewegungen dazu.

Für das Marketing des Films ist Angelina Jolie zweifellos ein Gewinn, wenn auch ihr einziger „Ruhm“ zuletzt darin bestand, dass die Klatschspalten (mit Zeichen zunehmender Ermüdung) von ihrem Trennungsstreit mit Gatten Brad Pitt zu berichten hatten. Einen richtigen Hit, der Millionen einspielte, hatte Angelina seit gut eineinhalb Jahrzehnten nicht mehr. Also ist die Rolle auch für sie ein Gewinn – wenngleich sie wenig mehr tut, als meist mit tief tragischer Miene herumzusitzen…

Dennoch sieht sie aus wie die Callas, und die Maskenbildner, Friseure und Ausstatter hätten sich alle „Oscars“ verdient. Nun gibt es sehr viele Fotos von der Callas, und sie hat (als sie schlank und schön und auch Jet-Set-weltberühmt wurde) sehr auf ihr Aussehen geachtet und wurde unverwechselbar in Stil und Eleganz. Es ist nicht schwer, sie nachzumachen – ihre charakteristische Schminke mit den stark umrandeten Augen, die Haare, die Kleider, die Hüte. Dazu diverse Kostüme auf der Opernbühne. Und überhaupt – ihr Auftreten, im Leben und in der Oper. Wenn man nicht genau hinsieht, kann man mit gutem Willen glauben, sie sei es.

Dass sie es nicht ist, zeigen die paar Minuten des Nachspanns. Es ist eine Hollywood-Gewohnheit, bei Bio-Pics dann die „echten“ Menschen zu zeigen, um die es gegangen ist. Und die wenigen Filmausschnitte, die man hier sieht, atmen Persönlichkeit und Charisma, denen die Jolie nicht einmal in die Nähe kommt. Sie ist nicht mehr als eine geschminkte Puppe mit der Behauptung, es sei die Callas… Alle Wohlwollenden, die ihre Leistung priesen und schon einen „Oscar“ am Horizont sahen, wurden im Vorfeld enttäuscht – „Maria“ kommt in den „Oscar“-Nominierungen 2025 überhaupt nicht vor. Nicht einmal für die Kostüme…

Und diese Nichtachtung ist auch unverdient, denn wenngleich der Informations-Mehrwert des Films gering ist, so ist er doch mit Respekt und Liebe gestaltet. Dass man einer Frau wie die Callas nicht hinter die Fassade blicken kann… vielleicht ist es gut so. Es geht nichts über Geheimnisse.

Renate Wagner 4. Februar 2025


MARIA

Europa, USA  /  2024
Regie: Pablo Larraín
Mit: Angelina Jolie u.a.
Österreichisches Prädikat: sehenswert

Filmstart: 7. Februar 2025

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