Neben ihrer Funktion als Künstlerische Leiterin der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci ist Dorothee Oberlinger auch als Dirigentin tätig, wie es soeben an der Oper Bonn zu erleben war. Dort stand sie am Pult des Beethoven Orchester Bonn bei Händels Alcina, deren letzte Aufführung am 31. 1. 2025 noch einmal stürmisch bejubelt wurde. Mit ihrer reichen Erfahrung im barocken Genre favorisierte die Dirigentin ein historisches Klangbild mit enormer Frische, spannenden Akzenten und straffen Tempi. Sie ließ es sich auch nicht nehmen, im Finale selbst zu ihrem Instrument, der Blockflöte, zu greifen und mit munteren Klängen zum stimmigen Ausklang der Aufführung beizutragen.
An der Spitze eines exzellenten Ensembles stand Marie Heeschen als Titelheldin – eine blonde Filmschönheit von kühler Aura. Sibylle Gädeke hatte sie in elegante Abendroben gewandet. Mit klangvollem Sopran und starker Intensität im Ausdruck absolvierte sie ihre Arien: „Ah, mio cor“, vom Orchester mit stockenden, wie eingefrorenen Akkorden begleitet, „Ombre pallide“. wo die sechs Tänzer der Aufführung in grauen Mänteln die Zauberin umgeben (Choreografie von Ramses Sigl), „Ma quando tornerai“ mit höhnischen Untertönen und „Mi restano le lagrime“ in existentieller Verzweiflung. Auf ähnlichem Ausnahme-Niveau sang und agierte Charlotte Quadt als androgyner. Ruggiero im Frack. Mit ihrem reich timbrierten, kultivierten Mezzo und energischem Ausdruck sorgte sie in ihren Szenen für beglückende Momente: „Verdi prati“ mit feiner Linie und innigem Gefühl, „Sta nell´ircana“ mit bravourösem Aplomb. Dunkler, strenger und gutturaler Im Timbre klang Anna Alàs I Jovè als Bradamante. Pavel Kudinov als ihr Lehrer Melisso gefiel mit einem resonanten Bass, Stefan Sbonnik als Alcinas General Oronte mit potentem Tenor, der besonders in der zärtlich formulierten Arie „Un momento di contento“ imponierte. Mit munterem Sopran gab Nicole Wacker den jungen Oberto als Hotelpagen, der seinen Vater sucht. Gloria Rehm als Morgana ließ einen zuweilen spitzen Sopran mit greller Höhe hören, überraschte aber mit einer hoch virtuosen Darbietung ihrer Bravour-Nummer „Tornami a vagheggiar“.
RegisseurJens-Daniel Herzog und sein Bühnenbildner Mathis Neidhardt hatten die Handlung in der Lobby eines eleganten Hotels im Art-déco-Stil verortet. Die Drehbühne ermöglicht schnelle Verwandlungen in Treppenhaus, Sauna und Waldstück. Überzeugend war die Personenführung, mit der alle Emotionen glaubhaft transportiert wurden. Mehrfach trugen auch die Tänzer dazu bei, die eine Szene illustrierten oder konterkarierten. Die Produktion, am Ende anhaltend vom Publikum gefeiert, wird ab April 2025 im Staatstheater Nürnberg gezeigt.
Bernd Hoppe, 6. Februar 2025
Alcina
Georg Friedrich Händel
Oper Bonn
Aufführung am 31. Januar 2025
Premiere am 10. November 2024
Inszenierung: Jens-Daniel Herzog
Musikalische Leitung: Dorothee Oberlinger
Beethoven Orchester Bonn