Kopenhagen, Ballett: „The great Gatsby“, Arthur Pita / George Gershwin

Im Englischen gibt’s das Adjektiv “lavish”. Es umschreibt am besten die Augenweide dieser Ausstattung von Gary McCann, da der Ausdruck alles beinhaltet, was das Auge an dieser Produktion von The Great Gatsby zu fesseln vermochte: opulent, großzügig, verschwenderisch, stilvoll, luxuriös, üppig. Ins atmosphärisch fantastisch passende Licht gerückt wurden Bühne und Kostüme durch das Lichtdesign von Jonas Bøgh. Gary McCann hat es verstanden, ein Bühnenbild aus mobilen Elementen und Projektionen, Spiegeldecken und Zwischenvorhängen zu entwerfen, welches die oberflächliche Welt der Schönen und Reichen auf Long Island und in den chicen Clubs Manhattens und das Leben der weniger Privilegierten der Unterschicht im Valley of Ashes in perfektem Art Déco Stil spiegelte, schnelle Szenenwechsel ohne Einbußen an Üppigkeit ermöglichte. Das war atemberaubend. Selbstverständlich fuhren die Luxuskarossen Gatsbys und der Buchanans in echt über die Bühne der Oper Kopenhagen, während die Hintergrund – Projektion die rasanten Fahrten konkretisierten.

Das Bühnenbild blieb der Romanvorlage nichts an Genauigkeit schuldig: Der Swimmingpool mit Luftmatratze und Trichtergrammophon auf dem Cocktailtisch, der Palast Gatsbys, daneben das Sommerhaus von Nick, das grüne Licht aus dem Haus Daisys, die Nachtclubs in New York, die Tankstelle von George und Myrtle und die rauchenden Schornsteine im Valley of Ashes. Und vor allem das Billboard mit der Reklame für den Optiker T.J. Eckleburg mit den unheimlichen, bebrillten Augen, Augen, die nach dem fatalen Autounfall zu leuchten beginnen, sich suchend bewegen, sich auf dem Zwischenvorhang verhundertfachen und mittels Zooms auf ein einziges Auge reduziert werden: Das Auge Gottes – der Spaß ist zu Ende. 

© Camilla Winther

So wird die Geschichte eines der bedeutendsten amerikanischen Romane des 20. Jahrhunderts durch die Ausstattung dermaßen genau geschildert, dass man der Handlung ausgezeichnet folgen kann, auch wenn man weder das Buch gelesen noch dessen Verfilmungen mit Robert Redford oder Leonardo Di Caprio gesehen hat. Zudem erzählt der Choreograf Arthur Pita die Geschichte sehr stringent, bei Rückblenden treten z.B. die Personen aus dem Spiegel in Gatsbys Schlafzimmer.

Vom Bewegungsvokabular her bleibt Pita klassisch, erzählt auch vieles pantomimisch. Einzelne kurze Pas de Deux vermitteln etwas an Tiefgang, an Eintauchen in die entsprechenden seelischen Befindlichkeiten. Für meinen Geschmack hätte es mehr solcher innigeren Momente geben können. Die Gruppentänze der Showgirls mit ihren Federkopfputzen und – bürzeln allerdings waren der Hammer, auch die Feste inklusive Feuerwerk bei Gatsby und das Gruppenballett am Pool vermochten zu begeistern. Interessant auch, wie sensibel Arthur Pita die erwachende Homosexualität Nicks herausgearbeitet hat, selbst der Womanizer Gatsby stieg in dem Moment, wo er ganz unten war, kurz darauf ein. Indem Pita und McCann die Figur der Jordan Baker als androgynen Charakter zeigten (mit deutlich bisexuellen Neigungen), unterstrichen sie das Coming-out Nicks. Die von Pita zusätzlich eingeführte Figur des M. Mouse, eine Art Mickey Mouse mit dem Joker (aus den Batman- Filmen) weiß geschminkter Clownsfratze, sorgte für ein die polierte Oberfläche abgründig konterkarierendes Element.

Mit beeindruckender Eleganz warfen sich die Tänzer des königlichen Balletts in ihre Rollen und verliehen ihren Charakteren eindringlichen Profil: Ryan Tomash als oftmals nachdenklicher, melancholischer Romantiker Gatsby, Caroline Baldwin als zwischen den Männern Tom und Gatsby zerrissene Frau, Alexander Stæger als Frauen- und Menschen verachtender, machohafter Polospieler Tom, Isabell Caroli als seine Geliebte Myrtle Wilson, die so gerne aus dem armseligen Leben mit ihrem Ehemann George ausbrechen möchte. Dieser eifersüchtige, fleißige George mit seinen simplen Ansichten von Gut und Böse wird einfühlsam von Schonan Greve getanzt. Als M. Mouse brilliert Tobias Praetorius und verbreitet gekonnt die abgründige Horror-Stimmung. Elvira Thomson charakterisiert trefflich die androgyne, selbstbewusste Jordan Baker. Zusammengehalten wird das ganze Beziehungsgeflecht von Andreas Kaas, der als Nick Carraway in diese Welt der Schönen und Reichen geworfen wird, davon fasziniert ist, seine homoerotische Seite entdeckt und am Ende als einziger der ehemaligen Freunde Gatsbys Beerdigung beiwohnt. Daisy schaut verschämt kurz vorbei, nachdem alles vorbei ist und der Joker pflanzt die amerikanische Flagge auf Gatsby Grab – denn hier wird zusammen mit Gatsby auch der amerikanische Traum zu Grabe getragen.

© Camilla Winther

Die Musik zu diesem Literatur – Ballett wurde in den Kompositionen von George Gershwin gefunden, welche Frank Moon zum Teil neu arrangiert und den Stücken da und dort einen etwa düstereren Tonfall verliehen hat. Det Kongelige Kapel unter der Leitung von Chanmin Chung verlieh der Musik die mitreißenden Rhythmen, die schmachtende Melancholie, den jazzigen Duktus, Einige Instrumentalisten (Klarinette, Trompete) durften ihre Solostellen gar vor dem Vorhang präsentieren. Da man bereits vor der Vorstellung und während der Pause mit Musik im Music Hall Stil und Jazz berieselt wurde, war man kurz vor einem jazzigen „Overkill“. Die nächtliche Ruhe in diesem Stadtteil Kopenhagens auf dem Weg zum Bus war wohltuend entspannend für die Ohren. Diese Produktion wird aber definitiv als “Eyecatcher” in Erinnerung bleiben.

Kaspar Sannemann, 18. Mai 2025


Den Store Gatsby
(The great Gatsby)
Choreograf: Arthur Pit
Musik: George Gershwin, arrangiert von Frank Moon

Oper Kopenhagen

Aufführung am 15. Mai 2025

Dirigat: Chanmin Chun
Det Kongelige Kapel