Berlin: „Spielzeit 2025/26“, Deutsche Oper

Bei weitem nicht so eintönig und trist grau, wie der Umschlag zur Saisonvorschau 2025/26 vermuten lässt, ist diese selbst, von der Interimsleitung zwischen dem Weggang von Intendant Dietmar Schwarz und dem Amtsantritt von Aviel Cahn als Möglichkeit zum Ausprobieren von Nicht-mehr oder Noch-nicht-Gewohntem gesehen, wie der bisherherige Operndirektor und nunmehr Interimsintendant Christoph Seuferle, Generalmusikdirektor Sir Donald Runnicles und Thomas Fehrle im Vorwort zur Saisonvorschau verkünden. Nicht nur die Spielplangestaltung soll solchen Neuerungen unterworden sein, sondern auch neue Veranstaltungsformate sollen dem Berliner und dem touristischem Publikum angeboten werden.

Es gibt sechs Premieren für Erwachsene und zum ersten Mal die Uraufführung einer Kinderoper im großen Saal, in der am 11. Oktober 2025 mit Detlev Glanerts Die drei Rätsel Kinder nicht nur das Publikum bilden, sondern auch zwei der Hauptpartien singen, den Chor und Teile des Orchesters ausmachen. Die musikalische Leitung hat Dominic Limburg, es inszeniert Brigitte Dethier.

Am 1. November hat Wagners Tristan und Isolde Premiere, in der bereits in Genf gezeigten Inszenierung von Michael Thalheimer, Sir Donald Runnicles dirigiert, es singen Clay Hilley, Elisabeth Teige, Georg Zeppenfeld, Irene Roberts und Thomas Lehman (Premiere 1. November 2025).

Aus Frankfurt stammt die Produktion von Giordanos Fedora in der Regie von Christof Loy, Spezialist für da Verruchte. In den Hauptrollen Vida Mikneviciute und Jonathan Tetelman, dazu Navasard Hakobyan als Siriex. Premiere ist am 27. November 2025.

Weiter geht es im Jahr 2026 und zwar am 25. Januar mit Korngolds Violanta, Regie David Hermann, Dirigent Sir Donald Runnicles, als Verführte Laura Wilde, als Verführer Mihails Culpajevs (Premiere 25. Januar 2026).

Rolando Villazon entführt am 3. März 2026 Rossinis Italiana in Algeri in seine Heimat Mexiko zum Wrestling. Alessandro De Marchi dirigiert, Aigul Akhmetshina ist Isabella, Tommaso Barea Mustafa. Premiere am 8. März 2026.

Aus Glyndebourne kommt am 25. April 2026 Händels Giulio Cesare in Egitto in der Regie von David McVicar. Stefano Montanari wird Vasilisa Berzhanskaya (Cesare), Elena Tsallagova (Cleopatra), Clementine Margaine (Cornelia) aus dem Orchestergraben heraus begleiten. Premiere am 25. April 2026.

Am 20. Juni 2026 hat Lortzings Zar und Zimmermann Premiere in der Regie von Martin G. Berger, der für neue Dialoge und eine eher kämpferische Marie sorgen will, wozu Antonello Manacorda aus dem Orchestergraben die Musik beisteuert. Es singen Artur Garbas (Zar), Nadja Mchantaf (Marie), dazu Peter Kapeller (Peter Iwanow), Patrick Zielke (van Bett). Premiere am 20. Juni 2026.

Auch die Tischlerei wartet wieder mit Uraufführungen und Premieren auf.

Besonders hervorzuheben sind aus dem Konzertprogramm Mahlers Lied von der Erde und Schönbergs Gurrelieder.

Die Jazz-Saison bringt Jazz de Paris, Swingin‘ 26, Chistmas around the World, 100 Miles Ahead, Hymn to Freedom und Scheherazade.

Ihre 400. Vorstellung wird Mozarts Zauberflöte in der Inszenierung von Günter Krämer feiern.

Auffallend ist die beachtliche Zahl von Dirigentennamen, wobei außer dem sich mit der kommenden Spielzeit nach Dresden verabschiedenden Sir Donald Runnicles die ganz großen Namen fehlen. Da steht wohl auch das Ausprobieren neuer Talente im Vordergrund. Auch bei den Sängern sind diejenigen, deretwegen man eine Eintrittskarte kauft, die echten „Stars“, dünn gesät, ganz besonders im italienischen Fach, wo man eher noch in den alten, bewährten Produktionen wie der Tosca von 1969 auf Namen trifft, die vollkommene Authentizität garantieren. Wesentlich besser sieht es in dieser Hinsicht im deutschen Fach aus, und ein Grund dafür, dass ein Tenor aus dem Ensemble mehrere italienische Partien und dazu noch Wagner abdeckt, dürfte sein, dass man es verstanden hat, junge Sänger allmählich und unter behutsamer Führung reifen zu lassen.

Reich ist nach wie vor das Repertoire – eine, wenn nicht die größte Stärke der Deutschen Oper. Von Verdi sind Aida, Rigoletto, Simon Boccanegra, La Traviata, Don Carlo auf dem Spielplan, von Puccini Madama Butterfly, Tosca, Suor Angelica und Gianni Schicchi auf dem Programm (Il Tabarro scheint dem Trittico verschütt gegangen zu sein), La Bohème gibt es diesmal nicht zu Weihnachten, sondern im Hochsommer. Puccinis Zeitgenossen sind mit Fedora, Francesca da Rimini, Andrea Chenier vertreten, Rossini mit Barbiere und Italiana, Richard Strauss gab es in der vergangenen Saison üppig, nun nur Elektra, Wagner triumphiert mit zwei Ringdurchläufen, mit Lohengrin, Parsifal, Holländer, Tannhäuser, vom reichen Britten-Repertoire gibt es in dieser Spielzeit A Midsummer Night’s Dream, Mozart wird etwas stiefmütterlich behandelt, aber Figaro gibt es in der guten alten Friedrich-Inszenierung, und die Zauberflöte ist auch noch da, über die sich Zuschauer wie Sänger gleichermaßen freuen dürften.

Eine neue Einrichtung ist die des „Operntags“, an dem dreizehn Inszenierungen, davon auch neue, zu niedrigen Eintrittspreisen (34 Euro auf allen Plätzen), besucht werden können.

Alles in allem kann dies eine Spielzeit werden, die nicht nur ein notgedrungener Übergang in eine neue Epoche ist, sondern eine durchaus vollwertige, erfreuliche, anregende – warten wir’s ab!

Ingrid Wanja, 23. Mai 2025


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