Aachen: „Hagen“

Richard Wagner

Premiere. 15. September 2019

Besuchte Vorstellung: 22. September 2019

TRAILER

Im Dezember 2017 brachte das Theater an der Wien eine von Constantin Trinks, Tatjana Gürbaca und Bettina Auer erstellte „Ring“-Trilogie heraus, und die Opernwelt fragte sich „Braucht man das?“ Nun macht sich Aachen als erstes deutsches Theater daran, diese Bearbeitung nachzuspielen und startet mit „Hagen“.

Den Rahmen dieser Oper bildet der 2. Akt der „Götterdämmerung“: Nach Hagens Alberich-Traum erleben wir alle Alberich-Szenen aus dem „Rheingold“. Mit dem Fluch geht es in die Pause. Danach setzt die Handlung mit der Gibichungen-Szene aus dem 1. Akt der „Götterdämmerung“ ein. Auf Hagens Wacht folgen die verbleibenden Szenen des 2. Aktes, wobei Hagens Intrige mit dem Speereid ausgeblendet wird. Mit dem Racheterzett endet die Oper.

In Aachen wird noch Siegfrieds Trauermarsch angehängt, was aber die Energie der Handlung verpuffen lässt. Zudem spielt man in Aachen noch einen Prolog: Zur Erda-Musik aus „Rheingold“ rezitiert die Schauspielerin Lore Stefanek als Video-Einspielung ihr „Wie alles war, weiß ich“. Dazu treiben die Nornen Brünnhilde, Siegfried und Hagen an Seilen über die Bühne. Da jeder dieser Figuren eine Oper der Trilogie gewidmet ist, kann man vermuten, dass Regisseur Johannes von Matuschka diesen Prolog als szenische Klammer für alle drei Abende nutzen wird.

Das Regiekonzept von Matuschkas ist solide, aber nicht sensationell, denn er zeigt einen ökologischen „Ring“, in dem sauberes Wasser als natürlich Ressource das Rheingold ist: Die Nibelungen zapfen für Alberich Quellwasser und füllen es in Plastikflaschen ab. Zentrales Bühnenbildelement der Gibichungenhalle ist ein Trinkbrunnen, an dem sich die Mannen und Gibichungen des Wassers als Energy-Drink bedienen. In der Personenführung zeigt von Matuschka glaubhafte und realistische Charaktere.

Bühnenbildnerin Magdalena Gut lässt den ersten Teil des Abends auf einem Podium spielen. Auf die Wellenlandschaft, die aus einer großen Plane gebildet wird, regnet es Plastiktüten herab. Auf den Videoleinwänden, welche das Podest umgeben, sieht man ebenfalls ein verschmutztes Meer, später eine verdorrte Landschaft.

Der zentrale Aspekt dieser Ring-Montage, dass Hagen von Alberich determiniert wird, wird nur in der Eröffnungsszene klar erarbeitet. Später lässt von Matuschka Alberich in der Maske eines der Mannen auftreten, um zu zeigen, dass Hagen permanent überwacht wird. Das ist es aber auch schon. Problematisch bei dieser nicht chronolgischen Erzählweise ist, dass Figuren wie Wotan, Loge und Siegfried die Bühne betreten, ohne dass sie, ihre Vorgeschichte und ihre Funktion im Stück richtig deutlich wird.

Orchestral ist die von GMD Christopher Ward geleitete Aufführung an vielen Stellen enttäuschend: Zwar bietet das Sinfonieorchester Aachen einen kompakten Streicherklang, und auch die Abmischung mit den Bläsern stimmt. Die vielen Soli der Holz- und Blechbläser sind dann aber oft unsauber intoniert, ungenau phrasiert oder zerbröseln im Ungefähren.

Erfreulich ist das Niveau der Sänger: Geradezu sensationell ist der Atvandil Kaspeli vom Staatstheater Karlsruhe als Hagen. Er verfügt über einen kräftigen nachtschwarzen Bass, singt sehr textverständlich und hat selbst in den Mannenrufen, keine Probleme gegen die massierten Blechbläser anzusingen. Gleichwohl merkt man ihm auch starkes komödiantisches Talent an, dass er in dieser Rolle unterdrücken muss.

Als Alberich hat Hrólfur Saemundsson viele starke Momente, aber auch Probleme mit der Textgestaltung. Ronan Collett singt den Gunther mit markantem Bariton, während Irina Popovas Gutrune ungenau und schrill wirkt. Aris Agiris ist mit seiner großen Stimme bei seinem Kurzauftritt als Wotan schlichtweg unterfordert. Einen guten Eindruck macht Hans-Georg Wimmer als grell-quirliger Loge, während Andreas Joost als Mime sehr dünnstimmig rüberkommt und sich oft in Sprechgesang flüchtet.

Starke Auftritte als Siegfried hat Tilman Unger. Der Tenor besitzt über eine jugendlich frische Stimme, artikuliert klar und verfügt über große Kraftreserven. Da freut man sich schon auf die weiteren Abende. Sonja Gornik, welche die Brünnhilde schon in Wiesbaden sang, besitzt in den lyrischen Passagen eine ausdrucksvolle und prägnante Stimme, in den dramatischen Ausbrüchen wirkt ihr Sopran aber angestrengt.

Erfahrene Wagner-Fans werden sich in dieser Ring-Version problemlos zurechtfinden, Anfänger werden hingegen öfters ratlos sein. Das Dilemma ist, dass die Regie den Anfängern zwar ein nachvollziehbares Konzept präsentiert, welches die Wagner-Fans aber schon in ähnlicher Form auf anderen Bühnen erlebt haben dürften.

Rudolf Hermes, 26.9.2019

(c) Wil van Iersel