Premiere am 21.05.2017
Vor allem musikalisch lohnend
Das auf Shakespeares „Sommernachtstraum“ basierende, 1692 uraufgeführte Werk „The Fairy Queen“ von Henry Purcell, dem wohl bedeutendsten englischen Barockkomponisten, gehört zur eigentümlichen Gattung der Semi-Oper, die eine Mischung aus Oper, Schauspiel und Tanzabend darstellt. Unvergessen sind im norddeutschen Raum die Produktionen in Oldenburg (2004) und Bremerhaven (2001), bei denen fulminantes Totaltheater geboten wurde.
Ähnlich geglückt ist in Bremen leider nur die musikalische Seite. Und das ist in erster Linie Olof Boman und den Bremer Philharmonikern zu danken, die aus dem halb hochgefahrenen Orchestergraben musizieren. Die reiche Erfahrung, die Boman mit Barockmusik hat, ist in jedem Takt spürbar. Boman sichert der Musik Purcells Farbenreichtum und Individualität. Die kleine, mit Barockinstrumenten angereicherte Besetzung der Philharmoniker erweist sich dabei als bestens aufgestellt und an allen Pulten sehr kompetent. Allein die schmetternden Trompeten sind für sich schon ein Ereignis.
Das kann man über die Inszenierung von Robert Lehniger leider nicht sagen. Die Bühne ist eine sterile Raumlandschaft und soll eine Art Schlaflabor darstellen. Im Zuschauerraum verteilte Chorsänger werden von den Elfen, die in ihren weißen Anzügen an Klinikpersonal erinnern, auf die Bühne geholt, um in dem experimentellen Institut „The Forest“ ihre geheimen Wünsche ausleben zu können. Titania (Irene Kleinschmidt) und Oberon (Helge Tramsen), Lysander (Christoph Vetter) und Hermia (Meret Mundwiler), Demetrius (Julian Anatol Schneider) und Helena (Lina Hoppe) sowie Puck (Parbet Chugh) und Zettel (Justus Ritter) – sie alle werden von Schauspielern dargestellt, denen viel Action bis hin zur handfesten Prügelei abverlangt wird. Die Gesangspartien sind den Elfen zugeordnet. Iryna Dziashko und Nerita Pokvytyté (Sopran), Hyojong Kim (Tenor), Birger Radde (Bariton), Christoph Heinrich (Bass) sowie John Lattimore (Countertenor) erweisen sich dabei als stilsicheres und weitgehend schlagkräftiges Ensemble. Und der von Alicia Meregaglia einstudierte Chor überzeugt mit einer hervorragenden Leistung.
Regisseur Lehniger arbeitet wieder einmal mit Videos und Live-Kameras – eine Spezialität von ihm. Zudem begeht er die „Todsünde“, an vielen Stellen in die Musik reinquatschen zu lassen. Die textliche Bearbeitung mit Klauern wie „Kein Triangel hat je geangelt“ von Durs Grünbein ist dabei oft grenzwertig. Für Zuschauer, die den „Sommernachtstraum“ nicht kennen, dürfte die eigentliche Handlung nur schwer nachzuvollziehen sein. Und die Posse um Pyramus und Thisbe, die eigentlich von den Handwerkern aufgeführt wird, gerät hier zu einer reichlich albernen Einlage, bei der der Schwanz eines Löwen zur tödlichen Waffe wird. Charme, Erotik, Phantasie und zauberische Stimmung sind Zutaten, die dieser Inszenierung völlig fehlen. Da hilft auch die manchmal aparte Lichtregie von Christian Kemmetmüller nicht mehr viel. Selbst die Choreographie von Emmanuel Obeya beschränkt sich auf unmotivierte, zuckende Bewegungen. Am Ende ist das Kind, um das sich Titania und Oberon streiten, erwachsen. Die „Eltern“ sind alt und gebrechlich geworden, Oberon sitzt sogar im Rollstuhl. Beider Traum scheint es zu sein, sterblich zu werden. „One charming night gives more delight than a hundred lucky days“ ist auf einer Projektion zu lesen. Diese Inszenierung macht die Aussage nicht nachvollziehbar.
Wolfgang Denker, 22.05.2017
Fotos von Jörg Landsberg