Bremen: „Il Tabarro“ & „Gianni Schicchi“

Premiere am 16.04.2017

Hauptsache anders

Giacomo Puccinis „Il Trittico“ besteht aus drei kurzen, sehr unterschiedlichen Opern. Wenn man eine davon weglässt, in diesem Fall die „Suor Angelica“, bleiben immer noch zwei im Charakter gegensätzliche Werke. Regisseur Martin G. Berger hat nun den Versuch unternommen, „Il Tabarro“ und „Gianni Schicchi“ zu einer Einheit zu verschmelzen. Zwingend ist das nicht – Hauptsache anders. Dabei ist der Trick eigentlich gut ausgedacht: Die Personen des „Gianni Schicchi“ sind hier Filmleute, die in einer alten Villa den gesellschaftskritischen Film „Il Tabarro“ drehen. Es ist ein Film im Stil des Film Noir mit deutlichen Anspielungen an „Der Swimmingpool“ (mit Romy Schneider und Alain Delon). Bei den Dreharbeiten stirbt der Geldgeber Buoso Donati, der im „Tabarro“ den Luigi gespielt hat. Damit ist die Brücke zum „Gianni Schicchi“ geschlagen, denn Buono Donati ist der Tote, dessen Testament im „Gianni Schicchi“ gefälscht wird. Dieser Übergang zwischen den ohne Pause gespielten Opern ist glänzend gelungen. Aber um welchen Preis!

Während des gesamten „Tabarro“ ist das Geschehen auf der Bühne nur schemenhaft durch einen Gaze-Vorhang zu sehen. Auf der Bühne (Sarah-Katherina Karl) befindet sich besagter Swimmingpool (den die Sänger wiederholt in voller Montur besteigen). Puccini hat in seiner Musik aber das fließende Wasser der Seine so deutlich komponiert – da ist der Pool keine wirkliche Alternative. Zwei Live-Kameras übertragen vorwiegend die Gesichter der Sänger auf eine Leinwand. Blicke und Gesten haben natürlich große Bedeutung, aber eine ganze Oper nur als Projektion ist ermüdend. Ton und Bild sind dabei immer um Sekundenbruchteile auseinander, was auf Dauer störend ist. Auch die Textanlage versagte anfangs für längere Zeit. Immer wieder wird die Musik unterbrochen, wenn jemand aus dem Film-Team „Cut!“ und „Action!“ ruft. Dass am Ende doch ein wenig Spannung aufkommt, ist vor allem den guten Leistungen von Loren Lang als Michele, Patricia Andress als Giorgetta und Luis Olivares Sandoval als Luigi zu danken, aber nicht dem Regiekonzept.

Lang ist für den alternden Michele eine gute Besetzung, er gestaltet die Partie sehr differenziert und glaubwürdig. Sein Monolog „Nulla! Silenzio!“ besticht durch Intensität. Luis Olivares Sandoval singt den Luigi mit lodernder Leidenschaft und kraftvollem Tenor. Wenn sich seine Stimme mit der von Patricia Andress im Liebesduett vereint, bleiben kaum Wünsche offen. Wohl aber an die musikalische Leitung von Hartmut Keil, denn Puccinis feine, raffinierte Stimmungsmalerei geht in seiner Einheitslautstärke ziemlich unter. Erst im dramatischen Schluss kann Keil überzeugen. Aber vielleicht ist der zwiespältige Eindruck auch ein wenig der Regie anzulasten, denn die Sänger sind oft so ungünstig postiert, dass es zu Lasten der Balance zwischen Stimmen und Orchester geht.

Auch beim „Gianni Schicchi“ führen die Vorstellungen des Regisseurs zu wiederholten Unterbrechungen der Musik. Zwar wird auf Videotechnik hier weitgehend verzichtet und die Handlung spielt sich „normal“ auf der Bühne ab. Aber bei Berger hat Donati seinen Tod nur vorgetäuscht, um die Reaktion seiner Verwandten (hier des Filmteams) zu testen. Der Schauspieler Mateng Pollkläsener tritt als quicklebendiger Donati immer wieder erläuternd auf, auch um Sätze wie „Darf man Zigeunerschnitzel sagen?“ anzubringen. Gleichwohl spielt sich die Komödie turbulent und mit viel Aktion ab, auch wenn man den feineren Witz vermisst. Dafür gibt es Einfälle wie den Arzt Spinelloccio (Wolfgang von Borries) nur über Skype auftreten zu lassen. Und die Schlussworte des Gianni Schicchi werden diesmal Buoso Donati überlassen, allerdings hier recht belanglose ohne den Bezug zu Dante.

Vom Klang und der Dynamik liegt Keil hier besser als beim „Tabarro“. Seine Wiedergabe hat Tempo und Drive. Mit Patrick Zielke steht ein Vollblutkomödiant als Gianni Schicchi auf der Bühne. Seine lässige und spitzbübische Lesart der Partie kann darstellerisch und stimmlich überzeugen. Nerita Pokvytytè singt als Lauretta die Wunschkonzertarie „O mio babbino caro“ mit der ansprechenden Leichtigkeit, die Luis Olivares Sandoval in der Partie des Rinuccio vielleicht etwas fehlt. Loren Lang ist hier der ehrwürdige Simone. Das insgesamt spielfreudige Ensemble ist in beiden Opern eingesetzt, was ja dem Regiekonzept auch entspricht. Hervorzuheben sind Christian-Andreas Engelhardt (Il Tinca und Gherardo), Nathalie Mittelbach (La Frugola und Ciesca) und Birger Radde (Marco). Begeisterter Beifall für die Sänger, für die Regie gab es auch ein paar Buhrufe.

Wolfgang Denker, 17.04.2017

Fotos von Jörg Landsberg