Aufführung am 24.10.15
Gelungene Wiederbelebung in opulenter Umsetzung
Die erste von insgesamt sieben Opern von Karl Goldmark (1830-1915) sollte zugleich auch seine bekannteste werden. Goldmarks Schülerin, die Mezzosopranistin Caroline von Gomperz-Bettelheim (1845-1925), deren Schönheit von einem Freund Goldmarks mit jener der sagenumwobenen „namenlosen“ Königin von Saba verglichen wurde, inspirierte den Komponisten zu dieser Oper. Goldmark schrieb die Titelrolle für seine außerordentlich begabte Schülerin, die sie allerdings nie gesungen hat, denn die Fertigstellung seiner Grand opéra sollte ganze zwölf Jahre in Anspruch nehmen. Die opulente Klangwelt Goldmarks wurde zur Zeit der Uraufführung der Oper als Gegenstück zu den Monumentalgemälden von Hans Makart gesehen. Der Librettist Hermann Salomon Mosenthal (1821-77) verknüpfte eine tragische ménage-à-trois mit dem Besuch der Königin von Saba am Hof von König Salomon, wie man ihn aus dem 1. Buch der Könige 10,1-13 und als Dublette im 2. Buch der Chroniken 9,1-12 nachlesen kann. Freilich gibt es die in der Oper erwähnte Liebesbeziehung in den Quellen des Alten Testamentes nicht und auch der Koran weiß in Sure 27,22ff nichts von einer Liebesbeziehung der sabäischen Königin, die dort immerhin den Namen „Bilqis“ führt.
Die vieraktige Oper wurde nun am 10. März 1875 in der Wiener Hofoper uraufgeführt. Die für einen Mezzo geschriebene Titelpartie übernahm allerdings die hochdramatische Sopranistin Amalie Materna (1844-1918). Der bis in die späten 20er Jahre des 20. Jhd andauernde Erfolg der Oper beruhte einerseits auf dem damals populären orientalischen Kolorit des Werkes als auch der Musik Goldmarks, die sich an den Strömungen von Verdi, Meyerbeer und Wagner orientierte. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verschwand die Oper des jüdischen Komponisten fast gänzlich von den Spielplänen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie allerdings noch regelmäßig in Budapest aufgeführt und im Goldmarkjahr 2015 auch in Freiburg mit großem Erfolg wiederbelebt.
Zum Inhalt: König Salomos Einladung nach Jerusalem folgend, treibt die Königin von Saba dessen Abgesandten Assad zu rasender Verzweiflung. Wähnt sie sich alleine, gewährt sie ihm ihre Zuneigung, leugnet aber in der Öffentlichkeit stets ihn überhaupt zu kennen. Er bricht die Hochzeitsfeier mit Sulamith, der Tochter des Hohepriesters, und wird von König Salomon in die syrische Wüste verbannt. Weder die Königin von Saba noch Sulamith können Salomos Urteil revidieren. Noch einmal begegnet Assad seiner angebeteten Königin, die ihn überreden möchte, mit ihr zu ziehen. Doch er bleibt dieses Mal standhaft. Ein aufkommender Sandsturm setzt ihm heftig zu, seine Kräfte schwinden und er stirbt schließlich in den Armen seiner Angetrauten Sulamith den erlösenden „Liebestod“.
Ob Vamp und femme fatale, die Königin von Saba, und auf der anderen Seite Sulamith als femme fragile. Sie haben natürlich ihre Bühnenverwandten in der verführerischen Carmen und der jungfräulichen Micaëla, aber auch der dämonischen Ortrud und der doch etwas naiv-einfältigen Elsa. In Budapest war nun die Titelpartie der Königin von Saba für Erika Gál mit ihrem feurig-erotischen Mezzosopran wie auf den Leib geschrieben. Mit ihrer Ausstrahlung machte sie den Zauber jener sagenumwobenen Königin begreifbar, der ein zerrissener Assad nur allzu leicht erliegen musste.
Für die äußerst anspruchsvolle Partie des Assad wurde der junge thailändischen Tenor Nuttaporn Thammathi, der die Partie bereits in Freiburg gesungen hatte, nach Budapest geholt. Er verfügt über einen kräftigen Spintotenor, mit dem ihm sowohl die lyrischen Passagen als auch die dramatischen Ausbrüche bestens gelangen. Selbstzerstörerisch wird er zwischen zwei Frauen voller Gegensätze aufgerieben. Eszter Sümegi reihte mit der Sulamith eine weitere große Rolle an ihre großen Erfolge im deutschen Fach, ob als Tannhäuser Elisabeth oder Elsa, als Arabella, Marschallin oder Kaiserin. Sie verfügt über einen schlanken, höhensicheren ausdrucksstarken und zugleich glockenreinen Sopran voller warmer Melismen. In ihrer Verzweiflung als ungeliebte Nebenbuhlerin neben der Königin von Saba gleicht sie ein wenig der Sklavin Liù, eine Rolle, die die sympathische Sängerin bereits zu Beginn ihrer Karriere erfolgreich verkörpert hatte. Besonders gelobt werden müssen auch die wunderschön gesungenen Vokalisen von Katalin Töreky als Astaroth, der Sklavin der Königin von Saba. Zoltán Kelemen war ein respektabler König Salomon mit sonorem Bariton. Péter Fried erfüllte mit solidem Bass die Rolle des Hohepriesters. Róbert Rezsnyák als Palastaufseher Baal-Hanan mit kräftigem Bariton und Ferenc Cserhalmi als Tempelwächter mit profundem Bass ergänzten das Ensemble zur höchsten Zufriedenheit.
Dem präzise und außergewöhnlich homogen singenden Chor der Ungarischen Staatsoper war dieses Mal ein großer Anteil am Erfolg der Premiere zuzuschreiben, denn er hatte gewaltige Passagen zu bewältigen, auf die er aber bestens von Kálmán Strausz einstudiert war. János Kovács gelang es am Pult des Orchesters der Ungarischen Staatsoper den Farbenreichtum und die Opulenz der Musik Goldmarks zum schillern zu bringen. Er war den Sängern dabei ein einfühlsamer Liedbegleiter bei jenen Passagen, die bei Goldmark wohl ein wenig von Schubert und Schumann inspiriert worden zu sein scheinen, und anderen dramatischen, die vom pathetischen Anstrich eines Tristans zeugen. Csaba Káel inszenierte die Oper in monumentalen Tableaus. Éva Szendrényi hat für den spektakulären Auftritt der Königin von Saba samt tanzender Entourage in exotischen Kostümen von Anikó Németh eine große Hollywoodtreppe auf die Bühne gestellt. Einige Säulen markieren den Palast König Salomos aber auch den Tempel. dient. Anders als in Freiburg wurden in Budapest die Balletteinlagen nicht gestrichen. Die von Marianna Venekei dazu entworfene Choreographie von Schleiertänzen wirkte aber auf mich eher wie eine Verlegenheitslösung, da sie für den weiteren Verlauf der Handlung eigentlich entbehrlich waren. Aus den bunten orientalischen Kostümen hebt sich das weiße Hochzeitskleid von Sulamith effektvoll ab. Sie wirkt damit unschuldig und rein wie eine Heilige im Gegensatz zur verführerischen, lasziv gekleideten Königin.
Dennoch folgt sie Assad in die syrische Wüste in schwarzer Trauerkleidung, passend für dessen „Liebestod“. Die Charaktere der Protagonisten hat der Regisseur penibel heraus gearbeitet und dabei nichts dem Zufall überlassen. Dass sein Assad manchmal etwas zu manisch agiert, dürfte noch ein Relikt der Freiburger Inszenierung gewesen sein. Insgesamt hat die Budapester Inszenierung aber wieder einen großen Erfolg eingefahren. Die Oper Goldmarks gewinnt in der heutigen Zeit auch dadurch einen besonderen Stellenwert, wenn man bedenkt, dass der Name Assad aus dem Arabischen kommt und „Löwe“ (al-asad) bedeutet. Hatte denn der jüdische Komponist Goldmark damit nicht in weiser Voraussicht die heutige Situation im Nahen Osten mit den verfeindeten Nachfahren der beiden Söhne Abrahams, der Halbbrüder Ismail und Isaak, abbilden wollen?
Die Aufführung in Budapest wurde jedenfalls vom Publikum mit starkem Applaus und zahlreichen Bravorufen bedacht.
Fotocredits: Zsófia Pályi