Athen: „Falstaff“, Giuseppe Verdi

Die Nationaloper unter Giorgos Koumendakis möchte erklärtermaßen raus aus dem Museum. Die Opern sollen mit frischem Blick, von heute aus betrachtet werden. Mit Jacques Offenbachs „Les contes d’Hoffmann“ wurde dieses Ziel vor einigen Wochen wahrlich erreicht. Der Regisseur Krzysztof Warlikowski bot einen radikal zeitgenössischen Blick auf das Werk, der auch dessen Fragmentierung produktiv machte. Mit der Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „Falstaff“ steht man nun mit einem Fuß wieder im Museum. Stephen Langridges Zugriff schaut eher routiniert denn umstürzlerisch aus. Er schafft eine Aufführung, welche die Geschichte ganz flott erzählt, aber das zeitweise Aufkommen gepflegter Langeweile nicht vermeiden kann.

Der Brite siedelt das Geschehen der Oper im England der Zwischenkriegszeit an, in den 1930er Jahren. Es ist eine Zeit der sozialen und politischen Verwerfungen, wovon man aber in der Inszenierung nicht wirklich etwas spürt. Die Ausstattung von George Souglides bietet ein wandelbares Bühnenbild mit schön bis putzig anzuschauenden Räumen. Im Hause Ford befindet sich, das ist etwas Neues fürwahr, ein Raum mit Barren für häusliche Turnübungen. Alles ist zweckdienlich, aber wenig überraschend. Und natürlich darf ein Wäschekorb im Finale des zweiten Akts nicht fehlen.

© Valeria Isaeva

Die Personenführung bietet ebenfalls kaum überraschende Momente. Von Slapstick bis hin zu großen Operngesten ist alles dabei. Man darf der Inszenierung von Stephen Langridge aber zugutehalten, dass sie für einen guten Ablauf und einige Lacher sorgt. Das interessante Verhältnis zwischen Falstaff und der ihn umgebenden Gesellschaft unterzieht sie leider keiner näheren Betrachtung. Immerhin, Spielfreude ist auf der Bühne zu sehen – wenn sie auch bisweilen etwas hölzern ausfällt, wie im Falle des Falstaffinterpreten.

Pier Giorgio Morandi hat das Orchester der Nationaloper ganz gut unter Kontrolle. Ein paar rhythmische Ungenauigkeiten fallen nicht stärker ins Gewicht. Chor und Kinderchor – Einstudierung: Agathangelos Georgakatos und Konstantina Pitsiakou – erbringen gute Leistungen. Dimitri Platanias als Falstaff hat starke Momente, wenn er mit Stimmkraft imponieren kann. Man würde sich aber öfters einen weicheren Tonansatz und mehr stimmliche Nuancen wünschen. Er bemüht sich aber mehr als auch schon um Differenzierung – und er bewegt sich mehr auf der Bühne.

Das Ehepaar Ford ist mit Tassis Christoyannis und Cellia Costea gut besetzt. Er braucht etwas Zeit um zur gewohnten Form aufzulaufen, sie klingt etwas überreif für die Rolle. Während Chrysanthi Spitadi als Meg Page eher blass bleibt, beeindruckt Enkelejda Shkoza als Quickly mit satter Tiefe und gutem Ausdruck. Beim jungen Liebespaar hinterlässt Vassilis Kavayas als Fenton mit wohlklingendem Tenor einen stärkeren Eindruck als Marilena Striftobola als Nannetta. Gut besetzt sind in kleineren Rollen Nicholas Stefanou als Dr. Caius, Yannis Kalyvas als Bardolfo sowie Yanni Yannissis als Pistola.

Es ist im Ganzen eine gute „Falstaff“-Aufführung, die unterhält, ohne viel Aussage zu liefern. Das Publikum zeigt sich sehr angetan und spendet reichlich Beifall, mit Bravorufen für die Sänger der Hauptrollen.

Ingo Starz, 9. Februar 2023

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)


Falstaff

Giuseppe Verdi

Nationaloper Athen

12. Februar 2023

Regie: Stephen Langridges

Dirigat: Pier Giorgio Morandi

Orchester der Nationaloper Athen