Broadway und Thespis-Karren
22.6.13
Theater auf dem Theater ist immer ein Spaß auch für die Darsteller, die dabei selbstironisch aus dem (ihrem) Bühnenleben schöpfen können. „Kiss Me, Kate“ von Samuel und Bella Spewack mit den Songs von Cole Porter ist so ein Stück, das auf mehreren Ebenen den Protagonisten wenigstens zwei Chancen gibt, zu brillieren: im eingebundenen Shakespeare´schen Original und der witzigen doppelten Rahmenhandlung. Das gelang dem Ensemble des Landestheaters Detmold in der Inszenierung von Peter Rein, die am vergangenen Samstagabend fast 300 Zuschauer ins Remscheider Teo Otto Theater lockte.
Nach 65 Jahren ist „Kiss me, Kate“ noch immer ein Publikumsmagnet für die große Bühne. Peter Rein bot bunten Theater-Genuß: von Bodo Demelius entworfene prachtvolle Kostüme (ein Augenschmaus) und sein einfallsreiches Bühnenbild mit Glimmervorhang und Thespiskarren, großes Ensemble mit Ballett und Chor – wimmelndes Bühnenleben, wie es das Stück verlangt. Die Saxophon-verstärkten Bergischen Symphoniker in kleiner Besetzung unter Mathias Mönius bewiesen sich erneut als veritables Jazz- und Unterhaltungsorchester. Amüsante Petitessen von eigenem Wert waren die für die Umbaupausen eingeschobenen Clownerien vor dem prächtigen Zwischenvorhang.
Ein weiterer Garant für beste Unterhaltung ist die deutsche Text-Fassung des Kabarettisten Günter Neumann (Katakombe, Die Insulaner, Stachelschweine, Wühlmäuse) zu der verzwickt komischen Handlung zwischen Globe und Off-Broadway.
Die Aufzählung der Hits, mit denen Cole Porters pointierte Bearbeitung von Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ seit ihrer Broadway-Premiere 1948 wuchern kann, reiht unsterbliche Evergreens aneinander, die seither wirklich die Spatzen von den Dächern pfeifen. „Ich bin dein (So in Love)“ rührt immer wieder an, „Premierenfieber (Another Op´nin´)“ ist ungezählte Male zitiert worden, der Walzer „Wunderbar“ ein (hier parodistisch gelungener) Ohrwurm, den man summend mit nach Hause nimmt und „Von Venedig nach Venedig (We Open in Venice)“ geht in die Beine. „Wo ist die liebestolle Zeit?“ wurde wie seine anderen Songs zum Triumph des sympathischen Andreas Jören in hervorragender Ironie als Fred Graham/Petruccio. Die temperamentvolle Silke Dubilier an seiner Seite gab mit Verve und schönem Timbre eine charmant kratzbürstige Lilli Vanessi/Katharina, deren „Kampf dem Mann“ ihr ebenso auf den Leib geschrieben war, wie die Erkenntnis der großen Liebe zu Ex-Ehemann Fred, mit dem sie schließlich wieder zusammenfindet.
Auch in der „zweiten Reihe“ gab es erste Klasse: Lois Lane/Bianca (eine Orchidee: Peti van der Velde) und Bill Calhoun/Lucentio (Patrick A. Stamme). Peti van der Veldes „Aber treu bin ich…“ auf improvisierter Show-Treppe mit gekonnter Burlesque a la Dita von Teese war ein Bonbon. Das fingerschnippende „It´s darn too hot“ („Viel zu heiß“) wurde in der Choreographie von Richard Lowe zur mitreißenden, atemberaubend wirbelnden Ensemble-Tanznummer (je ein Extra-Sternchen für Lemuel Pitts und Stevie Taylor), und das „Ehe-Quartett“ begeisterte als glitzernde Show-Nummer. Seit Wolfgang Neuss/Wolfgang Müller wartet man bei jeder „Kate“gespannt auf „Schlag nach bei Shakespeare (Brush Up Your Shakespeare)“ mit dem geflügelten Refrain. Die beiden Filmkomiker haben mit ihrer Interpretation kaum mehr zu erreichende Maßstäbe gesetzt. Der Song war hier etwas gequält plaziert, aber Manfred Ohnoutka und Kevin Dickmann konnten trotz etwas schwacher Darstellung der beiden bildungsbeflissenen Gangster Sympathie ernten.
Alles in allem ein vergnüglicher, entspannter Musical-Abend mit etlichen Höhepunkten, der mit reichem Applaus belohnt wurde.
Frank Becker
Dank an: Musenblätter.de