Premiere: 18.10.2019, besuchte Vorstellung: 01.11.2019
Eine lange Entstehungsgeschichte kann Samson et Dalila von Camille Saint-Saens aufweisen. Von der ersten Idee 1867 aus dem historischen Stoff ein Oratorium zu machen bis zur Uraufführung am 02. Dezember 1877 vergingen rund 10 Jahre, nicht zuletzt auch weil das Stück seinerzeit in Frankreich als nicht aufführbar galt. So war es Franz Liszt der sich auch immer wieder für den deutsch-französischen Kulturaustausch stark machte, der seinem Freund Saint-Saens 1975 eine Premiere am Weimarer Hoftheater in Aussicht stellte. Uraufgeführt wurde die Oper dort dann zwei Jahre später in deutscher Sprache, die erste französisch-sprachige Aufführung fand 1878 in Brüssel statt, allerdings nur konzertant.
Erst dreizehn Jahre nach dem Erfolg in Weimar war Samson et Dalila im Jahr 1890 zum ersten Mal auf französischem Boden zu erleben. Die Handlung bezieht sich auf das Buch der Richter (Kapitel 13 – 16) aus dem Alten Testament. Die Hebräer befinden sich in der Gefangenschaft der Philister. Unter der Führerschaft des von Gott gesegneten unbesiegbaren Samson beginnt die Revolte, die schließlich auch zum Sieg führt. Doch kaum haben die Machtverhältnisse gewechselt, zeigen sich nun die Hebräer nicht gerade von ihrer besten Seite. Unter die ausufernd feiernde Menge mischt sich Dalila, eine Dame, die Samson seinerzeit trotz großer Liebe verließ, um seiner Bestimmung nachzukommen. Geschickt umgarnt sie ihn und lockt Samson in eine Falle, um hinter das Geheimnis seiner Unbesiegbarkeit zu kommen. Einen Koffer voller Geld der Philister weist sie anfangs zurück, ihr geht es um die persönliche Rache an Samson. Dies gelingt und Samson findet sich geschoren und geblendet in Gefangenschaft wieder. Während sein Volk Samsons Schwäche beklagt feiern die Philister ihren Sieg. Hierbei verhöhnen sie den Gefangenen, der aber nochmal Jehova um Beistand bittet und seine einstige Kraft für einen letzten vernichtenden Schlag beschwört.
In der Inszenierung von Joan Anton Rechi befinden wir uns nicht in einer historischen Zeit, sondern in einer zeitlosen Gegenwart. Hierdurch soll gezeigt werden, „dass die Konflikte, die in der Oper geschildert werden, überall und zu jeder Zeit auf der Welt stattgefunden haben und stattfinden.“, so der Regisseur im sehr empfehlenswerten Programmheft zu dieser Produktion. Die Philister werden als moderne Heuschrecken-Kapitalisten dargestellt, die von ihrem Gott, dem Geld regiert werden. Die Hebräer sind dagegen Bergarbeiter, die in den Goldminen der Philister für einen Hungerlohn arbeiten müssen. Gleich zu Beginn der Oper, fährt der Chor eindrucksvoll aus dem Bergwerk hoch ans Tageslicht. Hierbei zeigt sich auch gleich, dass die Oper ursprünglich als Oratorium geplant war, denn der wunderschöne Choral der hierbei erklingt, ist für eine Oper doch eher ungewöhnlich. Allgemein ist der Chor besonders im ersten und dritten Akt stark vertreten und so etwas wie die vierte Hauptperson des Abends. Der zweite Akt gestaltet sich dagegen fast wie eine kleine Kammeroper und konzentriert sich auf das Geschehen zwischen Samson, Dalila und dem Oberpriester des Dagon. Absolut sehens- wie auch hörenswert wird die Oper in Düsseldorf durch die gewählte Besetzung. Ramona Zaharia sing Dalila, bereits seit 2014/15 Ensemblemitglied der Deutschen Oper am Rhein, die nicht zuletzt durch die Rolle der Carmen noch größere internationale Aufmerksamkeit erlangte.
Im Herbst 2020 wird sie mit dieser Rolle auch an die New Yorker MET zurückkehren wo sie in der Spielzeit 2018/19 ihr Debüt als Maddalena in Verdis Rigoletto gab. Doch auch als Dalila überzeugt sie mit einem schönen Mezzosopran und einem beeindruckenden Stimmvolumen bis in die höchsten Höhen und tiefsten Tiefen. Nicht nur die bekannte Arie „Mon coeur s’ouvre a ta voix“ ist hierbei ein Highlight des Abends, nein sie zieht den Zuschauer insbesondere im zweiten Akt komplett in den Bann. Großartig auch der schwedische Tenor Michael Weinius, der stimmlich und darstellerisch bravourös mit der „Femme Fatale“ mithält und gegen Ende des dritten Aktes nochmal zur Höchstform aufläuft. Als Oberpriester des Dagon weiß auch Simon Neal zu gefallen, der fast schon diabolisch die Stippen zieht.
Zwischen dem zweiten und dritten Akt, zeigt uns Joan Anton Rechi wie Samson seiner Haarpracht entledigt wird und ihm durch den Oberpriester die Augen ausgestochen werden, für das Verständnis der Handlung keine schlechte Idee, finden bei Samson et Dalila doch die wirklich wichtigen Entwicklungen laut Libretto oft vor oder zwischen den Akten statt.
Die Düsseldorfer Symphoniker runden den musikalischen Part unter der musikalischen Leitung von Marie Jacquot perfekt ab. Die Kostüme von Mercè Paloma sind schlicht und passend, was man auch über die Bühne von Gabriel Insignares sagen kann. Er verzichtet auf unnötigen Ballast ohne dass der Zuschauer das Gefühl hat, hier würde etwas fehlen. Wenig kann eben auch mal mehr sein. Alles in allem liefert Samson et Dalila rund 2 ½ Stunden musikalischen Hochgenuss. Die Inszenierung überträgt die Handlung geschickt in die Gegenwart. Hiervon wird man in einigen Jahren vielleicht vieles wieder vergessen haben, aber für den Moment ist es doch eine sehr solide Arbeit des Kreativteams. Prädikat: Besuchsempfehlung.
Markus Lamers, 03.11.2019
Bilder: © Jochen Quast