Premiere: 25.05.2019
Pique Dame in Hollywood
Beginnen möchte ich heute mit einem Zitat von Lydia Andrea Hartl aus dem Programmheft: „Wie tragisch fängt alles im Sommergarten an, was so tragisch im Winter enden muss: drei Tote und kein Gewinner. Dazwischen liegt viel verspielte Zeit, verspieltes Glück“. So treffend wie dies die Handlung der Oper auch zusammenfassen mag, für die gestrige Premiere in Düsseldorf kann man dieses Zitat nicht übertragen, denn auch wenn die Oper mit rund 3 ½ Stunden recht lang ausgefallen ist, verschenkte Zeit war dies sicher nicht. Und auch einen Gewinner gab es am gestrigen Abend, den Zuschauer. Dieser erlebte nämlich eine gelungene Operninszenierung auf musikalisch sehr hohem Niveau.
Die Handlung wurde hierbei durch die gefragte Regisseurin Lydia Steier bei ihrer ersten Arbeit für die Deutsche Oper am Rhein vom St. Petersburg zum Ende des 18. Jahrhunderts ins Hollywood der 1950iger Jahre verlegt. Ansatz hierbei sind einige mehr oder minder schnell erkennbaren Parallelen dieser beiden Gesellschaften, die im erwähnten Programmheft auch ausführlicher erläutert werden. Insbesondere die Vergleiche mit dem Film „Sunset Boulevard“ scheinen hier durchaus logisch gewählt zu sein, nicht nur im Hinblick auf die Rollen der Gräfin in Tschaikowskys Oper und Norma Desmond im Film. So beginnt auch die Oper folgerichtig am Pool, wenngleich auch eher feiernd statt tödlich. Lediglich Herrmann ist bereits hier unglücklich und scheint erste Vorahnungen seines späteren Schicksals zu haben. Fehlen darf es auch nicht an einem Hauch homoerotischer Liebe zwischen einem Statisten in recht enger Badebekleidung und dem reichen und durchaus deutlich älteren Tschekalinski (überzeugend durch Johannes Preißinger verkörpert), sicherlich auch eine Anspielung auf Tschaikowskys durchaus schwieriges Leben diesbezüglich. Wenn dann beispielsweise eine Gruppe als Cowboys verkleideter Kinder spielerisch gelobt, das Vaterland zu verteidigen und hierbei von der großen Zarin singt, stößt so eine Ortsverlagerung natürlich auch schnell an ihre Grenzen. Dennoch ist dieser Orts- und Zeitwechsel hier als durchaus gelungen zu bewerten, zeigt er ja auch, dass die Geschichte recht universell daherkommt und in Pique Dame mehr als nur eine alte russische Geschichte steckt.
Die Kostüme von Ursula Kudrna sind bei der Poolparty deutlich den 50iger Jahren entsprungen, im Verlauf des weiteren Abends aber auch recht zeitlos gestaltet. Beim großen Maskenball in der dritten Szene gibt es hier zudem viel zu entdecken. Der durchaus aufwendige Bühnenraum stammt von
Bärbl Hohmann. Recht geschickt werden hierbei vor der Pause ein paar Vorhänge eingesetzt, so dass man aus der großen Poolparty schnell in Lisas Zimmerwechseln kann und wieder zurück zum großen Maskenball. Auch das Schlafgemach der Gräfin entsteht so im vierten Bild schnell an einem Platz, an dem kurz zuvor noch gefeiert wurde. Nach der Pause bestimmt eine große Brücke das Bild, die gleichzeitig als Übergang ins Jenseits nach dem Tode gedeutet werden kann. So erscheint nicht nur der Geist der toten Gräfin auf diese Art, um Hermann im Traum die drei gewinnbringenden Karten zu verraten, auch Lisa stürzt sich von dieser Brücke in den Tod.
Ganz besonders punkten kann die Premiere aber auf der musikalischen Seite. Die Düsseldorfer Symphoniker spielen unter der Leitung des in Taschkent (Usbekistan) geborenen jungen Aziz Shokhakimov absolut präzise und überzeugend. Die emotionale Musik hilft auch dabei, Hermanns Weg in den Wahnsinn geschickt zu untermalen. In dieser Rolle überzeugt der russische Tenor Sergey Polyakov auf ganzer Linie, man leidet als Zuschauer förmlich mit, wie Hermann immer weiter den Verstand verliert. Als weiblicher Gegenpart agiert Elisabet Strid als Lisa mit einem Sopran, der seinesgleichen sucht. Die Idee der Regisseurin, dass beide am Ende im Tode doch noch zueinander zu finden, beschert den beiden Akteuren zudem ein schönes Schlussbild und einen wohlverdienten Extraapplaus. So viele Bravo-Rufe des Publikums wie für diese beiden Darsteller erlebt man auch bei Premieren in Düsseldorf nicht all zu oft. Weitere Pluspunkte sammelt die Produktion, da viele Darsteller eingesetzt werden, die russisch bereits durch ihre Muttersprache beherrschen.
Sei es Alexander Krasnov als Graf Tomski, Dmitry Lavrov als Fürst Jeletzki, Maria Kataeva als Polina oder Daria Muromskaia als Mascha, die Produktion ist bis in die letzte Rolle hervorragend besetzt. Für die Partie der Gräfin konnte Hanna Schwarz verpflichtet werden, ein weiterer wenn auch zu erwartender Glücksgriff. Durch ihre enorme Bühnenpräsenz beherrscht sie als Grand Dame teilweise nur durch Ihren Auftritt das gesamte Geschehen auf der Bühne und man nimmt ihr die große Diva in jeder Sekunde ab. Eindrucksvoll auch ihr sanfter Tod vor der Pause, ebenso ihr Auftritt als Geist nach der Pause. An ihren enormen gesanglichen Qualitäten sollten ohnehin keinerlei Zweifel bestehen, das ist ganz große Opernkunst. Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle einmal mehr der Opernchor unter der Leitung von Gerhard Michalski, der an diesem Abend auch wieder stark besetzt ist.
So gab es am Ende für das Kreativteam und alle beteiligten Darsteller großen Applaus. Als dann beim Verlassen des Opernhauses gegen 23 Uhr die ersten großen Feuerwerkskörper anlässlich des Japan-Tages in Düsseldorf den Himmel erhellten, hätte dies nach einem solchen Opernabend gar nicht passender sein können, schien es doch fast so, als gelten auch diese speziell für Pique Dame.
Markus Lamers, 26.05.2019
Bilder © Hans-Jörg Michel
Spielzeit 2019/20
In dieser Woche lud die Deutsche Oper am Rhein zur Präsentation der neuen Spielzeit ins Düsseldorfer Opernhaus ein. Und wieder einmal verspricht das Programm an der Rheinoper recht interessant zu werden mit zehn Opernpremieren, darunter sechs Neuproduktionen sowie 19 weiteren Werken aus dem umfangreichen Repertoire des Hauses. Auch der komplette Ring-Zyklus steht wieder auf dem Spielplan, sowohl in Düsseldorf wie auch in Duisburg, hier dann hoffentlich auch erstmals szenisch inszeniert.
Beginnen wir mit dem Opernhaus Düsseldorf, hier beginnt die Spielzeit am 20. September 2019 mit der Familienoper Geisterritter von James Reynolds, ein sehr sehenswertes Werk aus der Kooperation „Junge Opern Rhein-Ruhr“ zu der man sich mit den Opernhäusern Dortmund und Bonn zusammengeschlossen hat und hiermit Großartiges leistet. Die gelungene Inszenierung stammt von Eric Petersen, diese Produktion sollte man nicht verpassen. Die erste große Neuproduktion steht am 18. Oktober 2019 auf dem Spielplan. Mit Samson et Dalila kommt Camille Saint-Saens‘ französische Oper über den Freiheitskampf der in Sklaverei gefallenen Hebräer und ihren verführbaren Helden Samson auf die Bühne, übrigens zum ersten Mal seit der Gründung der Oper am Rhein im Jahr 1956. Die Regie übernimmt Joan Anton Rechi, der an diesem Hause bereits die sehenswerte Madame Butterfly inszeniert hat. Wer diese Aufführung noch nicht gesehen hat, die Wiederaufnahme erfolgt hier am 15. Januar 2020 in Düsseldorf:
Aber zurück zu den Neuinszenierungen, kurz vor Weihnachten wird Rolando Villazón nach Don Pasquale zum zweiten Mal die Regie in Düsseldorf übernehmen. Gezeigt wird ab dem 18. Dezember 2019 I puritani von Vincenzo Bellini. Nach der Übernahmepremiere von Die Fledermaus am 25. Januar 2020 steht mit Alcina von Georg Friedrich Händel die nächste „echte“ Premiere auf dem Spielplan. Für den zeittypischen Orchesterklang sorgt hier die Neue Düsseldorfer Hofmusik unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Axel Kober, die Inszenierung übernimmt die niederländische Regisseurin Lotte de Beer. Die Premiere ist am 14. Februar 2020. Als vierte Neuproduktion im Opernhaus Düsseldorf feiert Macbeth von Giuseppe Verdi am 29. Mai 2020 Premiere. In der Koproduktion mit der Opera Vlaanderen übernimmt der gefragte Regisseur Michael Thalheimer die Inszenierung.
Als große Neuproduktion in Duisburg inszeniert Philipp Westerbarkei am 08. November 2019 Giacomo Puccinis La Bohème im Opernhaus. Die musikalische Leitung liegt hier bei Antonino Fogliani in den passenden Händen. Zuvor findet im Ruhrgebiet zum Spielzeitauftakt am 28. September 2019 die Übernahmepremiere von Pique Dame statt, jener Inszenierung von Lydia Steier die in wenigen Tagen ihre Premiere in Düsseldorf feiern wird. Als weitere Übernahme folgt am 01. Februar 2020 Roméo et Juliette von Charles Gounod. Auch die Plattform Regie „Young Directors“ präsentiert einen neuen Doppelabend bestehend aus Der Triumph der Zeit und der Desillusion von Georg Friedrich Händel und Der Kaiser von Atlantis von Viktor Ullmann, die Premiere wird am 19. April 2020 im Theater Duisburg stattfinden. Die Inszenierungen übernehmen die jungen Spielleiterinnen Esther Mertel und Ilaria Lanzino, ein lobenswertes Projekt praktischer Nachwuchsförderung.
Aus den erwähnten 19 Wiederaufnahmen sei vielleicht für Düsseldorf besonders auf die längere Zeit nicht mehr gespielten Werke La Fille du Régiment von Gaetano Donozetti oder Salome von Richard Strauss hingewiesen. Auch die wunderbare Familienoper Ronja Räubertochter von Jörn Arnecke wird in Duisburg zur Wiederaufnahme gelangen.
Das Ballett am Rhein geht in der Spielzeit 2019/20 in die letzte Saison unter der künstlerischen Leitung von Martin Schläpfer. Neben den neuen Programmen b.41 bis b.44 heißt es dann im Juni unter dem Titel b.ye Abschied nehmen, unter anderem mit einer großen Ballett-Gala am 24. Juni 2020 im Opernhaus Düsseldorf. Im Verlauf der Spielzeit gibt es zudem ein Wiedersehen mit dem Schwanensee und Schläpfers Auseinandersetzung mit Gustav Mahlers 7. Sinfonie. Ausführliche Informationen zu allen Werken hat die Oper am Rhein auf ihrer Homepage bereitgestellt, der Kartenverkauf hat ebenfalls begonnen.
Markus Lamers, 10.05.2018
Foto: © Andreas Endermann