Premiere am 25.April
Große Massenet-Oper pur und schön
Nach den unsäglichen Peinlichkeiten und Skandalen ist nun endlich einmal uneingeschränkt Erfreuliches von der Rheinoper zu berichten: Oper pur, werktreu und schön; ja das gibt es noch! Die großartige Werther-Produktion von dem aus Andorra stammenden Regisseur Joan Anton Rechi und seinem Team (Bühne: Alfons Flores, Kostüme: Sebastian Ellrich) lohnt den Weg ins rheinische Opernhaus.
Wenn man neben einer so gelungenen Regie auch noch durch schönen Gesang und eine superb aufspielendes Orchester erfreut wird, ist es Zeit zu jubilieren. Nichts freut den Kritiker mehr, als wenn es eigentlich nichts Bedeutendes zu kritisieren gibt. Der Düsseldorfer in mir sagt, analog zu einem bekannten rheinischen Karnevalslied "Ne watt iss datt schöööön…"
Was war das für ein wirklich wunderbarer Opernabend. Und selten hat man die "Düsis" in den letzten Jahren so vortrefflich und einfühlsam musizieren gehört, wie gestern unter der Leitung des jungen Christoph Altstaedt. Da freut man sich geradezu, wenn der Haus-GMD ein solch fabelhaftes Werk eben mal nicht dirigiert. Altstaedt ist eine echte Entdeckung… Man merke sich sich den Namen!
Sergej Khomov (Werther) ist seit 1996 eine der langjährigen und bewährten festen künstlerischen Stützen des Hauses; ich habe nie einen schlechten Abend mit ihm erlebt. Der sympathische Ausnahmekünstler bezaubert auch in der schwierigen Werther-Rolle wieder das Publikum in geradezu anrührender Weise. Darüber hinaus trägt seine Stimme auch über die lautesten Orchesterwogen noch ausgeglichen und höhensicher, wobei der lyrische Schmelz nicht zu kurz kommt; stolz kann jedes Haus sein, dass über so einen fabelhaft vielseitigen Tenor, intelligenten Sänger und vorbildlichen Musiktheater-Darsteller verfügt; zumindest die Kammersänger-Ehre der Deutschen Oper am Rhein hätte er längst verdient, oder gibt es die nicht mehr?
Mit der polnischen Mezzosopranistin Katarzyna Kunico steht ihm eine stimmlich durchaus beeindruckende Charlotte gegenüber, die auch darstellerisch bravourös unser Herz anspricht; in den letzten Akten wächst sie förmlich über sich hinaus. Die ebenso qualitativ besetzten Partien des Albert (Laimonas Pautienius), Le Bailli (Sami Luttinen), Schmidt (Bruce Rankin) und Sophie (Alma Sadé) zeigen, daß in Düsseldorf weiterhin eine sehr gute und konsequente Ensemble-Pflege betrieben wird. Eine erfreuliche Tatsache, die gerade in Zeiten des Wandels vieler Opernhäuser zum Stagione-Betrieb (meist verbunden mit der Auflösung größerer Ensembles), nicht hoch genug einzuschätzen und zu bewerten ist.
Auch die weiteren Comprimarii waren mit Daniel Djambazian (Johann), Attila Fodre (Brühlmann) und Hagar Sharvit (Käthchen) trefflich besetzt.
Die, bis auf das Wählscheiben-Telefon, relativ zeitlos schöne Inszenierung lebte auch von einer überzeugenden Lichtregie (Volker Weinhart), welche den Übergang von Realität zu Traum- und Phantasiewelt sehr qualitativ und glaubwürdig illuminierte; ganz besonders beeindruckend im Finale.
Eine sehr sängerfreundlich konzipierte Bühne ließ in ihrem Trichtereffekt guten Raum für die Stimmen und zeigte, daß sowohl Bühnenbildner Alfons Flores, als auch Regisseur Rechi, ein Herz für die Sänger haben und mit dem Ansprüchen guten Regietheaters professionell und auch publikumsfreundlich umgehen können. So kann man den Fortissimo-Klangwogen des Orchesters trotzen. Schön, daß es noch Regie gibt, die sowohl Musik, Künstler, als auch das Werk, ernst nehmen.
Der Kinderchor war unaufdringlich und werktreu; gute Arbeit von Karoline Philippi. Erwähnenswert: Endlich gibt es auch einmal ein informatives, weil produktionsspezifisch interessant lesenswertes, Programmheft (Bernhard F. Loges).
Die Düsseldorfer Inszenierung kann sich neben der jüngsten Essener sehen lassen, und der Kritiker empfiehlt allen Opernfreunden diesen wirklich lohnenden Vergleich. Was haben wir doch für eine tolle Opernlandschaft in NRW!
Peter Bilsing 26.4.14 Bilder: Rheinoper / Hans Jörg Michel