Besuchte Vorstellung: 14. Oktober 2021
Beim Publikum war Albert Lortzing früher einer der beliebtesten Komponisten, doch bei den Intendanten ist die deutsche Biedermeier-Oper, die auch von Komponisten wie Friedrich von Flotow oder Otto Nicolai gepflegt wurde, äußerst unbeliebt und so wurden in den letzten Jahren Lortzings Opern immer seltener gespielt. Im Theater Hagen, das zurzeit weltweit das einzige Theater ist, das „Zar und Zimmermann“ zeigt, hat Regisseur Holger Potocki eine originelle Inszenierung auf die Bühne gebracht, die das Stück als Spionage- und Polit-Thriller erzählt, die Musik aber unangetastet lässt.
Schon in seiner originalen Form ist „Zar und Zimmermann“ eine politische Oper, präsentiert Zar Peter I. als volkstümlichen Herrscher und karikiert den aufgeblasenen Bürgermeister van Bett. Regisseur Holger Potocki hat neue Dialoge geschrieben und die Geschichte aktualisiert. Peter Michailow ist jetzt der uneheliche Sohn des russischen Präsidenten, der inkognito in den Niederlanden in der Rüstungsfabrik von „Brown Industries“ arbeitet. Das von Witwe Brown geleitete Unternehmen verkauft seine Kriegsschiffe und U-Boote in alle Welt, was zum lokalen Wirtschaftaufschwung führt. Das spornt den großspurigen Bürgermeister van Bett an, in Trump-Manier zum niederländischen Ministerpräsidenten aufzusteigen. Die englischen, französischen und russischen Gesandten des Originals werden zu Spionen. Zusätzlich tummelt sich noch die lokale Widerstandsgruppe „Zimmermann“ durch das Stück und versucht die Rüstungsgeschäfte und Politik des Bürgermeisters zu torpedieren.
Was sich hier ungewöhnlich liest, wird vom Regisseur Potocki glaubhaft und mit leichter Hand auf die Bühne gebracht. Obwohl die Geschichte natürlich viel politische Anspielungen auf Machthaber wie Wladimir Putin, Donald Trump oder Kim Jong-un enthält, gelingt Potocki eine leichtfüßige und komödiantische Inszenierung. Das Bühnenbild von Lena Brexendorff bietet zudem gute Spielmöglichkeiten: Mal sehen wir die schick und bunt designte Konzernzentrale von „Brown Industries“, mal befinden wir uns im karg eingerichteten Büro des Bürgermeisters.
Sängerisch präsentiert sich das Hagener Ensemble sehr unterschiedlich. Zentrale Figur dieser Produktion ist Bürgermeister van Bett, der von Markus Jaursch mit trockenem Humor gespielt wird und über einen weichen und wohlklingenden Bass verfügt. Kenneth Mattice als Peter Michailow klingt sehr angestrengt und in der Höhe gepresst. In anderen Partien hat man den Bariton wesentlich überzeugender erlebt. Richard van Gemert als Peter Iwanow verfügt aber über einen selbstbewussten Tenor. Marie-Pierre Roy singt mit schönem lyrischen Sopran die Marie. Als Chateauneuf glänzt Musa Nkuna mit purem Wohlklang und einer eleganten Stimmführung.
Dirigent Rodrigo Tomillo lässt die Ouvertüre noch zu holzschnittartig musizieren, in der Begleitung der Sänger können die Musiker des Philharmonischen Orchesters Hagen aber dann mit beschwingter Heiterkeit aufspielen und zeigen, wie viel lyrischen und spritzige Qualität in Lortzings Musik steckt.
Das Theater Hagen und Regisseur Holger Potocki zeigen mit dieser Aufführung eine gekonnte Aktualisierung von Albert Lortzings scheinbar betulicher Oper. Da bekommt man Lust auf mehr!
Rudolf Hermes, 18-10-21
Bilder (c) Theater Hagen