Hildesheim: „Orpheus“

(Premiere am 02.12.17)

oder die wunderbare Beständigkeit der Liebe

Orpheus`Abgesang

Meistens schreiben wie Kritiker doch eher über Premieren oder zumindest kurz darauf, doch manchmal möchte man etwas sehen, und schafft, und schafft, und schafft es nicht. Doch die letzte Aufführung von Telemanns Orpheus-Vertonung habe ich noch am kurzen Wickel erwischt, uff! Alle Theatermenschen wissen, wie schwer es ist gerade die Vorstellungen an Feiertagen oder zwischen den Jahren zu füllen, um so deutlicher ist das Symbol eines sehr gut verkauften Hauses gerade bei einer recht unbekannten Barockoper. Dann kommt noch so ein Kritikerschnösel aus der Hauptstadt angereist, der Alte Musik nur mit den Spitzen des speziellen "Business" erlebt, um sich etwas in der Provinz anzuschauen. Natürlich darf man ein Stadttheater nicht mit den Gesangssternen vergleichen, zumal unsere Stadttheater mit teilweise recht gebeutelten Etats und daher sehr kleinen, zusammengesparten Ensembles arbeiten. In Hildesheim singen dieselben Sänger Tschaikowsky, Donizetti, Paul Abraham und eben auch Telemann, da gibt es kein "Spezialisten", dem einen liegt das Romantische eher, der andere ist nicht unbedingt ein begnadeter Koloraturensänger. So findet es sich auch an diesem Abend. Doch alle Darsteller haben ihr Herzblut gegeben, deswegen möchte ich diesmal keinen Sänger speziell nennen, nicht weil einzelne schlecht gesungen hätten, sondern, weil der Gesamteindruck insgesamt ein harmonischer war. Deshalb gab es am Ende einen begeisterten Applaus und "Standing Ovations" die wirklich aus dem Herzen der Zuschauer kamen, das war deutlich zu spüren.

Was auch deutlich an der geschmackvollen Inszenierung von Sigrid T`Hooft lag, die Belgierin ist eine Spezialistin für Barocke Aufführungstradition, aber klug genug von einer puristischen Praxis abzusehen und mit den gegebenen Möglichkeiten zu arbeiten, um einen gelungenen und unterhaltsamen (!) Theaterabend zu kreiren. Die Ausstattung von Stephan Dietrich mischt Barockes mit vereinfachtem Postmodernen. Der Höllenakt erinnert durchaus an romantische tschechische Märchenopern. Doch fügt sich das Amalgam zu einem geschmackvollem Ganzen, das vor allem das Ohr auf die abwechslungsreiche Musik Telemanns mit ihren deutschen, italienischen und französischen Einflüssen (,die sich auch sprachlich verfolgen lassen,) lenken.

Der musikalische Motor der ganzen Aufführung sitzt im Orchestergraben: Florian Ziemen ist seit letzter GMD des TfN und hat sich mit der TfN-Philharmonie der barocken Spielweise sorgfältig angenähert, es scheint den Musikern ein echtes Herzensbedürfnis und einzelnen Solisten die Möglichkeit zu brillieren, es macht wirklich Freude da zuzuhören, eine Freude, die sich auf das ganze Auditorium überträgt. Eine Qualität, die nicht Perfektion gerieren will, sondern von Innen kommt. Am Ende kann man nur noch sagen: Danke für den schönen Theaterabend. Lang lebe das Stadttheater!

Martin Freitag 31.12.2018

Fotos: siehe Premierenbesprechung 2017