Krefeld: „Die Dreigroschenoper“

Premiere: 20.09.2019

Ein Fall für die Pathologie

Bereits im Jahr 1928 uraufgeführt, zählt „Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht nicht zuletzt auch durch die wunderbare Musik von Kurt Weill auch heute noch zu einem der großen Klassiker auf deutschen Schauspielbühnen. Ein weiterer Grund hierfür ist vielleicht auch die geschickte Personenkonstellation des Werkes. Der Verbrecher Macheath, genannt Mackie Messer ist gut mit dem Polizeichef Brown befreundet. Auf der anderen Seite steht der skrupellose Unternehmer Jonathan Jeremiah Peachum, der sein Geld damit verdient Bettler besonders mitleidvoll auszustatten und dafür von Ihnen große Anteile des erbettelten Geldes verlangt. Nachdem Macheath heimlich Peachums Tochter Polly geheiratet hat, steigert sich der Konkurrenz- zu einem wahren Existenzkampf an, der für Macheath am Galgen enden soll.

In Krefeld übernimmt Helen Malkowsky die Inszenierung, die an diesem Hause schon ganz hervorragende Opern wie „Mazeppa“, „Stiffelio“ oder auch „Katja Kabanowa“ inszeniert hat. Nun führt sie zum ersten Mal Regie mit einem Schauspielensemble, was leider nicht zum erhofften Erfolg führt. Bereits ihre Worte im Programmheft sollten stutzig machen: „Also haben wir uns dann gar nicht so sehr über die Interpretation sondern viel mehr über die Sektion dieser „Scheinleiche“ Dreigroschenoper genähert.“ Denkt man vor dem Vorstellungsbesuch noch, dass es ja durchaus ein interessanter Ansatz sein könnte, das Thema Tod welches im Stück allgegenwärtig ist in den Mittelpunkt zu stellen, muss man nach Vorstellungsende leider feststellen, dass hier im Bühnenbild eines rechtsmedizinischen Instituts ( Hermann Feuchter ) die Handlung wirklich sehr auseinandergeschnitten wurde, so dass vieles einfach auch gar keinen Sinn mehr ergibt. Dabei überzeichnet Malkowsky die Figuren zu einer „lustvollen, grotesken Verzerrung“, was für das Kostümbild von

Alexandra Tivig durchaus vorteilhaft ist.

Ihr gelingen hierdurch in Verbindung mit einer hervorragenden Maskenbildner-Abteilung des Theaters einige wirklich schön-schrille Kostüme. Für die eigentliche Handlung des Stückes ist es leider nicht wirklich förderlich. So bleibt Macheath in dieser Produktion eher der brave Pathologe als der gefürchtete Verbrecher. Die Idee, dass Leichen immer wieder zu Leben erwachen und durch die verschiedenen Leichenkammern an den Wänden in den Obduktionssaal rein- und rausschlüpfen ist auch nicht wirklich originell. Zudem sind einige Personen auch nicht wirklich zuzuordnen, was insbesondere Zuschauern, die das Werk zum ersten Male sehen, den Zugang erschweren könnte. Was bleibt ist ein der eigentlichen Handlung entraubtes Werk, bei dem die übergezogene Deutungsebene leider nicht für einen entsprechenden Ausgleich sorgt. Interessanter Weise konzentriert man sich nach der Pause dann doch wieder mehr auf die eigentliche Geschichte und man kann als Zuschauer erahnen, welches Potential vor der Pause verschenkt wurde.

Zum Glück hat man in Krefeld ein hervorragendes Schauspiel-Ensemble, was den Abend dann doch im Rahmen der ihnen gegebenen Möglichkeiten retten kann. Michael Ophelders spielt die Rolle des Mackie Messer bravourös und überzeugt auch bei den Gesangsnummern. Auch Carolin Schupa zeigt als Polly Peachum was in ihr steckt, sie sei stellvertretend genannt für die weiteren elf Darsteller, die allesamt sehr gute Arbeit ablieferten und hierfür vom Premierenpublikum zu Recht mit großem Beifall bedacht wurden. Dies gilt auch für das achtköpfige „Threepenny Opera Orchester“ unter der musikalischen Leitung von

Willi Haselbek, einem gern gesehen Gast an diesem Hause. So verlässt man den Theatersaal schlussendlich etwas zwiegespalten mit einem „Die Moritat von Mackie Messer“ auf den Lippen und dem guten Gefühl, dass ein Großteil des Publikums auch dem Inszenierungsteam brav applaudierte, so dass anzunehmen ist, dass die Umsetzung dieses Klassikers wenigstens ihnen besser gefallen haben mag.

Markus Lamers, 22.09.2019
Bilder: © Matthias Stutte