Frankfurt: hr-Sinfonieorchester unter Susanne Mälkki

Besuchtes Konzert am 16. Mai 2019

Gil Shaham (Violine)

Magnus Lindberg
PARADA

Sergej Prokofjew
Violinkonzert No. 2 g-moll op. 63

Jean Sibelius
Symphonie No. 2 D-Dur op. 43

Diese Woche in der Frankfurter Alten Oper steht im Zeichen zweier Dirigentinnen, die mit ihren außerordentlichen Fähigkeiten nachhaltig überzeugten. Nach dem Gastspiel des City of Birmingham Symphony Orchestras unter der Leitung von Mirga Gražinyte-Tyla, gastierte nun die finnische Dirigentin Susanna Mälkki beim HR-Sinfonieorchester.

Im aktuellen Konzertprogramm traf Finnland auf Russland. Das erste Werk des Abends stammte vom finnischen Komponisten Magnus Lindberg. Er widmete sein 2002 uraufgeführtes Werk „Parada“ seinem Kollegen und Dirigenten Esa-Pekka Salonen. In einer knappen Viertelstunde erlebt der Zuhörer neben schwebenden Streicherakkorden, schroffe Bläsereinwürfe mit allerlei Schlagzeugfärbungen. Viele rasche musikalische Farbwechsel, dann aber auch wieder Ruhepunkte, die manchmal einen Hauch von Sibelius erahnen lassen.

Ein forderndes Stück, eine intensive Klangreise….für Orchester, Dirigenten und die Zuhörer! Das HR-Sinfonieorchester kam mit den Anforderungen ausgezeichnet zurecht. Gast-Dirigentin Susanne Mälkki agierte hier mit äußerst sicherer Zeichengebung und wirkte vor allem als völlig souveräne Klang-Koordinatorin. Das Orchester musizierte mit äußerster Präzision und Hingabe. Bereits nach dem ersten Stück applaudierten die Orchester Mitglieder ihrer Gast-Dirigentin.

Mit Gil Shaham hatte das hr-Sinfonieorchester einen fabelhaften Violin-Virtuosen verpflichtet, der dem 1935 entstandenen 2. Violinkonzert von Sergej Prokofjew viel eigenes Profil gab. Das Konzert wirkt geradezu neo-klassizistisch. Shaham suchte immer wieder einen natürlichen Tonfall und arbeitete zudem die kantablen Elemente im zweiten Satz mit großer Ruhe heraus. Bereits die beginnende Solo-Intonation sorgte für große Aufmerksamkeit. Das liedhafte Hauptthema kam mit Shaham prägnant zur Geltung. Immer wieder faszinierten seine virtuosen Möglichkeiten, die dann vor allem im beschließenden Allegro Satz mit zu bestaunen waren. Hier ergaben die klappernden Kastagnetten ein besonderes Kolorit. Zuvor war aber im erhabenen Andante des zweiten Satzes der emotionale Höhepunkt realisiert. Hier verschmolzen Solist und Orchester zu einer beeindruckenden Einheit..

Shaham profitierte von seiner langen Erfahrung mit diesem Werk. Seine positive Abgeklärtheit war ein wichtiger Garant, um ihn spielsicher in die anspruchsvollen rhythmischen Strukturen des Werkes zu führen. Es war eine besondere Freude, ihn bei seiner überschäumenden Spielfreude zu beobachten. So ansteckend, so positiv war sein inneres Erleben der Musik. Susanne Mälkki begleitete mit dem aufmerksamen HR-Sinfonieorchester gekonnt den Solisten. Sie setzte vor allem rhythmische Akzente, so z.B. in den Einwürfen der Trompeten im zweiten Satz, die an einen Marsch denken ließen. Das Publikum zeigte sich hörbar erfreut. Gil Shaham bedankte sich mit einer Zugabe: Eine Gavotte, die er zusammen mit dem Konzertmeister des HR-Sinfonieorchesters darbot.

Nach der Pause musizierte das HR-Sinfonieorchester die zweite Symphonie von Jean Sibelius. Eine der von Susanne Mälkki am häufigsten dirigierten Symphonien, so z.B. auch bei den Berliner Philharmonikern. Mälkki sieht sehr viel Licht und Hoffnung in dieser so beliebten Symphonie. Ihr ist es sehr wichtig, das Fröhliche und Offenherzige zu betonen. Zu oft und zu schnell wird Sibelius mit Dunkelheit und depressiver Grundstimmung stigmatisiert.

Die Symphonie wurde in ihrer finalen Version 1903 uraufgeführt. Sie umfasst traditionell vier Sätze. Eher ungewöhnlich der nahtlose Übergang vom dritten in den vierten Satz. Beeindruckend ist die emotionale Bandbreite dieser Musik, die sehr bildhaft wirkt und oft an Naturschilderungen denken lässt. Und natürlich verfehlt der Schlusssatz mit seinen strahlenden Trompeten seine Wirkung nicht, vor allem auch deshalb nicht, weil die pathetische Coda am Schluss der Symphonie den Zuhörer unweigerlich in höchste Höhen des Lichts aufsteigen lässt.

Reichlich Gelegenheit also für das HR-Sinfonieorchester seine Könnerschaft eindrucksvoll zu demonstrieren. Es erklang äußerst animiert und sattelfest. Mit Meisterschaft und Hingabe setzte es alle Vorgaben seiner Gast-Dirigentin um. Intensive Holzbläsereinwürfe spielten mit den maximal geforderten Streichern. Den Streichern und ihrer Klangentwicklung widmete Mälkki besondere Aufmerksamkeit. Dies verwundert nicht, denn die Dirigentin war zuvor Cellistin beim Sinfonieorchester in Göteborg.

Dazu müssen die Blechbläser häufig schwierige Intervalle realisieren, um dann am Schluss in einer gewaltigen Steigerung alles hineinzulegen, was die Lungen hergeben. Und die Blechbläser nutzten ihre spieltechnischen Möglichkeiten, um die Anforderungen zu überwältigenden Klangeffekten zu gestalten. Großartig! Mälkki wirkte stark mit der Musik ihres Landsmanns verbunden. Auch hier war das Streben um rhythmische Prägnanz und Durchhörbarkeit zu erleben. Und doch gab sie den Ruhepunkten genügend Raum, damit sich neue Spannungsmomente aufbauen konnten. Mystisch anmutende Schwebeklänge ließen die Zeit still stehen. Wunderbar phrasierte sie die Steigerungen des Finales aus und so blieb der besonders lichtvolle Moment der Überwältigung in der beschließenden Coda auch nicht aus. Eine berstende, ja leuchtende Intensität, die sich wie ein gewaltiges positives, dynamisches Ausrufezeichen in das Ohr der Zuhörer einbrannte. Diese konnten zunächst nicht applaudieren: Stille, dann aufbrandende Begeisterung! Ein großer Abend!

Die Alte Oper war sehr gut besucht. Das Publikum reagierte mit Enthusiasmus.

Dirk Schauß 17.5.2019