Santa Cruz: Konzert des Orchestre de Paris unter Christoph Eschenbach

am 9. Februar 2020

Dieses Jahr fand bereits das 36. Festival International de Música de Canarias, statt, das „Internationale Musikfestival der Kanarischen Inseln“. Organisiert von der Regierung der Kanarischen Inseln in Zusammenarbeit mit den Inselräten und Sponsoren bot das Festival dieses Jahr wieder exquisite internationale Konzerte auf den Inseln Gran Canaria und der Nebeninsel La Graciosa, auf Teneriffa, La Palma, Lanzarote, Fuerteventura, La Gomera und sogar auf der weit im Westen gelegenen Insel El Hierro statt, die ihren Namen, „Das Eisen“ auch von der Ideen der „eisernen“, weil absolut westlichsten Grenze Europas, ableiten soll. Eisen gibt es dort jedenfalls nicht, habe mich schon persönlich davon überzeugt!

An diesem 9. Februar fand also das letzte Konzert statt, im futuristischen Auditorio Adán Martín von Santa Cruz de Tenerife, vollbesetzt mit einem wie immer hier sehr verständigen Publikum. Touristen Fehlanzeige, auch wie immer, obwohl es von diesen auf der Insel nur so wimmelt. Es hatte sich das renommierte Orchestre de Paris unter der Leitung des ebenso renommierten und schon im fortgeschrittenen Alter befindlichen Christoph Eschenbach eingefunden, mit einem absoluten Shooting Star auf der Violine, dem erst knapp 20-jährigen Daniel Lozakovich, 2001 in Stockholm geboren. Dieses Zusammentreffen eines wohl zu Recht als einer der Doyens der Klassik-Szene zu bezeichnenden Maestri mit solch einem jungen Ausnahmetalent, das vor Schüchternheit beim Applaus wirkte, als wäre er zum ersten Mal vor einem großen Publikum aufgetreten, strahlte einen ganz besonderen Reiz aus.

Man hatte das Konzert für Violine du Orchester op. 64 von Félix Mendelssohn-Bartholdy gewählt, und Lozakovich konnte dabei seine ganzen Qualitäten zu Gehör bringen. Mendelssohn hatte das Stück 1845 nach einer längeren Arbeitszeit daran von 1838-44 mit kleineren Verfeinerungen uraufgeführt, und es wurde eines der beliebtesten Violinkonzerte mit Orchester der Romantik. Die Betonung liegt für die Geige auf einem lyrischen Spiel, und gerade dieses vermochte der junge Solist beeindruckend zu realisieren.

Nach der orchestralen Einleitung der 1. Satzes Allegro molto appassionato tritt Lozakovich in einen flüssigen Dialog mit dem Orchester ein und lässt dabei zarteste Höhen auf dem Instrument ertönen. Im Folgenden technisch ausgefeilten Solo kann er alle Facetten der Violine ausloten, von tiefsten Tiefen bis zu fast unhörbaren Höhen, die wohl selbst von den Streichern in einem „Lohengrin“-Vorspiel kaum zu erreichen sind. Im Finale kommt eine großartige Symbiose mit dem Orchester zum Hauptthema. Im 2. Satz Andante erklingt zunächst eine nahezu traurige Geigenlinie, die Lozakovich auch mimisch mitinterpretiert, mit dem Instrument ganz eins! Mit diesen zärtlichen Lauten ist der Moment größter Verinnerlichung erreicht. Später scheint das Orchester gewissermaßen über die Violin-Linie zu atmen… Im 3. Satz Allegretto non troppo – Allegro molto vivace zeigt der junge Künstler seine ausdrucksvolle Führerschaft auf der Geige und geht eine Phase fast geschwätziger Konversation mit dem Orchester ein, große Lebhaftigkeit vermittelnd.

Riesenapplaus, der natürlich eine Zugabe fordert, und zwar wird es das Adagio von Johann Sebastian Bach. Man wird beim nun völlig verinnerlichten Spiel von Daniel Lozakovich unmittelbar in eine traurige Stimmung versetzt. Auch bei dieser wunderbar gespielten Zugabe dokumentiert er wieder großartige Technik und unbegrenzt scheinenden musikalischen Facettenreichtum. Danach konnte einfach nichts mehr kommen…

Nach der Pause spielt Christoph Eschenbach mit dem Orchestre de Paris die fünfsätzige Fantastische Symphonie, op. 14 von Hector Berlioz.

Es geht hier bekanntlich um eine Episode aus dem Leben eines Künstlers, in fünf Sätzen, wie folgt: 1. Träumereien, Leidenschaften; 2. Ein Ball; 3. Szene auf dem Lande; 4. Der Gang zum Richtplatz; und 5. Hexensabbat.

Ich möchte hier nicht weiter auf Details der Darbietung eingehen, denn der Hauptgrund dieses Konzertbesuchs in Santa Cruz war für mich der Auftritt von Daniel Lozakovich. Es sollte aber doch betont werden, dass das Orchestre de Paris die vielfältigen Herausforderungen, welche die emotionale Reise des Künstlers im Hinblick auf die nach anfänglicher Begeisterung und späterem immer verzweifelter werdenden Hoffen auf eine glückliche Beziehung mit seiner Angebeteten bis zum grotesken Finale auch musikalisch mitbringt, unter der souveränen Stabführung von Christoph Eschenbach eindrucksvoll meisterte. Von der Streicher-Dominanz im 1. Satz über den überschwänglichen Walzer-Rhythmus im 2., die fast phlegmatische Ruhe in der Szene auf dem Felde im 3. und die düsteren Gedanken auf dem Gang zum Richtplatz im 4. Satz sowie das groteske Scheitern auf dem Hexensabbat mit der nun zur Hexe mutierten Geliebten, wusste das Orchester auf fantasievolle und mitreißende Art und Weise wiederzugeben. Ebenfalls Riesenapplaus, gerade auch den einzelnen Gruppen und Instrumentalsolisten. Nach diesem Stück war in der Tat keine Zugabe mehr angebracht.

Fotos: Klaus Billand

Klaus Billand/20.3.2020

www.klaus-billand.com