Graz: „La Corona d’Arianna“, Johann Joseph Fux

26. Juni 2022, Hof des Schlosses Eggenberg

Poppiges (Barock-?)Spektakel als Eröffnungsoper

Wie seit Jahren registriert man auch diesmal dankbar, dass die Styriarte ihre Programmhefte online anbietet. Da wohl kaum jemand die seit 1726 nicht mehr aufgeführte Festa teatrale La Corona d’Arianna kennen wird, sei aus dem Programmheft zitiert:

„Der große steirische Barockkomponist Johann Joseph Fux erzählte in seiner Festoper „La Corona d’Arianna“ zum Geburtstag der Kaiserin Elisabeth Christine (der Mutter von Maria Theresia) eine doppelte Liebesgeschichte aus der antiken Mythologie: Die kretische Königstochter Ariadne ist von ihrem Liebhaber Theseus auf der Felseninsel Naxos schmählich zurückgelassen worden. Sie ist untröstlich und braucht lange,bis sie sich den Avancen des Gottes Bacchus öffnet. Endlich wird aus den beiden ein Paar, und die Liebesgöttin Venus kann Ariadne krönen: „Die Krone der Ariadne“.Noch ein zweites berühmtes Liebespaar findet auf Naxos sein Glück: Thetis und Peleus,die späteren Eltern des Helden Achill. Es ist freilich keine Liebe auf den ersten Blick. Die beiden kämpfen sich durch etliche Missverständnisse zur Zweisamkeit vor. Am Ende ist die Liebesgöttin Venus auch hier erfolgreich. Dirigent Alfredo Bernardini leitet am heutigen Abend eine stark gekürzte Version der Fux-Oper von 1726, konzentriert auf die beiden Liebespaare und Venus. Regisseur Adrian Schvarzstein verlegt die Handlung aus dem antiken Griechenland in den modernen Sommer-Club „Naxos“ am Meer.“

Über den Regisseur Adrian Schvarzstein liest man: „Wo dieser Mann auftaucht, sind köstliche Überraschungen garantiert“. Wenn man allerdings wie ich wohl alle Styriarte-Produktionen der letzten Jahre von und mit Schvarzstein erlebt hat, dann stimmt der Satz nicht! Gemeinsam mit seiner Assistentin, Choreographin und Partnerin Jūratė Širvytė hat man den bewährten Straßentheater-Spezialisten wiederholt gesehen und kennt seine das Publikum einbeziehenden Späßchen – ich erlaube mir zu schreiben – zur Genüge. Da gab es diemal keine Überraschungen!

Diesmal wurde seine „Masche“ eben einer Barockoper übergestülpt. Das unterhält vordergründig das Publikum sehr gut und findet eine Lacher. Allerdings ist die Idee, Mythologisches in die poppigen 1970er-Jahre zu verlegen weder neu noch überzeugend. Trotz der einhellig positiven Stimmen in den Medienberichten bleibe ich bei meiner Meinung, dass es bessere, märchenhaftere und der Musik gemäßere szenische Lösungen geben müßte! Aber die herrlichen Sommerabende und das Ambiente von Schloss und Park versöhnten und sorgten dafür dass alle Aufführungen vom Publikum geradezu gestürmt und freudig akklamiert wurden und dass noch eine vierte Aufführung gegebn werden konnte. Versöhnlich stimmten vor allem die ausgezeichneten musikalischen Leistungen.

Der großartige Alfredo Bernardini ist inzwischen längst zu einem wahren Publikumsliebling der Styriarte und mit seinem Zefiro Barockorchester ein nicht wegzudenkendes Zentrum der Renaissance der Fux-Opern geworden. Jedes Jahr eine Oper von Fux, das ist ein wunderbares Langzeit-Projekt. Dafür gibt es auch ein produktives Joint venture zwischen der Styriarte und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Die beiden Sopranistinen kennt man in Graz schon aus vergangenen Fux-Produktionen: Carlotta Colombo als Arianna und Monica Piccinini als Venus. Beide überzeugten auch diesmal wieder mit Stimmschönheit und absoluter stilistischer Sicherheit. Neu waren die beiden Countertenöre – der Pole Rafael Tomkiewicz und der Chinese Meili Li , beide waren sichere Interpreten ihrer exponierten Partien. Der Mezzo der für Graz ebenfalls neuen Norwegerin Marianne Beate Kielland überzeugte mich besonders. In ihrer damenhaften Eleganz entzog sie sich angenehm dem Pop-Spektakel und war eine wunderbare Thetis mit einer individuell timbrierten und in allen Lagen ausgeglichenen und warmen Mezzo-Stimme.

Unverzichtbar waren auch die 16 Mitglieder des Arnold Schoenberg Chor s (Einstudierung: Erwin Ortner), die diesmal nicht nur umfangreiche Chorpassagen hervorragend interpretierten, sondern auch äußerst spielfreudig – anstelle der im Libretto vorgesehenen Amoretten, Grazien, Tritonen, Nereiden, Nymphen, Hirten, Bacchanten, Silenen…. – grell kostümierte Partygäste zu mimen hatten.

Es war ein wunderschöner Sommerabend mit Barockmusik auf höchstem Niveau, der im ausverkauften Schlosshof vom Publikum lebhaft akklamiert wurde.

Hermann Becke, 28. 6. 2022

Szenenfotos: Styriarte, © Nikola Milatovic