Klagenfurt: „Giulio Cesare in Egitto“

(Premiere: 6.2.2014)

Großartig in Szene und Musik!

Die Klagenfurter Opernproduktionen sind in dieser Saison besonders erfolgreich: Nach dem Rosenkavalier und Verdis Macbeth gelang nun der dritte einhellige Erfolg bei Presse und Publikum – bravo! Das ist eine enorme Steigerung gegenüber der ersten Saison von Florian Scholz und wird wohl jene Abonnenten zurückbringen, die er in seinem ersten Intendantenjahr mit den szenisch missglückten Produktionen verloren hatte – der Opernfreund berichtete.

In unserer Zeit des Spezialistentums ist es mutig, in einem kleineren Stadttheater eine Barockoper ins Repertoire zu nehmen. Der Mut hat sich gelohnt – Klagenfurt ist mit dieser Produktion ein Sieg auf allen Linien gelungen. Man erlebt eine szenisch und musikalisch höchstgelungene Produktion, die zweifellos einen „OF- Stern“ verdienen würde! Aber in das südlichste Opernhaus im deutschen Sprachraum kommt eben leider nur ein Opernfreund-Kritiker und für den „Stern“ ist der Bericht eines zweiten Voraussetzung….

Das Team Renate Martin (die Ehefrau des Regisseurs), Andreas Donhauser, Paul Sturminger hat eine moderne Stahl-Glas-Konstruktion auf die Bühne gestellt und das Ensemble in moderne Kostüme gekleidet. Die Hintergrundprojektionen zeigen uns nicht nur Pyramiden, Säulenkolonaden und Palmen, sondern auch das Kairo von heute.

In diesem kühlen, aber stets stimmungsvoll ausgeleuchteten Szenarium führt der erfahrene Theatermann Michael Sturminger Regie: grundgescheit, stets mit plastisch-drastischer Personenführung, aber auch immer wieder mit vergnüglich-distanzierter Ironie. Die Parallelen zur aktuellen politischen Situation der Intrigen und eines Militärregimes in Ägypten versteht man, ohne dass dabei in plumpen Gegenwartsbezug verfallen wird. Alle Charaktere sind überzeugend gestaltet – das ist wahrhaft zeitgemäßes Musiktheater höchster Qualität! Dazu kommt ein ganz ausgezeichnetes Sängerensemble. Alle fünf Hauptfiguren sind ideal besetzt – dennoch versuche ich eine persönliche Reihung.

Die blutjunge Sizilianerin Adriana di Paola in der Rolle der Cornelia steht zweifellos vor einer großen Karriere. Sie verfügt über eine charakteristisch gefärbte Mezzostimme, die vollkommen ausgeglichen von der Tiefe bis in die Höhe geführt wird und die vor allem über ein breites Spektrum von unterschiedlichen Klangfarben und Ausdrucksmöglichkeiten verfügt, ohne dabei den Stimmsitz zu verlieren. Wie man aus ihrem Lebenslauf entnehmen kann, hat sie praktisch keinerlei Erfahrung auf dem Gebiet der Barockmusik, nur beim Young Singer Project der Salzburger Festspiele 2012 durfte sie sich einmal mit Händel auseinandersetzen – umso erfreulicher, wie gut ihr die Barockpartie gelang. Zu den stimmlichen Qualitäten kommen eine blendende Bühnenerscheinung und offenbar ein natürliches Darstellungstalent. Wer einen akustischen Eindruck gewinnen will, der höre sie sich mit Rossini bei ihrem letzten Wettbewerbsauftritt im Jahre 2013 an.

Ihr Sesto in der Klagenfurter Aufführung ist der italienische Countertenor Luigi Schifano . Er verfügt bereits über reiche einschlägige Bühnenerfahrung und war an diesem Abend der stimmlich durchschlagskräftigste der drei Countertenöre – geradezu berückend schön gelang sein Duett mit Cornelia „Son nata a lagrimar“. Da verband sich das warme Mezzotimbre Cornelias mit der in Sopranhöhen geführten Counterstimme Sestos in einer idealen Klangmischung. Auch in seiner darstellerischen Verzweiflung überzeugte Schifano in der unglücklichen Sohnfigur, die schließlich den Tod des Vaters rächt.

Die Südafrikanerin Golda Schultz (übrigens mit einem Opernfreundzitat auf ihrer Website ) ist zu recht zu einem Klagenfurter Publikumsliebling geworden. Nach ihren bisherigen Auftritten war zu erwarten, dass sie eine großartige Cleopatra sein würde. Sie bezauberte nicht nur ihren Cesare, sondern auch das Publikum im ausverkauften Haus. Waren die Auftritte im 1.Aufzug zunächst stimmlich noch etwas unruhig, so gewann sie dann speziell in ihrer großen Arie vor der Pause (mit sehr schönem Solofagott!) zu ruhiger Größe und berührendem Ausdruck. Mit der wunderbaren „Piangero“-Wehklage zu Beginn des 3.Aktes überzeugte, ja begeisterte sie dann restlos. Ihr Cesare war der russische Countertenor Dmitry Egorov, den man schon aus Frankfurt, Mainz und Köln im Barockfach kennt und der nun erstmals zum Cesare „aufgestiegen“ ist. Von ihm gibt es auch bereits eine von der Kritik gelobte CD „Il primo Uomo“ mit La Stagione Frankfurt – für Interessierte gibt es hier Hörproben. Egorov war keine martialisch-dominante Heldenfigur, überzeugte aber in seiner eher melancholisch-ernsten Haltung als Figur. Stimmlich bewältigte er die koloraturenreiche Partie sehr gut – in der berühmten sogenannten Jagdarie (mit den ausgezeichneten Hörnern!) war er zu Beginn zu weit hinten im Bühnenraum postiert – der da-capo-Teil an der Rampe gelang dann sehr gut.

Als Tolomeo lieferte der russische Countertenor Vasily Khoroshev eine köstliche Charakterstudie – auch er hat trotz seiner 27 Jahre schon eine reiche internationale Konzert- und Bühnenerfahrung. An diesem Abend stand allerdings die darstellerische über der sängerischen Leistung. Die Nebenrollen waren mit Aleksandra Križan, David Steffens und Michael Schober sehr gut besetzt. Der kleine Chorpart (Leitung: Günter Wallner) erklang sicher aus den Proszeniumslogen. Nicht zu vergessen ist die Statisterie, die in dieser Inszenierung eine wichtige Rolle spielt. Es ist zwar offenbar das nicht gelungen, was das Stadttheater Klagenfurt via Facebook gesucht hatte: „Die Stadttheater Klagenfurt OG sucht für die Produktion "Giulio Cesare in Egitto" dunkelhäutige, afrikanische und asiatische Männer und Frauen/Mädchen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Sportliche Typen wären von Vorteil.“ Aber die ausgewählten Damen und Herren machten ihre Sache überzeugend.

Und zum Schluss sei ein besonderes Loblied auf die musikalische Leitung gesungen – sie war wohl die entscheidende Grundlage für den großen Gesamterfolg des Abends:

Der italienische Barockspezialist Attilio Cremonesi hatte eine großartige Einstudierungsarbeit geleistet! Das Klagenfurter Sinfonieorchester wuchs auf einem durchaus ungewohnten Terrain geradezu über sich hinaus und wurde dabei durch Spezialisten unterstützt, die Cremonesi offenbar nicht nur klug ausgewählt, sondern auch sehr geschickt links und rechts das Orchesters postiert hatte, In der linken Proszeniumsloge saßen die ausgewiesenen Barockfachleute Pierre Pitzl (Chitarra barocca und Viola da gamba) und Josep Maria Martí Duran (Arciliuto) und am rechten Rand saß der exzellente Cembalist und Cremonesi-Assistent Andrea Marchiol. Diese „Klammer“ hielt das – erhöht sitzende – Orchester ausgezeichnet zusammen. Cremonesi dirigierte ungemein präzise und engagiert-spannungsreich – die Balance der Tempi war ideal. Nie wirkte etwas gehetzt oder verschleppt. Es gab auch kaum rhythmische Unstimmigkeiten zwischen Bühne und Orchester und die Klangbalance mit dem Sängerteam war nur dann ein wenig beeinträchtigt, wenn die Countertenöre zu weit im Bühnenhintergrund postiert waren. Das Klagenfurter Orchester folgte dem Maestro konzentriert und mit vielen (zum Teil schon erwähnten) sehr schönen Sololeistungen.

Zusammenfassung: Besseres kann von einem Stadttheater nicht geleistet werden – die Produktion verdient höchstes Lob. Also der Rat an alle Opernfreunde: wenn möglich unbedingt nach Klagenfurt fahren! Nächste Termine:

Februar 2014

Di 11 19:30, Do 20 19:30, Mi 26 19:30, Fr 28 19:30

März 2014

Mi 05 19:30, Fr 07 19:30, Mi 19 19:30, Sa 22 19:30, Fr 28 19:30

Hermann Becke, 9.2.2014

Fotos: Stadttheater Klagenfurt, © Karlheinz Fessl

P.S.

Zum Schluss noch eine Pressemeldung aus Klagenfurt speziell für die Opernfreunde in Düsseldorf und Duisburg:

Die Österreicherin Alexandra Stampler-Brow, kaufmännische Direktorin des Klagenfurter Stadttheaters, wechselt mit Beginn der neuen Spielzeit 2014/15 als Geschäftsführende Direktorin an die Deutsche Oper am Rhein. Sie wurde von Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung einstimmig zur Nachfolgerin von Jochen Grote gewählt, der in Pension geht.