Salzburg: „Médée“, Luigi Cherubini

Vom Höllenritt der Gefühle

Eine Frau setzt alles für Ihre große Liebe – und ihre zwei Kinder – ein. Doch der Ehemann verliebt sich in eine Jüngere, aus Liebe wird Hass, aus Trennung eine Orgie des Hasses, aus Verzweiflung ein „Höllenritt“ der Gefühle. Am Ende ermordet Medea ihre Konkurrentin und die Kinder und beginnt den eigenen Abstieg in die „Unterwelt“.

Die Geschichte von Medea und Jason gibt es in vielen Version. Die Oper von Luigi Cherubini „Medee“– UA 1797 in Paris – ist seit der Wiederentdeckung des Werkes durch Maria Callas und Leonie Rysanek eine echte Primadonnen-Oper. Nun Salzburg wollte offenbar für Sonya Yoncheva die französische Original-Version ansetzen. Doch die Bulgarin sagte wegen Schwangerschaft ab. Und Salzburg fand fulminanten Ersatz: Elena Stikhina wurde im Laufe des Abends immer besser, sie meisterte die klassizistischen Verzierungen wie die sich steigernden Ausbrüche. Sie kann weinen und drohen, winseln und attackieren. Sie verfügt über eine gut sitzende Höhe, das Timbre der russischen Sopranistin ist in der Mittellage dunkel, in der Tiefe etwas zu eng. In der Höhe strahlt und glänzt sie dafür und wird nicht an den exponiertesten Stellen scharf oder schrill. Beim Solovorhang am Ende kam die Antwort: der Applaus explodiert geradezu! Solch frenetischen Jubel hat man auch in Salzburg erst selten erlebt. Den Namen Stikhina hat man sich ab sofort zu merken. Unterstützt wurde ihr Triumph übrigens auch von den Wiener Philharmonikern und dem Dirigenten Thomas Hengelbrock. Der schürte ab dem ersten Takt die Glut und die emotionale Besessenheit – jenen Teil der Partitur, der sich auf die Tragödie bezieht, die ja schon weit fortgeschritten, wenn sich der Vorhang hebt.

Ach ja da gab es ja auch eine Inszenierung von Simon Stone (Bühne Bob Cousins. ). Er aktualisierte das Drama auf eine Riesen- Hochzeits-Party (inklusive Rotlicht-Niveau), fügte endlose Stummfilm-Sequenzen ein, unterbricht Cherubini durch Radio- Tonsequenzen. Es ist eine der vielen Modernisierungsversuche, die „nicht weh tun“…. Aber mit der genialen Musik von Cherubini hat dies alles nichts zu tun! Auch der Rest der Besetzung war mittelmäßig, mehr nicht: Pavel Chernoch hat vor allem zu jammern und seinen Anteil an der Zuspitzung der Tragödie zu übersehen, Vitalij Kolwaljow war ein unauffälliger Kreon, Rose Feola war eine bemühte, aber leicht überforderte Dirce, Alisa Kolosova darf man nicht mit einer Rollenvorgängerinnen wie Margarita Lilowa als Neris vergleichen. Nur der Chor (Konzertvereinigung Wiener Staatsoper, Leitung Ernst Raffelsberger) muss extra gelobt werden.

Alles in allem: eine Sternstunde für eine neue russische Sopranistin, eine harmlos pseudoaktuelle Inszenierung, ein guter Dirigenten und eine ansonsten „mäßige“ Besetzung.

Peter Dusek 1.8.2019

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Fotos (c) Thomas Aurin