München: „Rusalka“, Antonín Dvorák

Musikalisch gut, szenisch fragwürdig

„Rusalka“ von Antonín Dvorák in der Regie von Martin Kušej and der Bayerischen Staatsoper, jetzt zu den 150jährigen Opernfestspielen wiederaufgenommen, ist mit 15 Jahren bereits eine relativ alte Inszenierung. Man kennt Martin Kušejs Inszenierungsstil. Er ist natürlich total gegen das Märchen. „Rusalka“ ist aber nun einmal ein Märchen, und auch noch mit drei Akten. Das hat der brasilianische Regisseur aus Rio de Janeiro, André Heller-Lopes, erst letztes Jahr in Santa Cruz de Tenerife exemplarisch und dennoch mit mancher geschickt eingeflochtenen Referenz an das Heute in Szene gesetzt. So geht es nämlich auch!

Man vermisst das Märchenhafte hier in München vollkommen. Es ist eine trockene Produktion der Gegenwart mit ihrer alltäglichen Banalität. Der Wassermann kommt gleich mit der Aldi-Tüte und leert ein paar Bierdosen, die dann achtlos herumliegen, auf der Oberbühne – vor einem fast kitschig drapierten alpenländischen Bergsee mit bewaldeten Ufern. Ein Hauch von Romantik, oder doch gar Märchen?! Doch wohl eher ein sarkastischer Seitenhieb.

© Geoffroy Schied, andere Besetzung der Rusalka

Er steigt sodann in die Unterwelt hinab, die imposante Münchner Unterbühne. Da unten plantschen seine Wassernixen in flachem Wasser mit allerhand Stofftieren herum. Mit ihnen verfährt er wie die Axt im Walde, um die sexuellen Übergriffe nicht näher beschreiben zu müssen. Damit repräsentiert der Wassermann genau das, was er an den Menschen so beklagt und weshalb er Rusalka so eindringlich warnt, zu den Menschen zu gehen! Bald darauf ist nämlich zu sehen, wie der Prinz im Bühnenhintergrund im Stehen die fremde Fürstin zum Höhepunkt bringt… Das ist also ein dramaturgischer Stilbruch im Stück, absolut nicht nachvollziehbar!

Aber auch das Bühnenbild von Martin Zehetgruber sowie die freilich dazu passenden Kostüme von Heidi Hackl im kaum changierenden Licht von Reinhard Traub sind wenig attraktiv. Ja, das wirkt alles recht kalt. Wenn Rusalka das herrliche Lied an den Mond singt, hat sie eine hell leuchtende Kugellampe in der Hand, die also den Mond darstellen soll. Sie wirft die Lampe schließlich scheppernd zu Boden…

Kušej zerrt das Stück mit aller dramaturgischer Gewalt in die Gegenwart, hat dabei aber auch ein Plus. Die Abstraktion vom Märchen erlaubt ihm, stärker auf die menschlichen Probleme der Figuren einzugehen. So zeigt er Rusalka, die praktisch die ganze Oper dominiert, obwohl sie gar nicht so dominant erscheint, als recht dominant. Sie ist zwar eine geschlagene, schließlich verzweifelte, aber in bestimmter Weise doch auch dominierende Figur. Rusalka spielt die Hauptrolle und gar Titelrolle, und letzten Endes wird der Prinz ihr zum Opfer fallen. Diese menschlichen Momente sind in der Inszenierung sehr gut herausgearbeitet. Und das passte dann auch bestens zu dieser wunderbaren Musik, diesen ans Herz gehenden romantischen, mährischen und böhmischen Melodien, vor allem in den Streichern. Das war zweitweise sehr emotional, obwohl in diesen Bildern nicht immer wirklich überzeugend.

© Geoffroy Schied, andere Besetzung der Rusalka

Asmik Grigorian ist als Rusalka darstellerisch wie stimmlich einfach umwerfend! Wenn man erlebt hat, wie sie kurz darauf in Salzburg die Lady in „Macbeth“ interpretierte, kann man sagen, dass sie nun wohl auf der Höhe ihrer Kunst ist und Weltklasse verkörpert. Eine solche Wandlungsfähigkeit von Rusalka zur Lady ist nahezu unglaublich! Pavol Breslik war der Prinz, mit einem kraftvollen Tenor zwar, in der Höhe aber etwas eng, darstellerisch ebenfalls eindrucksvoll. Elena Guseva gab eine äußerst laszive fremde Fürstin mit einem guten, ins Mezzo weisenden Sopran. Christoph Fischesser agierte mit gutem Bass als äußerst umtriebiger Wassermann, wenn auch nicht ganz im Sinne des Komponisten. Die souveräne und in Bezug auf Rusalka väterliche Ruhe, die von dieser wichtigen Figur ausgeht, war nicht zu spüren – und sollte es wohl auch nicht. Okka von der Damerau gab die Hexe Jezibaba gemütlich aus dem Fauteuil, wirkte diesmal nicht so souverän wie sonst. Alle Nebenrollen waren gut besetzt.

Edward Gardner dirigierte das Bayerische Staatsorchester mit großem Verständnis für die so wunderbaren slawischen Klänge der Partitur und schuf große Harmonie zwischen Graben und Bühne. Der von Franz Obermair einstudierte Bayerische Staatsopernchor trug wesentlich zum musikalischen Gelingen des Abends bei.

Man sollte in München bald an eine Neuinszenierung denken.

Klaus Billand, 26. August 2025


Rusalka
Antonín Dvorák

Münchner Opernfestspiele

Besuchte Aufführung am 29. Juli 2025
Premiere: 23. Oktober 2010

Inszenierung: Martin Kušej
Musikalische Leitung: Edward Gardner
Bayerisches Staatsorchester