CD: „Symphonieorchester des BR“ unter Mariss Jansons

Ein abwechslungsreiches Terzett unterschiedlichster Werke präsentiert das BR-Klassik Label mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und seinem ehemaligen Chef-Dirigenten Mariss Jansons.

Tschaikowsky und Jansons, eine innige Liebesbeziehung, von der sich der Zuhörer der CD sogleich überzeugen kann. Mit Ruhe und tiefem Ernst beginnt Jansons die dramatische Handlung von „Romeo und Julia“ zu entwickeln. Rhythmisch geschärft und mit hinreichender Leidenschaft durchwandert Jansons mitreißend alle emotionalen Wechselbäder dieser spannenden Fantasie-Ouvertüre. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks geht mit seinem Leiter durch dieses orchestrale Feuer, als gäbe es nur diesen einen Moment. Die Streicher singen um ihr Leben, während die schneidigen Blechbläser sich effektvolle Schaukämpfe liefern, angefeuert vom offensiven Schlagzeug. Jansons gestaltet dieses Drama packend und kurzweilig.

Dunkel und exotisch mit großem Farbreichtum erklingt Igor Stravinskys Suite aus dem „Feuervogel“. Wunderbar düster ist die Eröffnung der „Einleitung“, in welcher die Streicher mit großer Sonorität spielen. Im „Höllentanz“ dirigiert Jansons rhythmisch kompakt und mitreißend. Die Ruhepunkte werden von den Orchestersolisten, vor allem Flöte und Horn, zu besonderen Erfahrungsmomenten. Auch hier ist wieder die beispielgebende Homogenität im Klangbild des Symphonieorchesters des Bayrischen Rundfunks zu bewundern. Jansons beachtet jedes Detail, ohne dabei das Erzählerische zu vernachlässigen. Bei ihm ist die Suite keine Demonstration orchestraler Bravour, die es natürlich gibt, sondern viel mehr ein hoch attraktives Musizieren im staunenden Erleben des jeweiligen Augenblicks. Dies gibt Stravinskys Meisterstück viel Eindringlichkeit.

Einst ein musikalischer Schocker für das traditionelle Konzertpublikum, so ist die Komposition „Amériques“ von Edgar Varèse ein Klassiker der Moderne. In dem knapp halbstündigen Werk wird ein riesenhaftes Orchester gefordert mit einer hohen Zahl an Schlagzeugern. Varèse komponierte es in den 1920er Jahren und beschrieb darin Amerika, wie er es sich als Kind vorstellte inklusive einer Sirene! Ausufernd, kunterbunt und durchaus atemberaubend, wenn das Orchester losstürmt. Musikalisch haben erkennbar Debussy und Stravinsky recht deutlich Pate gestanden. Dennoch ging Varèse einen ganz eigenen Weg und erfreute sich vor allem an polyphoner Ausgestaltung seines Werkes. Hier steht der Klang und nicht der Rhythmus im Fokus.

Unendliche Details birgt diese Musik, was dem Naturell von Mariss Jansons sehr entsprochen haben dürfte. Er war ein sehr pedantischer Musiker, bei dem nichts dem Zufall überlassen blieb. Stets versuchte er, jedes Detail in seiner Interpretation hörbar zu machen. Ein unermüdlicher Tüftler und Perfektionist. Je größer und komplexer das Werk war, desto gefasster und ruhiger war sein Zugang. Somit ist hier eine höchst souveräne Darbietung dieses hoch komplexen Werkes zu bewundern.

Einmal zeigt sich hier die außerordentliche Übereinkunft zwischen Orchester und Dirigent. Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks waren eine glückliche Einheit, die Garant für herausragende Konzerterfahrungen waren. Hier ist es erneut zu erleben. Das bayerische Edel-Orchester begegnet Varèse mit einer spielerischen Souveränität, als stünde Bruckner oder Brahms auf dem Programmzettel. Wunderbar.

Die Liveaufnahmen erklingen weiträumig mit deutlicher Tiefenstaffelung und guter Dynamik.

Ein schönes Dokument von einem der besten Dirigenten, der in den aufgenommenen Werken Referenzmomente verewigt hat!

Dirk Schauß, 5. März 2023


BR-Klassik

Bestell-Nr.: 900016