CD: „The Shining“, Paul Moravec

Bei dieser CD haben wir es mit einer ausgemachten Rarität zu tun: Paul Moravecs auf einem gelungenen Libretto von Mark Campbell beruhende amerikanische zweiaktige Oper The Shining. Zugrunde liegt dem Werk der gleichnamige Roman von Stephen King. Da dieses Buch hinreichend bekannt sein dürfte, soll hier auf eine ausführliche Inhaltsangabe verzichtet werden. Herausgebracht worden ist die CD von dem Label Pentatone, das sich in den letzten Jahren gerade um die Veröffentlichung von Aufnahmen amerikanischer Opern einen Namen gemacht hat. Auch mit The Shining ist ihm ein Volltreffer gelungen.

Es hat bereits einige bemerkenswerte Aufführungen des Werkes auf dem amerikanischen Kontinent gegeben. Erfolgreich aus der Taufe gehoben wurde es am 7. Mai 2016 im Ordway Music Theater, Saint Paul, Minnesota. In Deutschland war The Shining bislang noch nicht zu erleben. Umso erfreulicher ist es, dass es nun diese herrliche Live-Aufnahme von 2023 aus Kansas City gibt. Hier handelt es sich um die Weltpremiere der Oper auf CD, die – das sei hier vorweggenommen – uneingeschränkt zu empfehlen ist. Die musikalische Ausbeute ist enorm. Moravec ist eine ungemein dichte, eindringliche, intensive und expressive Musik gelungen, die insgesamt stark der Tonalität verpflichtet ist. Schräge Klänge gibt es wenig. Moravecs Tonsprache wirkt sehr ausgewogen und elegant, reicht von feiner Lyrik bis zu fulminanter Dramatik. Auch die emotionale Komponente spart der Komponist nicht aus. Insgesamt präsentiert er hier nicht entsprechend der Buchvorlage lediglich einen Horrorschocker, sondern eine zutiefst menschliche Handlung. Das alles ergibt einen differenzierten und nuancenreichen Klangteppich von großer Pracht. Wenn man diese Oper in Unkenntnis des Uraufführungsdatums hört, würde man sie eher für ein prachtvolles Erzeugnis der Spätromantik als für ein modernes Werk halten. Der Romantik ganz und gar verpflichtet ist auch die musikalische Auffassung von Dirigent Gerard Schwarz, der das Stück zusammen mit der gut gelaunt aufspielenden Kansas City Symphony einfach grandios auslotet. Er dirigiert ausgesprochen vielschichtig, spannungsgeladen und versteht sich zudem gut auf dramatische Steigerungen.

Ebenfalls hervorragend sind die gesanglichen Leistungen. Der Hauptrolle des Jack Torrance gibt Edward Parks mit gut gestütztem, prägnantem Bariton ein eindringliches Profil. Wunderbar italienisch geschultes Sopran-Material bringt Kelly Kaduce in die Partie der Wendy Torrance ein. Das Kind Danny Torrance spricht Tristan Hallett. Durch vornehmen, sonoren Bariton-Klang besticht der Dick Hallorann von Aubrey Allicock. Sein Stimmfachkollege Malcolm MacKenzie stattet den Marc Torrance mit satten, tiefgründig-dunklen Tönen aus. Ansprechend singt der Tenor Wayd Odle den Delbert Grady. Solide ist Pawell BrummsHorace Derwent. Als Loyd und Stuart Ullman gefällt mit voll klingendem Tenor Roger Honeyweil. Nicht schlecht mutet Kevin Thomas Smiths Bill Watson an. Die weiteren, insgesamt sehr kleinen Nebenrollen bleiben stimmlich eher unauffällig. Der Lyric Opera of Kansas City Chorus macht seine Sache gut.

Fazit: The Shining stellt ein wahres Juwel der zeitgenössischen amerikanischen Oper dar, das man hoffentlich auch mal auf deutschen Bühnen hört. Wer Opern der Spätromantik liebt, wird auch dieses Werk mögen. Das Geld für die CD hat der potenzielle Käufer jedenfalls bestens angelegt.

Ludwig Steinbach, 12. April 2024


CD: The Shining
Paul Moravec

Lyric Opera of Kansas City
Musikalische Leitung: Gerard Schwarz
Kansas City Symphonie


Pentatone
Best.Nr.: PTC 5187 036
2 CDs