Nach dem ersten Teil hier nun der zweite Teil des großen Ring-Vergleichs.
5.) Sofia: Baleff/Wächter/Kartaloff, 2010/13, als DVD 2023, Dynamic
Etwas ganz Neues: Ein phantastisches Märchenwunderland wird gewagt!
Wie eine Bombe schlug diese bunte, surrealistisch-phantasievolle Inszenierung ins einheitlich hässliche Grau der Regietheaterlandschaft hier bei uns ein mit unseren müllgesättigten Bühnenbildern und Proletengöttern. Und es werden nicht psychologische und politische Aspekte intellektuell seziert, sondern emotional bewegende Menschenschicksale in farbigen Bildern erlebt. Und das in modernster Bühnentechnik und attraktiver Optik. Außerdem, man fasst es kaum, erzählt die Regie auch noch die Handlung in etwa so, wie Wagner sie erdacht hatte, was ja in den Feuilletons meistens recht ungnädig als „nicht zeitgemäß“ bezeichnet wird! Noch besser und kaum zu glauben: sie folgt genau den musikalischen Vorgaben. Gibt es das überhaupt noch: einen Regisseur der offensichtlich Noten lesen kann? Und das alles kommt aus Bulgarien, einem Land ohne Wagnertradition oder gar Erfahrung. Vielleicht gerade deshalb, denn so gingen sie unverkrampft und frei von ideologischen Regiezwängen mit Phantasie und spürbarer Freude ans Werk. Palmen Kartaloff heißt er, der dieses Wunder vollbrachte und den originellsten, farbigsten und märchenhaftesten Ring schuf, den ich seit langem gesehen habe. Dabei ist das Bühnenbild von Nikolay Payanotov denkbar einfach gestaltet: zwei Ringfragmente, beliebig verschieb- und teilbarund schon entsteht eine äußerst variable Szenerie, die der Phantasie keine Grenzen setzt. Sieben bewegliche Konusse in Kegelform ergänzen das Ganze. Auf ihnen reiten zum Beispiel die Walküren, schwimmen die Rheintöchter, Alberich turnt um sie herum, und sie bilden die Zinnen von Walhall.
Gekonnte Beleuchtungseffekte (Andrej Hajdinjak) zaubern wunderbare Stimmungen und setzen dramatische Akzente, so wenn Siegmund Nothung aus dem Stamm zieht oder beim Feuerzauber. Die Personenregie ist merklich zurückhaltender als im Regietheater. Das ist dann zwar nicht so spannungsgeladen, wie wir es inzwischen gewöhnt sind, lässt aber dafür viel Ruhe und Größe zu. Bei den Sängern bleiben kaum Wünsche offen, vielleicht weil die Gefühlswelt der Akteure immer im Vordergrund steht und sie sich darstellerisch nicht modisch verbiegen müssen. So, dass z.B. Martin Illiev als Siegmund und junger Siegfried seine ganze Kraft, und das ist nicht wenig, dem Gesang widmen kann, und auch maximale Steigerungen mühelos meistert; auch Konstantin Andreevs unbekümmerter Siegfried 2 mit ausladendem Forte unermüdlich schmetternd; Petar Buchkov verschlagener schwarzstimmiger Hagen; Biser Georgiev als wuseliger böser Alberich. Eine Besetzungsänderung würde ich aber vorschlagen: Nikolay Petrov als menschlicher Wotan, nicht mehr so vollstimmig, wäre wohl eher der Wanderer und nicht Wotan1 und 2, die hinwiederum wohl bei dem unermüdlich kräftigen Martin Tsonev besser aufgehoben wären. Brünnhilde wird dreigeteilt auf Mariana Tzhvetkova in Walküre, ausdrucksvoll, kraftvoll und szenisch dominierend. Im Siegfried dann, zwar weniger spielfreudig, aber prachtvoll singend Bayasgalan Dashnyam. Am besten gefiel mir dann in Götterdämmerung Iordanka Derilova. Ich hatte sie schon aus Dessau als großartige Isolde in Erinnerung (gibt es auch bei Arthaus als DVDs), aber hier übertrifft sie die meisten im hochdramatischen Fach singenden Kolleginnen.
Fazit:. Etwas ganz Einmaliges, Neues und Phantastisches zu schaffen, geht also auch ohne Werkzertümmerung! Und dabei ist auch noch musikalisch überraschend gute Qualität zu erreichen. Wer‘s noch nicht kennt: unbedingt bald anschauen. Wer‘s kennt: nochmals anschauen, ich entdecke dauernd Neues!
6.) Kopenhagen, Königl. Oper: Schonwaldt / Bech-Holden, 2006, Decca
Ein Ring mit gewagtem Schluss: Brünnhilde bekommt nämlich ein Baby.
So ergreifend und so poetisch habe ich die Todverkündung in der Walküre in meinen 60 Jahren Ringerfahrung noch selten gesehen. Stig Andersen läuft da als Siegmund zur Höchstform auf. Aber auch Irene Theorin ist eine hinreißende Wotanstochter. Der Walkürenritt dann: ein surreal-phantastischer Reigen schwarz geflügelter Todesengel wirbelt auf dem Dach eines modernen Gebäudes! Aber auch schon im 1. Akt vor „Winterstürme…“ bricht das Wohnzimmer Hundings, treffend spießig im Stil der 60iger Jahre gestylt, auf für einen düsteren Wald mit roter Blumenwiese. Nur das Schwert, das muss ihm hier das Schwesterlein (!) herausziehen! Nanu? Kündigt sich da schon der ja folgende feministische Schluss des Rings an? Dann in Walhall, einer riesigen technischen Geschäftszentrale, stehen doch tatsächlich schon die Grabsteine für die nicht Überlebenden bereit. Fricka braucht sich also gar nicht mehr aufzuregen, denn für die Zwillinge sind die Gräber ja schon da! Randi Stene macht ihren Auftritt aber so großartig eiskalt und hämisch brillant, dass ich die Szene nicht missen wollte. Dabei fand ich das Rheingold vorher zunächst recht enttäuschend: der Rhein fließt offenbar durch eine riesige Bibliothek, daraus wird dann ein Schwimmbad, in einem Aquarium tummelt sich ein nackter Jüngling – ich dachte schon, ich bin im falschen Film! Und der böse Fafner sitzt in einem Rollstuhl, nanu? Loge ist eine fiese Goebbelsparodie, wenn ich das richtig erkannt habe. Ich wollte schon abdrehen, aber die Musik hat von Anfang an so einen spannenden Drive unter dem großartigen Michael Schonwaldt. Und die meisten Sänger erwiesen sich als großartige Singschauspieler. Stephen Milling als Fasold und Hunding wandlungsfähig mit ehernem Bass, Johan Reuter im Rheingold und James Johnson als persönlichkeitsstarker späterer Wotan/Wanderer, Stig Anderson, auch als Siegfried unermüdlich, nicht mehr so jung wie es sich gehört, aber voll jungenhaftem Charme. Große Enttäuschung aber für mich dann, was der Regie von Kaspar Bech- Holden für Siegfried alles an Unsinn einfiel: eine ganz banale Miniwohnung, in der, nanu, ein echter Amboss steht? Siegfried aber zerspaltet mit Nothung nicht den Amboss, wie es sich gehört, sondern den Fernseher. Soll das bedeuten, dass das TV-Programm selbst dem einfach strukturierten Siegfried zu blöd ist? Das wäre ja ein ganz witziger Regie-Einfall! Fafner sitzt in einem alten Wehrmachts-Bunker an Schaltpulten und verhandelt mit Siegfried über Lautsprecher. Und dann folgt Siegfrieds Kampf mit Kabeln (!), statt einem Drachen, in denen sich der dumme Knabe auch noch dauernd verheddert! Nein, da wurden alle Chancen für eine packende Opernszene vertan! Da soll einer doch das Fürchten lernen! Für die didaktisch-methodische Gestaltung dieses „pädagogischen“ Ortes, da kann ich als alter Lehrer nur die Note 6 geben! Und dann die ewig singende Taube als langweiliger Waldvogel im nüchternsten Waldweben, so ohne jeden Zauber, wie ich es in 60 Jahren noch nie erleben musste! Ebenso blöd gemacht der Besuch bei der alten, siechen Erda in einer miefigen kleinen Altbauwohnung: Das ist alles so klein-klein und spießig und dazu dann die gewaltige Musik! Nur noch ärgerlich! Doch die Götterdämmerung dann wieder: ganz großartig in Szene und Personenführung, da stimmt einfach alles! Auch Hagens Tod, dessen Arm Feuer fängt, beim Versuch, den blöden Ring aus den Flammen zu holen. Und als größte Überraschung noch am Schluss: Brünnhilde stirbt nicht in den Flammen; sie bekommt ein Baby und übernimmt mütterlich strahlend die Weltherrschaft. Recht so, nachdem die Männerwirtschaft doch derart kläglich versagt hat. Dieser grandiose Schluss wird die Feministinnen vielleicht zu Wagnerianerinnen machen? Und Irene Theorin, mit strahlender Stimme und Ausdruckgewalt, gestaltet auch das überzeugend und ganz einfach wunderbar!
Fazit: Eine singschauspielerische Meisterleistung, großartig in Szene und Musik, zeitgemäß und wagnerkonform, szenisch unbefriedigend allerdings erlebte ich den „Siegfried“, als ob da ein anderer Regie geführt hätte.
7.) Bayreuth: Boulez /Chereau, 1976/80, DGG
1976 viel unnötiges Geschrei, heute Kult.
Zunächst will ich eine Legende korrigieren: Diese Inszenierung war keineswegs so bahnbrechend und entrümpelnd, wie oft gemeint wird. Immerhin hatte viel früher schon Wieland Wagner Rauschebärte und Stierhelme zum Entsetzen der Alteingesessenen entfernt. Dann gestaltete Ulrich Melchinger 1972 in Kassel den Ring ganz gewaltig um, und 1973 auch Joachim Herz in Leipzig. In Kassel haben wir uns schon damals vor Begeisterung die Hälse wund geschrien. Das riesen Protestgeschrei, das es 1976 dann in Bayreuth gegeben hat, war mir deshalb ziemlich unverständlich. Da müssen nur ganz verbiesterte Wagnerianer in der Premiere gewesen sein. In einer der nachfolgenden Aufführungen hörte ich fast nur noch begeisterte Zustimmung. Und zwar mit vollem Recht. Denn hier war ein Fachmann und absoluter Könner geistvoll und witzig am Werk. Und er orientierte sich an der Musik und an Wagners Ideen, im Gegensatz zu so manchen Dilettanten, die in der letzten Zeit in Bayreuth und anderswo skandalträchtig und mediensüchtig das Werk verstümmelten. Zum Beginn des Rheingoldes allerdings verriet auch Chereau Wagners Intentionen ganz gewaltig: nämlich mit der Staumauer. Also kein Anbeginn der Welt und der Natur, sondern gleich hinein in die Anklage der Umweltzerstörung. Ich glaube, die Idee erschien ihm wohl einfach zu bühnenwirksam, als dass er widerstehen konnte. Doch es wirkte sehr aktuell und sehr verblüffend. Auch mir blieb zunächst der Atem weg, bis mich die großartige Ausführung dann doch mitriss. Auch im Siegfried verriet er Wagners Logik gewaltig und zwar mit der gewaltigen Schwertherstellungsmaschine, die Wotan seinem Enkel schenkte. Eigentlich musste der ja, so hieß es zumindest in der Walküre, ganz allein seinen Weg gehen, ganz ohne Opas Hilfe! Sicher verlockte Chereau hier die Absicht, den Krupp‘schen Kriegsmaschinenbau anzuprangern, und das war ja auch eine recht sarkastische Sozialkritik. Es ließen sich noch einige Fauxpas aufzählen, doch sie hatten immer einen klugen Hintersinn und geschahen nicht nur wegen des erhofften Aufsehens. Und die große Linie stimmte schon. Übrigens muss Chereau die Inszenierung in Kassel wohl gekannt haben, denn er hat so manche Idee „übernommen“. So zum Beispiel die Verlegung ins 19.Jahundert, den Wotan/Wanderer im Gehrock, damals vollkommen neu, vor allem auch die Rückverwandlung des verletzten Drachen Fafner in einen Menschen-Riesen, heute ja fast überall üblich, damals noch nie gesehen. Außerdem der sexy Waldvogel usw.! Aber wer weiß das heutzutage noch? Die Sänger waren mit einer Ausnahme ganz große Klasse. Allen voran der einzigartige Heinz Zednik als Loge: ein singuläres Ereignis! Schon deswegen lohnte sich der ganze Aufwand. Und natürlichwegendes umwerfend großartigen Geschwisterpaars Jeannine Altmeyer/Peter Hofmann, bis heute unerreicht als Siegmund und Sieglinde. Und natürlich auch wegen Donald MacIntyres grandios knorrigem Göttervater. Ja, und dann Fritz Hübner als verliebter Fasolt. Ausgerechnet aber der Siegfried enttäuschte mich dann auf ganzer Linie. Er war wohl nur Ersatz für den prächtigen Rene Kollo, den ich dort noch live gehört hatte. In seinen Memoiren ist zu lesen, wie er den zornmütigen Wolfgang Wagner verärgerte, und schon kam Manfred Jung zum Zug. Für mich leider weder in der Optik noch im Gesang ein Siegfried! Und so stand der so persönlichkeitsstarken und überaus grandiosen Gwyneth Jones nun tatsächlich ein unscheinbares blondes Bürschchen gegenüber, als angeblich der „Welt herrlichster Held“. Schade. Aber auch der knochentrockene Pierre Boulez als Dirigent eines nüchternen Schmalspurwagners enttäuschte mich sehr, blieb er doch die Tiefenauslotung der Partitur genauso schuldig wie ihre überschwänglichen Gefühlswerte. In seinem Buch beschreibt Kollo auch, wie wenig vertraut der Dirigent anfangs mit dem Werk war und sich schon beim Taktieren „verschlug“.
Fazit: Gesanglich und darstellerisch großartige Wiedergabe, mit kühnen, doch eigentlich schon bekannten Ideen, geistvoll und witzig, mit überraschend neuer Optik, aber leider knochentrocken geführtem Orchester.
8.) New York , MET: Levine/Schenk, 1988/1990, DGG
Schenks Ring mit Bärenfell und Stierhornhelm – fürs Opernmuseum noch zu lebendig!
Nach all den Ring-Entrümplern wie Wieland Wagner, Hertz, Melchinger und Chereau hat es so eine Inszenierung nur noch im stockkonservativen New York geben können. Aber ich halte sie für eine der wichtigsten überhaupt, denn sie ist ein einzigartiges museales Dokument, vermittelt sie doch eine hochinteressante Vorstellung, wie der gute alte Wagner sich eine Inszenierung seines Rings wohl vorgestellt haben könnte, hätte es denn die technischen Mittel für seine anspruchsvollen Bühneneffekte zu seiner Zeit schon gegeben. Wann immer er in seinen Regieanweisungen z.B. einen Blitz gewollt hat, wird hier gehorsam geblitzt, was das Zeug hält. Nun war Wagner ja keineswegs ohne Erfahrung, wie ein Stück effektvoll zu inszenieren ist. Also hatte er sich auch viel Kluges gedacht bei seinem Schaffensprozess. Dies mit besserer Technik realisiert zu sehen, ist nicht nur hochinteressant, sondern wäre auch jedem Regieanwärter wärmstens zu empfehlen, Adorno und Brecht zum Trotz. Sicher kommt uns manches inzwischen recht naiv vor, aber zu erleben, was ein Theatergenie allerersten Ranges für tolle Ideen hatte, sollte nicht ohne Interesse sein. Ich meine, es ist auch heute noch ganz eindrucksvoll. Und uns würde vielleicht mancher Regieblödsinn erspart werden. Denn ich frage mich schon lange, ob das Regietheater wirklich die richtige Form ist, alte Opern aufzuführen, bei aller Anerkennung der Verdienste um die meist hervorragende Personenregie. Aber natürlich, hochgestochene sozialkritische Verfremdungen oder intellektuell verrätselte Assoziationen gibt’s hier nicht.
Schenk und sein Bühnenbildner Gunther Schneider-Siemssen bieten hier eine regelrechte Antithese und geben ihr Bestes an Wagnerscher Bühnenillusion. Sogar Schlange und Kröte erscheinen bei Alberichs Verwandlungen, Erda kommt tatsächlich mit „bläulichem Schein“ aus dem Boden, und das Finale mit Donners Hammerschlag, einem Regenbogen und den klagenden Rheintöchtern verzaubert. Ganz zu schweigen von dem, was sich erst bei der Götterdämmerung abspielt an Wasserfluten und einstürzenden Gebäuden. Und das alles könnte man ja heute mit digitalen Projektionen noch viel besser machen und uns wirklich „vor Staunen stumm machen“, wie Loge es fordert. Aber auch die Sänger wurden gut geführt, gleichermaßen psychologisch durchdacht wie bühnenwirksam. Ihre Aktionen waren zwar sparsamer als heute, sie standen im Vergleich auch viel herum, konnten sich dafür aber besser der anstrengenden Singerei widmen, ohne dauernd klettern oder rennen zu müssen. Deshalb ist auch musikalisch fast alles „aufs Best‘ bestellt“. Kein Wunder bei der Sängerschar. Allen voran der singschauspielerisch unübertroffene Heinz Zednik als unerreichter Mime. Aber da wäre gleichwertig auch die wunderbare Sieglinde der Jessye Norman mit ihrer explosiven Einsatzfreude; ungeheuer präsent ist sie und mitreißend wie ein Vulkan. Der Grammy dafür war hoch verdient! Ihr Zwillingsbruder, der farblos behäbige Gary Lakes hat neben ihr keine Chancen, obwohl er achtbar singt. Hildegard Behrens ist eine sehr feine und sensible Brünnhilde, keine Trompetenstimme, sondern eher recht lyrisch. Ein starker Hunding ist Kurt Moll, und Matti Salminen mit seiner schwarz orgelnden Riesenstimme schuf Hagen als einen Erzbösewicht zum Fürchten, Siegfried Jerusalem, schon äußerlich die perfekte Illusion seines Namensvetters, nur fast zu intelligent, kein Haudrauf, dafür aber mit feinen Stimmnuancen, James Morris als voluminös überzeugender charismatischer Göttervater, passend zu dieser Persönlichkeit Christa Ludwig als seine dramatisch zickende Gattin und in der Götterdämmerung als die mitreißende Waltraude. Einfach großartig! Levine lässt Wagners Tonfluten mit lebhaftem Drive noch mitreißender werden.
Zum 200. Geburtstag von Wagner kamen so viele, auch gute Neuinszenierungen, dass der Schenk-Ring auch bei mir etwas in Vergessenheit geriet. Jetzt, anlässlich dieser vergleichenden Besprechung, habe ich ihn mir wieder öfter angeschaut und war geradezu überwältigt, was damals geleistet worden war. Vor allem die Götterdämmerung wird man kaum ergreifender erleben können. Und das ohne Verfremdungen, ohne technische Zutaten, ohne Verlegung in die Gegenwart und ohne Videoeinspielungen. Vielleicht gerade deshalb. Man muss sich nur, was nicht immer leichtfällt, auf den Germanenlook einlassen können. Dann gibt es Wagner pur vom Allerfeinsten.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich möchte um Gotteswillen nicht, dass nun Wagners Opern mit Rauschebart-Wotans und Stierhelm-Siegfrieds daherkommen sollen. Nein. Ich will nur, dass Opern die Inhalte vermitteln, die der Komponist wollte, und dass man sie auch wiedererkennt.
Fazit: Diese von Wagner quasi persönlich abgesegnete Inszenierung, die alle seine Anweisungen brav befolgt, ist mal wohltuend für alle am Regietheatervirus bereits schwer Leidenden, fürs Opernmuseum noch zu lebendig, eine vollendet gute musikalische Lösung und zeigt, wie mit sparsamen Mitteln große Wirkung erzielt werden kann.
Peter Klier, 26. Oktober 2023
Weiter geht es hier mit Teil 3.
Übersicht:
Teil 1: Weimar, Lübeck, Bayreuth 1992, Amsterdam
Teil 2: Sofia, Kopenhagen, Bayreuth 1976/80, New York 1988/90
Teil 3: Valencia, Mailand, Stuttgart, Frankfurt, München 1987
Teil 4: Barcelona, Buenos Aires, Mannheim, Deutsche Oper Berlin 2022, New York 2011, Marionettentheater Salzburg