Unter dem Titel „Stürmische Geschichten – very British“ präsentiert die Deutsche Oper am Rhein einen Abend mit den beiden Opern Der Leuchtturm von Peter Maxwell Davies und Dido und Aeneas von Henry Purcell. Beide Werke stammen von britischen Komponisten, doch zwischen ihren Uraufführungen liegen rund 300 Jahre. Während Dido and Aeneas im Frühjahr 1689 in London uraufgeführt wurde, fand die Premiere des Leuchtturms erst am 2. September 1980 im Rahmen des Edinburgh Festivals statt. Auch sonst haben die beiden Stücke nicht viel gemeinsam, so dass die Rheinoper glücklicherweise auch nicht lange nach nicht vorhandenen Gemeinsamkeiten sucht. Vielmehr präsentiert man vor und nach der Pause zwei völlig eigenständige Opern, deren Inszenierung man zwei Regieassistenten und Abendspielleitern des Hauses anvertraut hat. Dieses Vertrauen in das eigene Team zahlt sich voll aus, denn beide Werke überzeugen auf ihre ganz eigene, durchaus sehr unterschiedliche Weise mit einer rundum gelungenen und in sich stimmigen Inszenierung.
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Die Kammeroper Der Leuchtturm erzählt in einem Prolog und einem Akt die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte von drei spurlos verschwundenen Leuchtturmwärtern. Im Prolog berichten drei Marineoffiziere in einer Gerichtsverhandlung, wie sie den Leuchtturm auf der Insel Fladda leer vorfanden. Nichts erinnert an ein Verbrechen. Der Tisch ist gedeckt, ein Stuhl ist umgekippt, aber sonst scheint alles in Ordnung zu sein. Doch von den Wärtern fehlt jede Spur. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass alle drei Männer Opfer der stürmischen See geworden sein müssen. Der erste (und einzige) Akt zeigt dann in einer Rückblende das Leben der Leuchtturmwärter Sandy, Blazes und Arthur, die auf engstem Raum miteinander auskommen müssen, was nicht immer einfach ist. Bewusst bietet die Oper hier keine Lösung des Rätsels um das Verschwinden, sondern zeigt, was unter den angespannten Umständen auf der kleinen Felseninsel möglich sein könnte. Dabei lässt Davies Bezüge aus dem Tarotspiel in seine Oper einfließen, die Haitham Assem Tantawy in seiner Inszenierung gekonnt aufgreift. Dabei nutzt er alle Möglichkeiten des Bühnenapparates. Eindrucksvolle Videoprojektionen (Manuela Hartel) und ein großes Bühnenbild (Matthias Kronfuß), in dem der Leuchtturm sowohl von innen als auch von außen zu sehen ist, wissen zu gefallen. Auch die Drehbühne und der Schnürboden werden immer wieder bildgewaltig mit zum Teil grandiosen Effekten eingesetzt. Dazu kommen immer wieder stimmige Lichteffekte von Thomas Diek, die die großen Stürme der rauen See optisch verstärken.
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Ein geschickter Regieeinfall ist es auch, den drei Sängern Adrian Dwyer (Sandy / 1. Offizier), Roman Hoza (Blazes / 2. Offizier) und Sami Luttinen (Arthur / 3. Offizier) drei Tänzer zur Seite zu stellen, die zunächst als gesichtslose Wesen neben den Offizieren agieren, im Laufe des Abends aber auch die Welt der Tarotkarten eindrucksvoll auf die Bühne bringen. Davide Troiani, Andrea Zinnato und Lorenzo Malisan haben hier alle Hände voll zu tun und sind wie die drei Sänger fast die gesamten 80 Minuten der Oper auf der Bühne zu sehen. Musikalisch begleitet wird das Werk von 12 Musikern der Duisburger Philharmoniker in kammermusikalischer Besetzung unter der Leitung von Killian Farrell. Besonders erwähnenswert sind abschließend die drei Lieder der Leuchtturmwärter, in denen sie von ihrem früheren Leben erzählen. Sehr melodisch und fast ein wenig heiter kommen sie in der ansonsten eher düsteren, aber durchaus spannenden Oper daher.
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Nach der Pause folgt mit der Oper Dido and Aeneas von Henry Purcell eine ganz andere, aber nicht weniger beeindruckende Inszenierung. Julia Langeder verlegt die Geschichte der karthagischen Königin Dido und des Seefahrers Aeneas in die Gegenwart und macht die Protagonisten zu Avataren im Computerspiel Karthago. Diese Avatare werden von zwei Jugendlichen aus der Gegenwart gesteuert. Das Mädchen aus wohlhabendem Hause wird in der Realität stark gemobbt und flieht deshalb immer wieder ins Spiel, wo sie eine starke und selbstbewusste Dido steuern kann. Aeneas hingegen wird von einem klischeehaften Computernerd gesteuert, der sich natürlich von Fastfood ernährt und ansonsten mehr oder weniger in einer Art Kellerzimmer lebt. Diese parallelen Handlungsstränge werden sehr gut in Szene gesetzt, indem die beiden Räume der Gegenwart immer wieder nach rechts und links geschoben werden, um in der Mitte der Bühne dem Geschehen des Computerspiels Platz zu machen (Bühne: Natalie Krautkrämer).
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Sehr schön ist auch, wie Anna Harvey (Dido) und Jake Muffett (Aeneas) in dieser Inszenierung von zwei Statisten gedoubelt werden, so dass sie teilweise in ihren Rollen im Spiel agieren können, während die Spieler vor ihren Bildschirmen sitzen, andererseits aber auch in der Gegenwart singen. Ein an sich einfaches Prinzip, das hier in Perfektion umgesetzt wurde. Die eigentliche Handlung der Oper wird allerdings an der einen oder anderen Stelle etwas verfremdet und in das Computerspiel „gepresst“, dennoch ergibt sich ein runder Gesamteindruck. Musikalisch ist die zweite Oper des Abends deutlich eingängiger und die Duisburger Philharmoniker zaubern mit der Continuo-Gruppe, wieder unter der Leitung von Killian Farrell, feinste Barockklänge aus dem nun etwas höher gelegenen Orchestergraben. Anna Harvey überzeugt mit ihrem schönen Mezzosopran ebenso wie der Bariton Jake Muffett, und auch die weiteren Rollen sind mit Sylvia Hamvasi (Belinda), Morenike Fadayomi (Zauberin), Romana Noack (Zweite Frau), Elisabeth Freyhoff (Erste Hexe) und Annabel Kennedy (Zweite Hexe) stimmig besetzt. Darüber hinaus sorgt ein stimmgewaltiger Opernchor unter der Leitung von Gerhard Michalski, der sowohl im Computerspiel auftritt als auch immer wieder von der Seite singt, für einen musikalisch runden Abschluss des Abends.
Auch wenn beide Opern musikalisch und inhaltlich sehr unterschiedlich sind, so verbindet sie in dieser Kombination die jeweils gelungene Umsetzung. Beide Inszenierungen machen richtig Spaß, und es ist schön zu sehen, dass ein so großes Haus wie die Deutsche Oper am Rhein dem eigenen Nachwuchs diese Chance bietet, die in diesem Fall auch dankbar angenommen wurde. Das Publikum im nahezu ausverkauften Theater Duisburg spendete allen beteiligten Künstlern lang anhaltenden Applaus.
Markus Lamers, 11. Februar 2025
Der Leuchtturm / Dido und Aeneas
Operndoppel-Abend von Peter Maxwell Davies und Henry Purcell
Deutsche Oper am Rhein – Theater Duisburg
Premiere: 7. Februar 2025
besuchte Vorstellung: 9. Februar 2025
Inszenierung: Haitham Assem Tantawy (Der Leuchtturm) / Julia Langeder (Dido und Aeneas)
Musikalische Leitung: Killian Farrell
Duisburger Philharmoniker
Trailer – Der Leuchtturm
Trailer – Dido und Aeneas
Weitere Aufführungen: 21. Februar, 23. Februar, 2. März und 5. März