Duisburg: „Don Carlo“

Premiere: 10.06.2017 (Übernahme aus Düsseldorf)

Überzeugende Regiearbeit am Theater Duisburg

TRAILER

Am Samstag, dem 10. Juni 2017 fand in Duisburg die Premiere von Verdis „Don Carlo“ statt, ein Stück welches bereits in der Spielzeit 2015/16 in Düsseldorf zu sehen war. Entschieden hat man sich hierbei für die vieraktige Mailänder Version, was der Regiearbeit von Guy Joosten sicherlich zu Gute kommt. So spannt der flämische Regisseur einen schönen Bogen vom Beginn, wo Carlos wie tot, doch nur schlafend in seinem Bette liegt und plötzlich albtraumhaft viele Mönche um ihm herum auftauchen und den vermeintlichen Leichnam von Karl V. zu ihm ins Bett legen, hin zum Ende des Stückes. Hier entschied sich Joosten, wer Überraschungen liebt bitte folgenden Zeilen bis zum Absatz überspringen, für die wohl düsterste und tragischste Variante der drei möglichen Endfassungen. Auch dies macht Sinn, wird durch die Ermordung Carlos durch seinen Vater doch ganz am Ende der Pakt besiegelt, der im Laufe der Oper zwischen Phillip II. als Vertreter der Krone und dem Großinquisator getroffen wurde. Die Kirche gewährt Absolution für den Mord, da der König zuvor Rodrigo di Posa, zu dem er in seiner Einsamkeit sogar ein fast freundschaftliches Verhältnis sieht, der Inquisition opferte.

Zwischen diesen beiden Szenen liegen rund 3¼ Stunden ansprechender Opernunterhaltung. Gleich zu Beginn werden die wichtigsten Personen vorgestellt, ein weiterer dramaturgischer Vorteil der Mailänder Fassung, die Guy Joosten sehr genau und mit guter Personenregie zeichnet. Phillip II. ist ein fast bemitleidenswerter Herrscher, der von seiner Frau nicht geliebt wird und feststellen muss, dass er gegen die Inquisition nicht viel zu sagen hat. Sehr schön in diesem Zusammenhang auch das Bühnenbild von Alfons Flores, eine Palastkulisse aus vielen goldenen Elementen, die meist strahlend leuchtet, je nach Lichteinfall (Licht: Manfred Voss) aber auch durchsichtig werden kann. In diesen Gemäuern sind im Laufe der Inszenierung immer wieder Mönche an den verschiedensten Stellen zu sehen, die symbolisch den Palast rund um die Uhr überwachen und alles im Blick haben. Beindruckend durch geschickten und spärlichen Einsatz von Projektionen ist auch der Effekt zum Ende des zweiten Aktes, bei dem die flandrischen Deputierten im Autodafé den Flammen zum Opfer fallen.

Aber zurück zu den wichtigen Personen im Stück. Marquis Posa ist in dieser Inszenierung ein geschickt kalkulierender Politiker, der auch kurzfristig auf sich ergebende Gelegenheiten reagiert, dabei aber stets menschliche Züge wahrt und in dem System der Unmenschlichkeit weiter an seine Ideale glaubt. In Duisburg gab Bogdan Baciu sein Rollendebut als Rodrigo, was ihm wahrlich meisterlich gelang. Sowohl vom Schauspiel wie auch gesanglich auf ganzer Linie überzeugend. Bravo! Ihm zur Seite steht der vielgefragte Italiener Gianluca Terranova, der bereits in Düsseldorf hochgelobt den Don Carlo interpretierte. Dies macht er, rollengerecht als geistig und körperlich geschädigter Mensch, sehr beeindruckend spielend. Eine Charakterisierung der Rolle, die Joosten als Folge habsburgischer Inzest-Politik entsprechend tragisch darstellt ohne hierbei zu übertreiben. So entsteht eine durchaus glaubwürdige und geschickte Sichtweise auf den „Titelhelden“ des Stückes. Gesanglich auch hier auf hohem Niveau, tonsicher auch in den großen Höhen und mit einem Timbre wie es passender nicht sein könnte. Großer Vorteil der Duisburger Besetzung vor allem die gut harmonierenden Stimmen der beiden Sänger bei „Dio, Che Nell’alma Infondere Amor“.

In den weiteren großen Rollen gab der Bass Liang Li den erwähnt tragischen Philipp II, Sami Luttinen verkörperte den Großinquisator, die irische Sopranistin Celine Byrne stand als Elisabeth auf der Bühne und Prinzession di Eboli wurde von der Mezzosopranistin Sarah Ferede interpretiert. Alle vier erhielten nach ihren „großen Stücken“ spontanen Zwischenapplaus und vereinzelte Bravo-Rufe, wobei sich das Duisburger Publikum erfreulicherweise den größten Beifall aber fürs Ende aufgehoben hat.

Bei Verdi darf natürlich auch der Chor nicht fehlen, der in dieser Produktion zusammen mit dem Extrachor unter der Einstudierung von Gerhard Michalski volumenstark zur Geltung kam. Auch die Duisburger Philharmoniker unter der musikalischen Leitung von Lukas Beikircher zeigten sich zur Premiere gut aufgelegt, so dass der Autor dieses Textes trotz anstrengendem Arbeitstag seit 6 Uhr morgens selbst zum Schlussapplaus kurz vor 23 Uhr kaum Müdigkeit verspürte, ein vielleicht nicht alltägliches, aber dafür umso ehrlicher gemeintes Lob für die gesamte Produktion.

Markus Lamers, 11.06.2017

Fotos: © Hans Jörg Michel