Duisburg: „Madama Butterfly“

Premiere: 04.02.2017
besuchte Vorstellung: 01.03.2017

Puccini mit Atombombe

Lieber Opernfreund-Freund,

fällt hierzulande der Name des japanischen Nagasaki ist die erste Assoziation eine schreckliche. Am 09. August 1945 fiel auf die für den Schiffsbau bedeutende Stadt eine Atombombe, so dass sie bis heute als Mahnmal dafür steht, welcher Schrecken vom Atomkrieg ausgeht und welches Leid Menschen einander zufügen können. Doch auch Puccinis tragedia giaponese „Madama Butterfly“ spielt in dieser Stadt am südwestlichen Ende Japans. Diesen Umstand macht sich Juan Anton Rechi zunutze und zeigt derzeit in Duisburg seine packende Lesart des tragischen Stoffes vor noch tragischerer Kulisse.

Im August 1945 verortet der gebürtige Andorraner den Beginn der Oper und bei ihm wird von Anfang an klar, dass die Geschichte auf eine Tragödie zusteuert. Die 15jährige Cio-Cio-San ist die einzige, die an eine Zukunft mit dem amerikanischen Offizier glaubt und scheint schon zu Beginn fremd in ihrer Umgebung.

All ihre Verwandten sind in die westliche Mode der 1940er Jahre gehüllt (hinreißende Kostüme von Mercé Paloma), nur sie trägt den traditionellen japanischen Kimono. So belügt sie sich selbst, lässt sich eine heile Welt und große Gefühle vorgaukeln.

Sogar das Haus, das Pinkerton für 999 Jahre mit monatlichem Kündigungsrecht gekauft hat, bleibt ein von allen bestauntes Modell, wird aber nie Realität. Der erste Akt spielt in der amerikanischen Botschaft, die außer von Säulen von einer mitunter gleißend angestrahlten, überdimensionalen amerikanischen Flagge dominiert wird – in Zeiten, in denen einem im Fernsehen allenthalben amerikanische Nationalismus entgegengeschrien wird, für viele allein schon ein bedrohliches Szenario. Die vermeintliche Hochzeitsnacht der verliebten Japanierin wird zum Schäferstündchen, der Gemahl bleibt nicht einmal über Nacht. Dafür fällt am Morgen, als sie alleine dem Bett enjtsteigt, die Atombombe und legt die Welt um Cio-Cio-San nun auch optisch in trostlose Trümmer.

Die Aufbauten von Alfons Flores erzeugen zusammen mit dem ausgeklügelten Licht von Volker Weinhart bedrückende Bilder der Zerstörung, denn wie zigtausende Menschen nach der Bombe im nahezu nicht mehr existenten Nagasaki ausharrten, wartet auch Butterfly vom festen Glauben daran getrieben, dass Pinkerton zu ihr zurück kommt, in den lebensfeindlichen Ruinen. Die verzweifelten „Butterfly“-Rufe des US-Soldaten am Ende der Oper ertönen oft erst, wenn die entehrte Japanerin bereits den totbringenden Schnitt gesetzt hat. Rechi allerdings lässt ihn Butterfly bewusst erst in Anwesenheit von Pinkerton ausführen, macht so ihren Freitod noch mehr zum Statement – und beraubt damit den Zuschauer gezielt jeglicher hoffnungsvollen Was-wäre-gewesen-wenn-Überlegungen. So gelingt ihm auch am Ende eines überzeugenden Abends ein starkes Schlussbild jenseits sentimentalen Kitsches.

Die Armenierin Liana Aleksanyan gibt die bedauernswerte Butterfly voller Inbrunst und Leidenschaft. Dabei mischt sie ihrem farbenreichen Sopran, der eigentlich fast zu kräftig für eine unschuldig-naive 15jährige scheint, im ersten Akt eine wunderbare Süße unter und überzeugt hier genauso, wie später als hoffnungsfrohe Mutter und zuletzt als desillusionierte Frau. In der Suzuki von Maria Kataeva findet sie eine treue und aufopfernde Gefährtin, die mit ihrem weichen Mezzo auch stimmlich hervorragend mit ihr harmoniert. Die Rolle des Pinkerton ist vielleicht die undankbarste Tenorrolle aus der Feder von Puccini. Der Sänger hat unentwegt einen Spitzenton nach dem anderen zu produzieren und erhält als Dank lediglich die halbe Arie „Addio fiorito asil“ und null Sympathiepunkte vom Publikum. Mit der Höhe diese Spitzentöne müht sich Eduardo Aladrén redlich ab, hat dabei aber nicht immer so viel Erfolg wie mit seiner glaubhaften und intensiven Darstellung des Unsympathen. Stefan Heidemann überzeugt als Konsul Sharpless vor allem im tiefen und mittleren Register, in die er viel Güte und Menschlichkeit legt. Florian Simson ist ein herrlich schmieriger Goro, den Flüche ausstoßenden Onkel Bonzo hat man allerdings schon wesentlich furchteinflößender gehört, als von Ensembleurgestein Peter Nikolaus Kante.

Der von Christoph Kurig vorbereitete Chor überzeugt mit glänzend aufeinander abgestimmten Stimmen, während der kaum 30jährige Aziz Shokhakimov über weite Teile ein differenziertes, schnörkelloses Dirigat präsentiert. Da und dort lässt er aber dann doch eine gehörige Portion Puccini-Schmelz aufblitzen – und macht damit den Abend auch klanglich rund. Dass er mitunter die Sängerinnen und Sänger klanglich übertüncht, sei dem jugendlichen Drang des Usbeken verziehen.

Das Publikum im nahezu voll besetzten Duisburger Theater ist ebenso ergriffen wie begeistert und applaudiert frenetisch. Und auch ich empfehle Ihnen diese „Atombomben-Butterfly“, die zwar keinen neuen Meilenstein in der Rezeptionsgeschichte des Werkes markiert, aber doch einen interessanten Link schlägt. Nicht zuletzt Liana Aleksanyan in der Titelrolle macht sie darüber hinaus sehenswert.

Ihr Jochen Rüth / 2.03.2017

Bilder (c) Rheinoper / Hans Jörg Michel.